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Würzburg
Langer Atem statt laue Nächte
Das Theater Ensemble spielt 'King Lear', der von Thomas Schmelter verkörpert wird.
Foto: Andreas Büttner | Das Theater Ensemble spielt "King Lear", der von Thomas Schmelter verkörpert wird.
Sonja Will
 |  aktualisiert: 10.08.2023 03:25 Uhr

Vermutlich hätte William Shakespeare selbst seine Freude am verwunschenen Aufstieg hin zur Sommerbühne des Theater Ensembles am Bürgerbräugelände gehabt. Durchaus klamm und etwas heimlich führen die Treppen hinauf auf die Ränge mitten in die Wiese am Waldrand mit Blick auf eine Bühne, die rot-schindelig an eine Burg anmutet. Ein fanfarenartiges, unisono durch die ganze Kompanie gesungenes "König Lear" ertönt immer wieder wie eine Art Haltepunkt und Gedächtnisstütze im komplexen Thema, das sich beinahe dreistündig durch den Premierenabend zieht.

Wer anfangs noch versuchte, die Handlung zu verfolgen, hat vermutlich spätestens zur Pause das Handtuch geworfen und sich darin geübt, den Moment auszukosten, trotz oder gerade wegen all der schweren Kost aus Intrigen, Gier, Manipulation und Gemetzel. Nicht umsonst galt die Tragödie zu Shakespeares Zeiten aufgrund ihrer Brutalität als quasi nicht aufführbar.

Ein wenig Blut spritzte doch

Mit brutalen Momenten hielt man sich unter der Regie Andreas Büettners etwas zurück und streute dafür Kurzweiliges ein. Julia Wohlfahrt, Linus Schläger und Jolantha Herting als Thomas Schmelters, alias King Lears, Töchter Goneril, Regan und Cordelia bewiesen durchaus, wie unterschiedlich die Charaktere selbst in einer Familie sein können. Wohlfahrt verlieh Goneril die angebrachte schnippische Attitüde, die Hofnarr Andreas Protte auch gerne als "abgestutzes Ende" und ihr Vater der König, später glaubhaft tattrig dargestellt, als "Beule, Krankheit und Pest" statt "eigen Fleisch und Blut" bezeichnete. Als Berater des Königs erklomm Philipp Oehlenschläger kraftvoll und in Kampfmontur sogar das Bühnenbild, während Linus Schläger die Doppelrolle der Regan, vor allem aber auch des "Armen Tom" äußerst gut stand.

Michael Gumpert, nur mit Namenstafel die Bühne betretend, glänzte in acht allein durch ihn darzustellenden Rollen. Ein wenig Blut spritzt dann doch und auch hier sprintet Gumpert mit der Blutspraydose auf die Bühne. Jonas Pfeuffer, als Lears Verbündeter, wirkt, nachdem er seiner Augäpfel publikumsschonend verdeckt entledigt wurde, gar nicht mehr so gefasst wie zu Beginn und irrt zwischen Bühne und angrenzendem Wald ebenso wie der mittlerweile Blumenkranz gekrönte Altkönig, der langsam seine letzten Minuten gekommen sieht.

All den brutalen Turbulenzen und Wirrungen tut der kühle Kopf an diesem weniger lauen Abend sicher ganz gut und wer doch ein wenig Romantik und den Sommernachtstraum vermisst, der muss nur einen Blick über sich werfen und kann die Fledermäuse in die Baumwipfel fliegen sehen.

 
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