
Eine Handvoll Jugendlicher war am Dienstagnachmittag auf dem Weg zur Wahlkampfveranstaltung auf dem Würzburger Marktplatz. Im Gepäck ein Schild mit der Aufschrift "Fahr doch Porsche" - ein Seitenhieb auf FDP-Chef Christian Lindner. Der 44-Jährige verteidigte jüngst seine Porsche-Leidenschaft: Wer damit ein Problem habe, was er sich von seinem "verdienten und versteuerten Geld" kaufe, "der soll in Gottes Namen eben eine andere Partei wählen". Ihr Schild konnten die Jugendlichen wieder einpacken. Denn Lindner kam nicht: Der Bundesfinanzminister hat Corona.
Und so gab der bayerische Spitzenkandidat Martin Hagen beim FDP-Wahlkampf in Würzburg am Dienstagnachmittag das Lindner-Double. Und frotzelte auf der Bühne: Wer "eingefleischter Schwarzer" sei und finde, "der Söder ist ein Pfundskerl", der auch morgen noch zu dem stehe, was er heute gesagt habe, "der soll in Gottes Namen eben die CSU wählen".
Vorwurf der Liberalen: Söder hat Laschet als Kanzler verhindert
Ob die Formulierung zufällig oder bewusst nach Lindner klang, blieb unklar. Kühn sind solche Aussagen für eine Partei, die laut Bayerntrend aktuell bei drei Prozent steht und akut um ihren Wiedereinzug in den Landtag fürchten muss, aber allemal. Mit welcher Strategie die Liberalen die Menschen überzeugen wollen, am 8. Oktober ihr Kreuz bei der FDP zu machen, wurde bei der Veranstaltung indes klar.
Botschaft eins: Die FDP ist das Regulativ der Ampel. "Auch ich rege mich manchmal über die Ampel auf", gestand Hagen. Es sei nie die Wunschkonstellation der Liberalen gewesen. Die Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen sei nur deshalb zustande gekommen, weil Söder "Laschet als Kanzler erfolgreich verhindert hat".
Jetzt, wo man schon in dieser Koalition sei, "bin ich jeden Tag froh", jubelte Hagen geradezu, dass Christian Lindner "über unsere Staatskassen wacht und nicht Robert Habeck oder jemand anderes". Den Bundesfinanzminister bezeichnete der 42-Jährige als "Bollwerk gegen höhere Steuern".
Noch ein Vorwurf der Liberalen: Grüne haben "klimapolitischen Irrsinn" mitgetragen
Botschaft zwei: Die FDP hat mehr Ahnung von Wirtschaft als andere. Nur die Liberalen hätten erkannt, dass "nur eine brummende Wirtschaft" einen funktionierenden Sozialstaat ermöglicht, meint Hagen. Die Grünen hätten das nicht verstanden, schimpfte der Spitzenkandidat mit Blick auf Bundesfamilienministerin Lisa Paus, die Lindners Wachstumschancengesetz zur Förderung der deutschen Wirtschaft blockiert habe. Die FDP und andere interpretierten das als Revanche für die Art, wie Lindner mit Paus' Finanzierungswünschen für die Kindergrundsicherung umgegangen war.
Überhaupt hätten die Grünen versagt, weil sie den "klimapolitischen Irrsinn", Kohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen und "sauberen Atomstrom abzuschaffen", mitgetragen hätten.
Kritik Richtung Freie Wähler: Aiwanger als Wirtschaftsminister ungeeignet
Noch schlechter als die Grünen kam Hubert Aiwanger in Hagens Rede weg. Als Wirtschaftsminister in Bayern sollte der sich für Bürokratieabbau einsetzen und sich um den Fachkräftemangel kümmern. Stattdessen wettere der Freie-Wähler-Chef nur gegen Gendersprache oder vegetarische Ernährung. Im Wahlkampf besuche er viele Unternehmen, erzählte Hagen, und frage dabei immer, wo der Schuh drücke. "Noch nie lautete die Antwort Gendersprache oder Fleischkonsum."
Außerdem liege der Freie-Wähler-Chef energiepolitisch seit langem "komplett daneben" und dürfe nicht noch mal fünf Jahre Verantwortung haben: Aiwanger habe Demonstrationen gegen sogenannte Monstertrassen, also Stromleitungen von Norddeutschland nach Bayern, angeführt, klagt Hagen. Dabei seien diese Trassen "Lebensadern, die unsere Industrie bräuchte".
"Weiter-so-Parteien" und "Untergangspropheten"
Botschaft drei: "Servus Zukunft". So lautet der Wahlkampf-Slogan der FDP. Und das ist auch die Formel, mit der man sich von den anderen Parteien abgrenzen will. CSU und Freie Wähler nannte Hagen auf dem Würzburger Marktplatz "Weiter-so-Parteien", die glaubten, man könne einfach weitermachen wie bisher, "weil ja alles super ist".
Die Grünen zählte er zu den "Untergangspropheten", die die Zukunft düster sehen, wenn sich nicht alle ihrem Weltbild anschließen. Die FDP sei dagegen die Partei der Optimisten, die positiv in die Zukunft blicken - wenn nur die richtigen politischen Entscheidungen getroffen würden.
Unterfränkischer FDP-Chef Karsten Klein: "Kein erfüllenderes Gefühl, als FDP zu wählen"
Ob die FDP noch eine Zukunft im Landtag hat, ist indes fraglich. Und auch die Stimmung auf dem Würzburger Marktplatz war am Dienstag nicht gerade euphorisch - wenngleich Hagen einen kämpferisch-engagierten Lindner-Ersatz gab.

"Es wird ein Kampf um jede Stimme", erklärte der Spitzenkandidaten am Rande der Veranstaltung und zog aus einer Zahl Optimismus: "43 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen." Denen empfahl der unterfränkische FDP-Chef Karsten Klein: "Es gibt kein erfüllenderes Gefühl, als alle Stimmen der FDP zu geben." Das könne man ihm glauben, er habe das "schon ein paar Mal gemacht".