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Würzburg
Kunstbäume säubern Hubland-Luft
Vier City-Trees aus Berlin sorgen seit Freitag für bessere Luft auf der Landesgartenschau. Hinter den Moosflächen steckt viel Technik.
Clevere Erfindung für saubere Luft: Auf dem Gelände der Landesgartenschau am Hubland in Würzburg werden dem Gründerlabor am Hublandplatz vier Module des „CityTree“ vorgestellt. Die mit Moos bepflanzte Wand filtert Schadstoffe, wie Feinstaub und Stickoxide, aus der Luft. Laut Unternehmensangaben schluckt eine grüne Wand so viel Schadstoff  wie 275 Bäume.
Foto: Patty Varasano | Clevere Erfindung für saubere Luft: Auf dem Gelände der Landesgartenschau am Hubland in Würzburg werden dem Gründerlabor am Hublandplatz vier Module des „CityTree“ vorgestellt.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:31 Uhr

Die Landesgartenschau bekam Zuwachs: Vier künstliche Bäume stehen seit vergangener Woche vor dem grauen Würfelhaus am Hublandplatz. Sie sollen das Klima verbessern: Feinstaub abbauen, Kohlen- und Stickstoffoxyd in Sauerstoff umwandeln und die Luft befeuchten. Statt einer Krone ragt bei ihnen ein gutes Dutzend Quadratmeter Moosfläche in die Höhe. Hinter der Pflanzenschicht arbeitet so viel Mess-, Steuerungs- und Klimatechnik, dass der Preis für einen "City-Tree" zwischen dem für einen Klein- und einen Mittelklassewagen liegt, sagt ihr Konstrukteur Peter Sänger von der Berliner Firma Green City Solutions. Sein 20-köpfiges Unternehmen habe, schätzt er, bisher rund 50 solcher Aggregate aus Moos und High-Tech installiert - in Paris, Brüssel, Amsterdam, Tübingen.

Nach Würzburg kamen die Kunstbäume, weil ihr Promoter Martin Thies auf der Landesgartenschau bei einer Veranstaltung über Innenbegrünung die LGS-Geschäftsführerin Claudia Knoll kennen lernte. Die fragte, ob man noch City-Trees auf dem Hubland aufstellen könne. Man konnte. Deswegen grünten die Moose noch nicht gleich bei der Eröffnung im April, sondern stellten sich erst als Nachzügler ein. Übrigens kannte die Landesgärtnerin Knoll Kunstbäume aus Moos: "Die Idee ist schon älter, diese Ausführung ist aber neu."

Moose ernähren sich von Feinstaub

Wie viele künstliche Bäume nun einen oder mehrere natürliche ersetzen, mag Peter Sänger nicht beziffern. Da seien zu viele Variablen im Spiel. Im Wasserumtausch seien die meisten Baumarten den Moosen überlegen, "im Schattenwerfen sowieso". Aber: Im City-Tree arbeite man mit Moosen, die sich besonders von Feinstäuben ernährten. Zwischen den grünen senkrechten Pflanzenflächen stecke deswegen "viel Technik, um den Stoffwechsel der Moose zu intensivieren und die Wasserverdunstung je nach Sonneneinstrahlung zu steuern". Der Energieverbrauch dieser Freiluft-Klimaanlage entspreche dem einer Mikrowelle. Green City Solutions arbeite daran, zehn Jahre Forschung zu kommerzialisieren.

Bei der Präsentation am Freitagabend waren sich Konstrukteure, Messtechniker und Händler einig: City-Trees sollen natürliche Bäume nicht ersetzen, können aber an vielen Stellen aufgestellt werden, an die kein Baum Wurzeln oder Kronen treiben kann. Ganz zu schweigen von Moosplatten als Fassadenverkleidung.

Kunstbäume bleiben nach der LGS in Würzburg 

Interessierte LGS-Besucher hegten bei dem Treffen Skepsis, ob künstliche Bäume mit ihrem komplizierten Wasserverdunstungssystem denn winterfest sind. Sie werden, machte Peter Sänger verblüffend einfach klar, bei Temperaturen unter vier Grad schlicht abgeschaltet. Und Moose haben im Permafrostboden ja auch schon einige zehntausend Jahre überlebt.

20 Liter Wasser verbraucht jeder Quadratmeter Moos am Tag im Schnitt. Das Modell, das in Würzburg aufgestellt wurde, benötigt jeden dritten Tag eine neue Tankfüllung. Zufluss aus der Leitung lässt sich bedarfsgerecht regeln. Viele Sensoren in einem City-Tree ermittelt als zentralen Wert die Schadstoffkonzentration in der Umluft. Je nach Ergebnis wird die Arbeit des Kunstbaums permanent optimal geregelt.

Die vier LGS-Exemplare sollen nach Ende der Schau in Würzburg bleiben. Wo sie aufgestellt werden, darüber ist derzeit noch nicht entschieden. Und auch nicht darüber, ob die Stadt weitere Bäume aus Aluminium, Moos und Elektronik kauft.

 
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  • E. V.
    Ist nicht gerade im Winter die Feinstaubbelastung hoch? Da macht es wenig Sinn, wenn die Dinger unter 4 Grad nicht arbeiten können. Wird ( hoffentlich) ein Nischenprodukt bleiben, echte Bäume sind mir lieber.
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  • N. R.
    Interessante Sache, guter Artikel!
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  • S. B.
    Klasse Projekt!

    Bitte zwei in die grombühlstraße, einen in die textorstraße und einen in die Koellikerstraße direkt ans Juliusspital/parkhauseinfahrt.
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  • A. P.
    Es ist ziemlich spooky , solche Monster statt echte Bäume aufzustellen. Und zudem extrem teuer. Den Nutzen dieser Aktion habe ich noch nicht verstanden. Soll das ökologisch sein?
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Es geht nicht darum vorhandene Bäume zu fällen um diese Kunstbäume aufstellen zu können.
    Der Nutzen liegt in der Reduktion von Feinstaub. Genau hier liegt der Vorteil von Moos ggü. Bäumen. Und darin, dass man diese Moos-Bäume an Orte aufstellen kann die für richtige Bäume nicht geeignet sind.

    Das stand übrigens auch alles im Artikel.
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  • M. E.
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  • S. H.
    Einfach nur pervers!
    Wenn es einen Ort gibt, der nicht für Bäume geeignet ist, läuft grundsätzlich schon mal was falsch!!
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  • S. B.
    Zum einen hat das Moos andere Effekte als Bäume und macht demnach durchaus Sinn.

    Und wenn kein Platz für Bäume da ist, dann könnte das daran liegen, dass Flächen versiegelt sind, damit Leute ihr SUV mitten in der Stadt abstellen können, lieber Herr „Tiguanfahrer“.
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