Zwei Schienen, die parallel laufen, sich nie trennen – ein romantisches Symbol für Freundschaft. Gerade für Jugendliche ist das ein Symbol, das sie auf Fotos mit den besten Freunden festhalten wollen. Dass sie bei einem Fotoshooting auf Bahngleisen dabei ihr Leben riskieren, ist ihnen oft nicht klar.
Ein solches Shooting gab es auch am Montag gegen 18 Uhr in Würzburg. Laut Polizeimeldung hatte ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn nahe dem Bahnhof Würzburg-Zell drei Mädchen und einen Jungen auf den Bahngleisen gesehen und die Polizei gerufen. Die Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren gaben an, Fotos voneinander machen zu wollen. Beim Blick auf die Speicherkarte der Kamera, die die vier dabei hatten, wurde deutlich: Dafür hatten sie bereits mitten im Bahngleis posiert – und sich in Lebensgefahr gebracht.
Vermutlich hohe Dunkelziffer
Laut Bundespolizei kommt es seit einiger Zeit bundesweit immer häufiger zu solchen Fällen. Dabei seien auch schon Jugendliche ums Leben gekommen. So etwas ist in der Region Würzburg bisher jedoch noch nicht vorgekommen, sagt Fabian Hüppe, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Würzburg. Es gebe hier auch nur Einzelfälle, bei denen Jugendliche auf den Gleisen Fotos machen. „Die Dunkelziffer ist vermutlich aber sehr hoch“, so Hüppe.
Symbol mit Romantik und Dramatik
Doch was macht den Reiz an den gefährlichen Fotos aus? Laut Martin Voigt, Publizist und Autor, sind die Bahngleise ein Motiv mit vielen Bedeutungssphären. Der 32-Jährige hat in seiner Dissertation unter anderem das Phänomen „Fotos im Gleisbett – Beste Freundin“ untersucht, nachdem 2011 zwei Mädchen in Memmingen bei einem solchen Fotoshooting vom Zug erfasst worden waren. „Die Polizei hat damals gerätselt, ob es ein Suizid war oder vielleicht eine Mutprobe. Ich hatte aber schon zuvor solche Fotos im Gleisbett gesehen und bin dann zur Polizei gegangen, um zu erklären, dass das Ganze vielleicht nur ein Unfall war“, sagt Voigt. So entstand seine Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und letztlich ein Präventionsprogramm mit Flyer und Besuchen auf Messen.
Die Schienen seien ein starkes Symbol, so Voigt. „Sie beinhalten zum einen das Fernweh-Motiv, aber auch die Gefahr und Romantik.“ Für viele Mädchen zwischen zwölf und 16 Jahren sei es wichtig, eine Freundschaft auch in den sozialen Netzwerken zu inszenieren. „Diese Mädchen suchen aber nicht die Gefahr, sondern immer nur das schöne Foto“, sagt Voigt.
Gefahr wird unterschätzt
Vielen sei gar nicht klar, wie gefährlich so eine Situation ist. „Die Mädchen schauen sich vorher die Fahrpläne an. Außerdem fühlen sie sich in der Gruppe sicher. Da verliert man schnell das Gefühl für Ort und Zeit.“ Doch oft fahren Sonder- oder Güterzüge, die nicht in den Fahrplänen stehen. Einen Zug, der 160 km/h schnell fährt, könne man zudem nicht rechtzeitig kommen hören. Und: „Nicht nur das Gleisbett gehört zur Gefahrenzone, auch die Randbereiche, in denen ein vorbeifahrender Zug Wirbel erzeugt, sind noch kein sicherer Ort“, so Voigt.
Strafe für die Jugendlichen
Präventiv sei es deshalb wichtig, an das Verantwortungsbewusstsein der Jugendlichen zu appellieren und ihnen aufzuzeigen, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen. „Die meisten wissen nicht, dass bei solchen Aktionen schon Mädchen ums Leben gekommen sind.“ Laut Voigt habe die Präventionsarbeit der Bundespolizei und der Deutschen Bahn schon Wirkung gezeigt: Bahnmitarbeiter seien für das Thema sensibilisiert und würden schnell reagieren. „Ich saß auch selbst schon einmal in einem Zug, der halten musste, weil Kinder auf den Schienen Fotos gemacht haben.“
Die vier im Landkreis Würzburg lebenden Jugendlichen erwartet jetzt ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit. Allein das unerlaubte Betreten der Gleise kostet 25 Euro Strafe, erklärt Fabian Hüppe. Da wegen des Polizeieinsatzes, den die Jugendlichen ausgelöst haben, zwischen Würzburg und Karlstadt die Bahnstrecke für 15 Minuten gesperrt war und es so zu Verspätungen kam, könnte die Strafe auch höher ausfallen. „Wenn es durch Personen auf den Gleisen zu einer Beeinträchtigung des Bahnverkehrs kommt, kann das schnell mehrere hundert Euro kosten“, so Hüppe.
Müsse ein Zug eine Schnellbremsung machen, sei man auch schnell bei einem Straftatbestand: gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr.