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Würzburg/Schweinfurt
Kunstherz-OP: Warum die Einstellung die halbe Miete ist
Dem Schweinfurter Günther Müller hat ein Kunstherz das Leben gerettet. Professor Ivo Aleksic über die Technik , die seelische Komponente – und eine überraschende Heilung.
Ein Kunstherz am Herz-Modell.
Foto: Susanne Wiedemann | Ein Kunstherz am Herz-Modell.
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 15.05.2019 02:11 Uhr

Vor zwei Jahren erhielt Günther Müller schwer erkrankt eine neue Herzklappe - und zur Unterstützung ein Kunstherz. Heute ist alles so gut verheilt und das Herz so erholt, dass der Schweinfurter kein Spenderorgan mehr braucht - und sogar das Kunstherz nicht mehr. Herzchirurg Professor Ivo Aleksic von der Uniklinik Würzburg über eine überraschende Genesung.  

Frage: Können Sie ganz einfach erklären, wie ein so genanntes Kunstherz funktioniert?

Prof. Dr. Ivo Aleksic: Im Prinzip gibt es einen Nahtring, der auf die Herzspitze links aufgenäht wird. Wenn er aufgenäht ist, wird ein Loch ins Herz gemacht, so dass man in die Kammer schauen kann. 

Sieht für den Laien nach reinem Handwerk aus.

Aleksic: Genau. Das ist Mechanik.

2008 wurde an der Uniklinik in Würzburg der erste Eingriff dieser Art gemacht. Wie viele sind es heute durchschnittlich im Jahr?

Aleksic: Zehn.

Der Antrieb der Pumpe erfolgt dann über einen Schlauch, der am Bauch austritt.  Kann das zu Problemen führen?

Aleksic: Das was aus dem Patienten rausgeht, ist die Antriebslinie. Meist kommt sie aus der Bauchdecke. Dieses Kabel führt zum Steuergerät, dem Controller, der auf eine durchgehende Stromversorgung über Netz, Akku oder Zigarettenanzünder im Auto angewiesen ist. Das Kabel kann eine Eintrittsstelle für Infektionen sein. Angst, dass der Strom ausfällt, brauchen Patienten nicht zu haben: Alles ist doppelt angelegt, das Kabel im Inneren, die Stromquellen außerhalb. Das Prinzip haben wir von der Luft-und Raumfahrt übernommen. Fällt eine Komponente aus, kann die zweite übernehmen.

Was bedeutet es für Patienten, so sichtbar auf eine Maschine angewiesen zu sein? Einen Fremdkörper im Herzen zu tragen? Für Außenstehende kann das bedrohlich wirken. Auf welche Belastung muss man sich  als Patient einstellen? Stärker vielleicht als auf ein Transplantat?

Aleksic: Ja, das hat auch eine seelische Komponente. Man kann das gesamte System den Betroffenen vorher nur in begrenztem Umfang erklären. Deswegen bringen wir die Patienten mit Leuten zusammen, die bereits so ein Gerät tragen und eventuell eine Transplantation bekommen haben, damit sie eine realistische Vorstellung bekommen. Dennoch ist es sicher nicht einfach, wenn der Patient nach der OP aufwacht und das alles sieht: Akkus, Geräte, den Schlauch am Bauch. Das kann natürlich Angst machen.

Bestimmt haben Patienten auch Angst, dass die Pumpe ausfällt …

Aleksic: Die häufigste Frage ist: Was passiert, wenn die Pumpe ausfällt? Da die Patienten ja noch immer eine eigene Herzleistung haben, wäre dann immer noch genug Zeit, etwas unternehmen, sollte die Pumpe zum Beispiel wegen einer Blut-Verklumpung ausfallen.

Prof. Dr. Ivo Aleksic mit einem Kunstherz-Modell.
Foto: Susanne Wiedemann | Prof. Dr. Ivo Aleksic mit einem Kunstherz-Modell.

Reagieren Ältere anders als junge Patienten, wenn die Sprache auf ein Kunstherz kommt?

Aleksic: Bei jüngeren Patienten wird das Kunstherz meist eingesetzt, um die Zeit bis zu einer Transplantation zu überbücken. Das ist die Mehrheit unserer Patienten. Oder es wird eingesetzt, um dem Herz nach einer Entzündung die Möglichkeit geben, sich zu erholen. Für ältere Menschen ist das oft die "Destination Therapy", also die abschließende Behandlung einer Herzschwäche. Danach kommt nichts mehr. Das ist auch etwas, mit dem man als Patient umgehen muss. Aber auch als Partner und Angehöriger und im Umfeld. Bei älteren Menschen ist das oft schwieriger. 

Die Idee der Kunstherzen ist auch, Menschen, die für eine Herztransplantation nicht mehr in Frage kommen, mehr Lebensqualität zu geben. Allerdings gibt es auch hier Grenzen. Die Therapie ist nicht für jeden geeignet. Einfach gesagt: Man sollte nicht noch andere Krankheiten haben. Und mit dem Alter kommen eben oft noch Begleiterkrankungen dazu. Wir sind hier an der Universitätsklinik deshalb eher zurückhaltend, was die Kunstherz-Therapie bei Hochbetagten angeht.

Günther Müller ist Ihr "Vorzeigepatient", auf diese Bemerkung von Ihnen ist er sehr stolz. Er hätte nach ein paar Jahren Wartezeit wohl ein Spenderherz bekommen, wäre alles so gelaufen, wie geplant?

Aleksic: Er stand auf der Eurotransplant-Liste. Wir hätten nie erwartet, dass er sich so gut erholt, dass wir die Pumpe nach gut zwei Jahren schrittweise abstellen können. Wir dachten, nach zwei, drei Jahren Wartezeit, würde er wahrscheinlich sein Spenderorgan bekommen.

Wie sieht eigentlich der Alltag nach der OP aus?

Aleksic: Man kann sich bewegen, leichte Sportarten machen, Walking, Radfahren, zum Beispiel. Bewegung ist sehr wichtig. Patienten können arbeiten, reisen, sich im Alltag normal bewegen. Sie können das Gerät in ihrem Auto an den Zigarettenanzünder anschließen und so die Akkus schonen. Sie können duschen, aber ins Schwimmbad gehen oder im Meer schwimmen geht nicht. Da ist die Infektionsgefahr zu groß, für das Antriebskabel wäre das auch schwierig.

Günther Müller erzählt, er habe damals, als es ihm so schlecht ging, nur eines im Sinn: Schnell wieder aufs Rad, wieder arbeiten. Diese Einstellung ist wichtig, wenn man sich einem Eingriff unterzieht, oder?

Aleksic: Ja, unbedingt. Das ist aus meiner Sicht die halbe Miete. Er hat eine so positive Einstellung, hat Vertrauen in sich und seinen Körper, das hat er immer ausgebaut. Nach dem Motto: Wenn ich einen Kilometer Fahrrad fahren kann, kann ich auch bald zwei fahren …

Jetzt macht er so knapp 20 Kilometer am Tag.

Aleksic: Das ist sehr, sehr respektabel.

Prof. Dr. Ivo Aleksic ist geschäftsführender Oberarzt der Herz-Thorax-Chirurgie am Universitätsklinikum Würzburg, Lehrbeauftragter und Leiter des VAD-und Transplantationsprogramms. VAD steht für ventricular assist device, der englische Begriff für kreislaufunterstützende Kunstherzen. Die Spezialgebiete des Herzchirurgen sind Herztransplantation und Herz-Unterstützungssysteme.

 
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