„Irgendetwas stimmt da nicht“, kommentiert Kunsthistorikerin Eva-Suzanne Beyer die Bilder der Südkoreanerin Gisoo Kim, die aktuell auf der Arte Noah im Alten Hafen ausstellt. Wie Oberflächen fremder Planeten, Unterwasser-Landschaften oder verlassene Industriehalden muten ihre mit Nadel und Faden vernähten Fotocollagen an. „Beim Nähertreten steigert sich das Befremden,“ findet Beyer – aber auch die Faszination.
Durch die angewandte Collagetechnik lässt die 1971 in Seoul geborene Künstlerin reale Orte zu Nicht-Orten werden, zu surrealen, zusammen gestutzen oder ins Unendliche gedehnten Räumen im Nirgendwo. Die wahre Herkunft der mit einer Analog-Kamera selbst geschossenen Fotos – Portugal zum Beispiel oder Südkorea – ist nicht zu erkennen. Ausschnitte spezifischer Plätze treffen aufeinander, um zu „vernähten Orten“ zu verschmelzen, die sich – identitätslos – in einem Vakuum jenseits von Raum und Zeit befinden.
Trotz des steifen, sperrigen Fotopapiers arbeitet Kim immer mit normalen Fäden und Nadeln – und niemals ohne Fingerhut. Manchmal tauchen vor meeresähnlichen, oft gänzlich undefinierbaren Horizonten auch Menschen auf, überzogen von einem dichten, teils farbigen Fadennetz aus Schraffuren und Rastern. Trockenes Geäst verbirgt sich ebenfalls hinter einem Dickicht aus neongrünem Nähgarn. Ein Rudel hübsch gerahmter Miniatur-Bilder bietet auf der Basis unauffälliger Stadt-, Strand- und Naturaufnahmen Szenen wie aus einem bizarren Reisetagebuch: Ein roter Fadenball vor romantisch verfallenem Gemäuer, dynamisch umnähte Bergkuppen oder überstickte Gebäudeteile. Was in den Fotohimmeln zunächst nach Ameisen oder Schneeflocken aussieht, entpuppt sich beim Herantreten als hauchzarte Lochmusterung, die mit winzigen Fadenstichen durchsetzt ist.
Gisoo Kim kommt ursprünglich nicht aus dem Handarbeitsgewerbe, sondern hat sich in Seoul zur Bildhauerin ausbilden lassen und anschließend – ermöglicht durch ein Reisestipendium – Kunst in Hamburg und Düsseldorf studiert. Und so ist ihre Ausstellung auch zweigeteilt: Vorne hängen ihre verwunschenen Schwarzweiß-Collagen, im Bug des Schiffes eine Vielzahl aus Fotopapier vernähter Objekte. Die runden, trichterförmigen Gebilde erinnern an Halskrausen oder chinesische Hüte, an papierene Keramik, Lampions und Blütenkelche. Manche tummeln sich in Gruppen, manche wirken als Solitäre. Dazwischen finden sich große „Kieselsteine“ aus Fotopapier, die entweder artgerecht auf dem Schiffsboden liegen oder aber – eher irritierend – an der Wand kleben. Durch ihre Dreidimensionalität sind die Objekte auch von hinten zu sehen, mitsamt den interessanten Netzstrukturen, die der Faden auf ihrer Rückseite bildet. Während Kims Fotocollagen allesamt schwarzweiß sind, ist das Ausgangsmaterial hier meist farbig – oft himmel- oder wasserblau, was wunderbar zur Fluss- und Naturnähe des Kunstschiffes passt.
Parallel zu dieser Ausstellung des Kunstvereins Würzburg (bis 21. Juni) im Kunstschiff Arte Noah in Würzburg stellt Gisoo Kim in Koblenz auch Fotokleider und -taschen aus.