Ernstes, Heiteres, Besinnliches, Informatives, Bewegendes und Mut machendes gab es beim diesjährigen Landfrauentag. Über 500 Frauen, ein paar wenige Männer, zahlreiche Kommunalpolitiker und Vertreter von Behörden und Verbänden waren in die Weiße Mühle nach Estenfeld gekommen.
"Wir haben den Landfrauentag nicht abgesagt wegen des Coronavirus, denn wir wollen keine Panik machen", sagte Kreisbäuerin Martina Wild. Stattdessen waren auf den Tischen Desinfektionsmittel aufgestellt. Traditionell eröffnete der Landfrauenchor den Tag und ebenso traditionell war der ökumenische Gottesdienst zu Beginn, den erstmals die katholische Pastoralreferentin Gabriele Michelfeit von der Pfarreiengemeinschaft Pleichach und Main und Pfarrer Ivar Brückner von der evangelischen Kirchengemeinde Obereisenheim gestalteten.
"Mit Mut die Region gestalten" war das Motto des Tages und Thema des Gottesdienstes. "Wir brauchen Menschen die Mut haben und anderen Menschen Mut machen", sagte Michelfeit. Aber was heißt denn, mutig sein in der Landwirtschaft? "Schnelle Rezepte und Mutzauber helfen da nicht", meinte Pfarrer Brückner. Dennoch brauche man den Mut dringender denn je, weil alles im Umbruch sei.
Die Zeichen stehen auf Wandel, das meinte auch Martina Wild. Seit Jahren stelle man fest, dass die Bevölkerung sich immer mehr von der Landwirtschaft entferne, das führe zu Konflikten. Aber auch der Dialog zwischen Politik und Landwirtschaft müsse gestärkt werden. Deshalb ihre Bitte an die Politiker: "Bleiben Sie mit uns im Gespräch und suchen wir gemeinsam nach Lösungen für die heimische Landwirtschaft."
Landfrauen als Garant für Heimat
Ortsbäuerin Ulrike Roth, ihrer Stellvertreterin Brigitte Wolz und deren gesamten Team dankte Wild für das Schmücken der Halle und die ehrenamtliche Bewirtung der Gäste. Auch Bürgermeisterin Rosi Schraud lobte das Team um Ulrike Roth. Der Landfrauentag sei ein besonderes Highlight im Kalenderjahr, sagte Schraud. Es gebe wohl wenig Veranstaltungen mit so vielen Frauen auf einem Fleck. "Sie als Landfrauen sind und werden auch zukünftig der Garant für Heimat sein", so die Bürgermeisterin.
Mut haben und Mut machen, das ist Anne Körkels täglich Brot. Die studierte Landwirtin, Unternehmerin, Mutbotschafterin und zweifache Mutter aus Kehl bei Offenburg riss in ihrem kurzweiligen Vortrag die Zuhörer förmlich mit. 2017 wurde sie zur Unternehmerin des Jahres gewählt und erhielt den CeresAward.
Schnelle Rezepte oder Lösungen für alle Betriebe habe sie nicht, aber sie wolle Mut und Lust machen auf Landwirtschaft. Das könne sie gut. So gut, dass sie daraus ihr eigenes Unternehmen gründete: eine Hähnchenmast mit Direktvermarktung. Doch wie kann das funktionieren? "Durch Mut und Öffentlichkeitsarbeit", sagte sie. Und: "Mein größtes Alleinstellungsmerkmal bin ich, ich gebe jedes Hähnchen persönlich raus, jeder kriegt mich zu Gesicht, die Leute kaufen ein Stück von mir."
Allerdings habe die Branche die Verbraucher verloren, deshalb brauchen Landwirte wieder mehr Mut, meinte sie. Dafür hatte sie eine Schaufel mitgebracht, um Angst und Zweifel weg zu schaufeln und nach dem eigenen Mut zu graben. Das sollte jeder für sich selbst tun. Und dann einfach mal Ideen rauslassen und machen.
Kalbfleisch essen, ohne Kälbchen zu schlachten
Anschließend diskutierten Landrat Eberhard Nuß, Kreisbäuerin Martina Wild, BBV-Kreisobmann Michael Stolzenberger, die stellvertretende Bezirksbäuerin Anette vom Berg Erbar und BBV-Bezirksverbands-Geschäftsführer Eugen Köhler unter anderem über das Thema: Wie weit ist Landwirtschaft von der Gesellschaft entfernt? "Sehr weit", meinte Wild und nannte dafür ein Beispiel: Eine mittelalte Dame habe sie in einem Supermarkt auf dem Land gefragt, ob sie ein Kalbfleisch empfehlen könne, für das kein Kälbchen sterben musste. Das habe sie sehr erschüttert.
Mit mehr Sachargumenten der Bevölkerung begegnen und authentisch sein, dazu forderte vom Berg Erbar auf. Alle Bauern, nicht nur die Verantwortlichen im Bauernverband, sollten Botschafter für die Landwirtschaft sein. Und auch Landrat Nuß machte den Landfrauen Mut: "Gestaltet Eure Heimat und die Kommunalpolitik selbst mit, im Gemeinderat oder im Kreistag. Ihr könnt das."
Der Nachmittag stand für Heiteres und Ernstes. Zunächst unterhielt Sebastian Reich mit seiner Amande das Publikum, bevor dann "Rollywood", der Verein für kreative Inklusion, seine Aktivitäten vorstellte und einen Pflegnotstands-Rap auf der Bühne zeigte.