So kennt man ihn in Kirchheim: Die Brille tief auf der Nase sitzend, wandert sein Blick gerne darüber hinweg, um dem Gegenüber ein interessiertes Lächeln zuzuwerfen. Rudolf Studtrucker ist als Grafiker und Maler darauf angewiesen, genau hinzuschauen, sein Blick gilt dennoch stets dem Wesentlichen. Seine humorvolle, dem Leben zugewandte Art verblüfft. Erlebnisse des Kriegs und eine mehrjährige Kriegsgefangenschaft im sowjetischen Gulag prägen die frühen Jahre seiner Biografie. Vor kurzem hat der Kirchheimer seinen 95. Geburtstag gefeiert. Doch noch immer ist er unermüdlich aktiv: "Er sprüht vor Kreativität und fertigt in kürzester Zeit Plakatentwürfe, Schaukastenbilder oder Vitrinengestaltungen an", bestätigt Edgar Berthold vom Historischen Verein seiner Heimatgemeinde, dem der Jubilar tief verbunden ist.
Handwerklich gekonnt angefertigt widmen sich die künstlerischen Arbeiten des 1927 im Würzburger Stadtteil Grombühl Geborenen heimischen Motive, stets nahe am Menschen. In ihrer am Gegenstand orientierten, oft humorvollen Art wirken sie aus der Zeit gefallen, so als ob da einer eine Zeit festhalten wollte, die spätestens mit dem Krieg und den folgenden Zerstörungen unwiederbringlich verloren war. Große Ausstellungen gab es nicht. Dennoch gehört er zu den Künstlern, die die Vorstellung vieler Menschen von Kunst und der Region geprägt haben.
Plakate, Festschriften oder Urkunden gestaltet
Kaum ein Verein in seiner Heimatgemeinde Kirchheim, der nicht mit von ihm gestalteten Plakaten für eine Veranstaltung oder ein Jubiläum geworben hat. Außerdem zahlreiche Festschriften, Vereinsbroschüren, Ehrenurkunden, Faschingsorden, Medaillen, das Goldene Buch und auch das Gemeindewappen von Kirchheim, fränkische Ortsansichten oder – wohl am bekanntesten - die Pastorius-Ehrenplakette der Gemeinde Sommerhausen. Auch die Außenwände des Pfarrheims und der Feuerwehr verdanken ihm ihre Gestaltung.
Grundlage bilden eine solide handwerkliche Ausbildung als Klischeeätzer im Würzburger Stürtz-Verlag. Der heute ausgestorbene Beruf widmet sich einer grafischen Vorstufe für den Buchdruck. Nach der Rückkehr 1949 aus der Kriegsgefangenschaft erlernt er einen weiteren Beruf an der Würzburger Kunst- und Handwerkerschule als Grafiker und Schüler des Künstlers Willi Greiner.
Sein Berufsleben verbrachte er als Mitarbeiter der Fränkischen Gesellschaftsdruckerei, wo unter anderem das "Volksblatt" und Bücher des Echter-Verlags gedruckt wurden. In dieser Zeit entstehen mehrere hochwertig gestaltete Bücher, für die er die Titelbilder anfertigt oder die er mit Illustrationen versieht. Mit Vorliebe widmet er sich Legenden und Sagen, Anekdoten und Erinnertem und versieht sie mit seiner charakteristischen Zeichnungen. Mit dem früheren Landtagsabgeordneten Christian Will entstehen das Buch "Erzähltes und Erlauschtes", mit Helmut Försch und Heinrich Weppert von der Würzburger Geschichtswerkstatt die "Würzburger Lausbubengeschichten" und – auch dies gemeinsam mit Christian Will – der Band "Herzliche Grüße aus den Gemeinden rund um Würzburg".
Jahrelang in sowjetischer Gefangenschaft
In der Ausstellung im historischen Heblingshof zum 90. Geburtstag waren erstmals Lebenszeugnisse zu sehen. Dabei wurde deutlich, dass seine dem Leben zugewandte Kunst einen ernsten Hintergrund hat. Mit nur 17 Jahren zum Wehrdienst eingezogen, kam er mehrere Monate an der Ostfront zum Einsatz. Es folgen Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Schon damals zeichnete und malte er rege.
Es überrascht, wie der junge Mann die Eindrücke der Kapitulation vor den Sowjets oder in den sowjetischen Kriegsgefangenschaft bei Moskau, Nowosibirsk und im sowjetischen Gulag-Lager Nummer 7503-11 tief in Sibirien festhält. Damals entstehen auch zwei Porträts für das Lagertor, die Stalin und Lenin zeigen. Seine ausführlichen, schriftlichen Erinnerungen an diese Jahre hat er seiner Familie gewidmet und dem Gemeindearchiv übergeben. Die zahlreichen Illustrationen scheinen beweisen zu wollen: Die Kunst ist stärker als das Leid.