Im vergangenen November ließ ein riesiger Würfel auf dem Kiliansplatz hinter dem Dom Passanten innehalten. Ein Metallrahmen umspannte Fotoporträts von afghanischen Jugendlichen, die eindringlich auf ihre Betrachter zurückblickten. Auffällig, dass die beidseitig belichteten Folien kunstvoll aufgeschlitzt waren, durchaus mit ornamentaler Wirkung. Wenn ein kräftiger Herbstwind in das Werk hineinflatterte, ergriff "Dreams in Germany" (so der Titel) auch manchen überraschten Vorübereilenden.
Für diese Arbeit bekam die Künstlerin Saskia Reis im Museum am Dom den ersten Kunstkubus-Preis. Eine Jury, unter anderem besetzt mit den Museumsleuten Marlene Lauter und Jürgen Emmert, wählte die "Dreams" aus 24 Kunstwerken, die im Jahr 2023 in dem wandelnden Würzburger Aktionswürfel zu erleben waren. Den hatten vier Würzburger Künstlerinnen kurz vor dem ersten Coronajahr gebaut, um darin auf die gesellschaftliche Relevanz von Kunst im öffentlichen Raum hinzuweisen.
Gute Kontakte geknüpft
Durch Tourneen mit diesem augenfälligen Requisit nach Berlin und Mailand knüpften sie so gute Kontakte, sodass inzwischen auch überregionale und internationale Kolleginnen und Kollegen zu den Aktionen namens "Achtung! Kunstleerer Raum" beitragen. Der vergangene Jahrgang war hochkarätig besetzt und hatte mit dem hinteren Domplatz zudem eine ziemlich ruhige Stelle gefunden, an der trotzdem genügend Publikumsverkehr herrscht.
Bei der Preisverleihung stellte Georgia Templiner vom Kubus-Quartett die Kriterien der Jury vor. Punkte gab es, wenn ein Werk direkt auf den Präsentationswürfel zugeschnitten war. Relevant, aktuell und innovativ sollte es sein, und sinnvoll war es zudem, wenn die Künstler im oder am Kubus mit dem Publikum in Dialog traten. Mitinitiatorin Mechthild Hart stellte die sechs Finalisten vor, die teils wie Saskia Reis das Thema Migration behandelt hatten, Frauenrollen hinterfragten, dazu anregten, über Wachstum nachzudenken. Kurz: Kubus-Kunst war 2023 wieder alles andere als gefällig oder dekorativ.
Dritte im Team des kunstleeren Raums ist Gabriele Kunkel (neben, viertens, Evelin Neukirchen). Sie griff in ihrer Laudatio auf langjährige Erfahrungen mit der gebürtigen Aschaffenburgerin Saskia Reis zurück. Schon vor 18 Jahren hatte sie ein Gutachten geschrieben, das die angehende Künstlerin zur Bewerbung auf ein Master-Studium in London brauchte. Einige Jahre später sah Kunkel ihr früheres positives Urteil bestätigt: Als Professorin in Hannover traf sie die Journalismus-Studentin Saskia Reis wieder als eine "außergewöhnliche Begabung mit dem Biss, ein angestrebtes Ziel auch zu erreichen. Sie gibt sich nicht mit der Oberfläche zufrieden. Erst wenn sie den Kern gefunden hat, beginnt sie mit der Arbeit."
Eine Arbeit für Würzburg
"Dreams of Germany", die Arbeit für Würzburg, ist für Gabriele Kunkel nicht nur inhaltlich und konzeptionell hervorragend, sondern auch handwerklich. Wobei zur Herangehensweise gehörte, dass die Künstler-Journalistin Reis die jungen Migranten in einer Spandauer Gemeinschaftsunterkunft lange und ausgiebig interviewt hatte. Das Geschwisterpaar Bahara und Bilal Mohsini reistenreisten denn auch mit zur Preisverleihung an den Main.
Die heuer erstmal vergebene Kunstkubus-Auszeichnung ist mit 500 Euro dotiert. Weitere Finalisten waren Frank Dimitri Etienne, Wicky Reindl, das Performerinnen-Paar Eva Warmuth und Annette Roggatz, Pablo Mesa Capella und Oktavio Floreal.