Der Landkreis Würzburg verhandelt mit dem Käufer des früheren Amtsgerichts über die Unterbringung seiner Außenstelle im ehemaligen Gerichtsgebäude. Zugleich hat der Investor sein Interesse am Archivgebäude der Stadt Ochsenfurt bekundet. Und auch das Palatium selbst, in dem die Außenstelle des Landratsamts heute untergebracht ist, würde er dem Freistaat gerne abkaufen.
Landrat Eberhard Nuß informierte den Kreisausschuss über den Stand der Gespräche. Dort herrscht grundsätzlich Einvernehmen mit dem Vorschlag. Allerdings stehen noch viele Fragen offen.
Ein Dorn im Auge ist dem Landkreis das alte Dienstgebäude in Ochsenfurt schon lange. Geheizt wird dort immer noch mit Nachtspeicheröfen. Ein Großteil der Wärme, die die Energiefresser erzeugen, entweicht durch die alten Fenster und die unisolierte Fassade. Der Brandschutz ist mangelhaft. Davon zeugt ein Baugerüst am Südgiebel, das als Rettungsweg dienen soll.
Kein Zustand, sagt Landrat Nuß – zumal für eine Behörde, zu deren Aufgaben es gehört, privaten Bauherrn Vorschriften zu machen. Mit der Generalsanierung des Landratsamt in Würzburg war deshalb sogar diskutiert worden, die Außenstelle in der ehemaligen Kreisstadt Ochsenfurt ganz dicht zu machen.
Für ihn komme das nicht in Frage, sagt Landrat Nuß. Gleichwohl hatte die Kreisverwaltung in der Vergangenheit vor allem Dienststellen in die Außenstelle ausgelagert, deren Bedeutung für die Bürger eher gering ist – das Rechnungsprüfungsamt etwa oder den Umweltbereich.
Andererseits hatte das Palatium bislang einen entscheidenden Vorteil. Landkreis musste keine Miete zahlen. Nach einer Vereinbarung mit dem Freistaat – dem Eigentümer – darf der Landkreis das Baudenkmal bis zum Sanktnimmerleinstag mietfrei als Landratsamt nutzen.
Ganz ohne Haken ist dieses Entgegenkommen allerdings nicht. Der Freistaat ist nämlich nicht bereit, Geld in den alten Bau zu investieren, ohne dass sich der Landkreis beteiligt. Und der Kreistag schreckt davor zurück, in fremdes Eigentum zu investieren. Auf mindestens drei bis vier Millionen Euro werden die Kosten einer Ertüchtigung veranschlagt.
Gespräche, die Landrat Nuß im Frühjahr gemeinsam mit den Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib und Manfred Ländner in München führte, brachten nicht das erhoffte Ergebnis. Wenn der Freistaat investiert, will er sein Geld über zehn Jahre hinweg wieder als „Tilgungsmiete“ vom Landkreis zurück. Am Ende fiele die Katze also wieder auf die alten Füße.
Die entscheidende Wende in die Diskussion könnte nun der Investor im ehemaligen Amtsgericht bringen. Als Käufer des ehemaligen Gesundheitsamts und der alten Landesbank hat er sich in jüngster Zeit in der Verwertung ehemaliger Behördengebäude einen Namen gemacht. In Ochsenfurt sei er mit einem verlockenden Angebot an den Landkreis herangetreten.
Die öffentlichkeitswirksamen Dienststellen wie Zulassungs- und Führerscheinstelle, könnten im ehemaligen Gericht unterkommen, habe er vorgeschlagen, sagt Landrat Eberhard Nuß. Mehr noch: Auch am Palatium und am Torbau des herrschaftlichen Komplexes habe der Investor Interesse bekundet.
Der Torbau gehört der Stadt. Heute ist das Stadtarchiv dort untergebracht, das ebenfalls eine Sanierung nötig hätte. Genügend Geld dafür wird die Stadt in absehbarer Zeit nicht. Im Amtsgericht hingegen wäre auch für die städtischen Archivalien noch Platz.
Bürgermeister Rainer Friedrich bestätigte entsprechende Gespräche mit dem neuen Eigentümer. Im Rückteil des Gerichtsgebäudes sollen Wohngruppen für Menschen mit Behinderung eingerichtet werden. Träger sei die Lebenshilfe, so Friedrich im Kreisausschuss, die bereits im Bärental ein Wohnheim gebaut hat.
Alles in allem wäre das eine Gesamtlösung, die auch unter den Fraktionen des Kreistags auf Zustimmung stößt. „Die Kellerereistraße ist eine gute Adresse“, meint etwa Christoph Trautner (Grüne). Und auch der Ochsenfurter SPD-Fraktionschef Volkmar Halbleib ist dem Vorschlag zugetan und sieht darin eine Stärkung für das gesamte Altstadtquartier, das in den letzten Jahren zunehmend unter Leerstand leidet.
Zusätzlichen Charme hat das Projekt für den Investor durch die Fördersituation. Weil die Kellereistraße zum Sanierungsgebiet der Altstadt gehört, kann er nämlich einen Großteil der Investitionen steuerlich geltend machen. so der Ochsenfurter Bürgermeister. Der Landkreis hätte für eine Sanierung des Palatiums keine Zuschüsse erwarten können.
Trotzdem bleiben viele offene Fragen. Kernproblem ist die fehlende Zahl von Parkplätzen für Mitarbeiter und Publikumsverkehr. Außerdem strebe der Landkreis eine Gesamtlösung an, in die auch die heutige Zulassungsstelle mit einbezogen werden müsse, so Landrat Nuß. Das Gebäude neben dem Stadtarchiv gehört dem Landkreis und atmet noch heute den Geist der 60-er Jahre. Ein Umzug ins Amtsgericht komme nur in Frage, wenn der Landkreis das ebenfalls stark sanierungsbedürfte Haus verkaufen kann.
Auch die Preisfrage ist noch nicht geklärt, sagt Stefan Dürr von der Liegenschaftsverwaltung des Landkreis. Weil die Rahmenbedingungen noch zu unklar sein, habe der Eigentümer bisher keinen Mietpreis kalkulieren können.
Trotzdem drück Landrat Nuß aufs Tempo. Die Verhandlungen müssten zügig weitergeführt werden. Für den Fall, dass das Angebot zu hoch ausfällt, will sich der Landkreis nämlich eine weitere Option offenhalten: die Verlegung aller Landkreis-Stellen in das Gebäude der Zulassungsstelle. Das müsste zuvor allerdings ebenfalls gründlich saniert werden.
Palatium und Stadtarchiv
Das Palatium wurde in der Zeit um 1295 erbaut und diente dem Würzburger Domkapitel als Herrschaftssitz. Ind Zeit bis 1390 wurde es mit einer Befestigungsanlage versehen. aus dieser Zeit stammt auf der Bergfried, der heutige Nikolausturm. Im 15. Jahrhundert erfolgte eine Erneuerung des gesamten Baus. Treppenerker, Treppengiebel und die Gewölbehalle im Erdgeschoss werden dem Baumeister Hans Baur zugeschrien. Dabei wurde auch der Weinkeller um ein Stockwerk erweitert.
Im Bauernkrieg 1525 wurde das Palatium Ziel plündernder Bauern, die nach der Überlieferung aus dem Fruchtspeicher 400 Fuder Wein entwendeten. Nach heutigen Maßstäben entspricht das ungefähr 3000 Hektolitern. Der Ziehbrunnen im Hof wurde im Jahr 1549 angelegt. Während des Siebenjährigen Kriegs geriet das Palatium 1758 unter Beschuss. Am Nikolausturm und dem benachbarten Dicken Turm sind noch heute die Spuren der Einschläge zu erkennen.
Der Torbau entstand im 16. Jahrhundert über einem älteren Kern als Wohnhaus des Stadtschultheißen. Im 19. Jahrhundert das Gebäude als Landgericht und später als Dienststelle der Landpolizei. Heute ist dort neben einer Hausmeisterwohnung das Stadtarchiv untergebracht, das unter anderem die Ganzhornsche Bibliothek mit zahlreichen mittelalterlichen Handschriften beherbergt.