Herbert F. (58) hatte bis vor zwei Jahren einen mittelständischen Betrieb mit acht Mitarbeitern. Weil zu viele Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlten, rutschte er in die Insolvenz. Sein Betrieb war weg, sein Einfamilienhaus musste er verkaufen, um Schulden zu bezahlen. Herbert F. war plötzlich ohne Dach über dem Kopf, sein soziales Umfeld wandte sich von ihm ab und die von ihm früher so geliebten Besuche in Theatern oder Museen konnte er sich nicht mehr leisten.
Das Beispiel Herbert F. ist zwar frei erfunden, aber in der Realität kein Einzelfall. Glücklicherweise gibt es die Kulturtafel, die Menschen wie ihm hilft und ihnen den Zugang zu Kulturveranstaltungen möglich macht. Gegründet hat sie sich im Mai und wenn jetzt in den Theatern und bei Sportvereinen die neuen Spielzeiten beginnen, „dann ist niemand mehr vor uns sicher“, sagt Hildegard Prein, die zweite Vorsitzende des Kulturtafel e.V. und Gründerin der Theatertafel, über die Menschen mit geringem Einkommen der Besuch von Vorstellungen im Mainfranken Theater ermöglicht wurde.
Jetzt will die Kulturtafel für ihre „Kulturgäste“ ein deutlich breiteres Angebot zur Verfügung stellen und klopft bei allen Kulturveranstaltern an. Denn was eigentlich in der Verantwortung der Politik läge, die vielleicht in ein paar Jahren Lösungen hat, hilft den Menschen von heute gar nichts, sagt Kulturtafel-Vorsitzende Regine Räder. Deshalb redet man bei der Kulturtafel nicht lange, sondern handelt – jetzt. Lob gibt es indessen für die Stadt Würzburg. Denn die hat dem Verein, so Schatzmeister Stefan Kern „ein großzügiges Startkapital“ zur Verfügung gestellt.
Viele Kulturpartner, die ein gewisses Kontingent an kostenlosen Eintrittskarten zur Verfügung stellen, konnten schon gewonnen werden: Neben dem Mainfranken Theater sind das aktuell im Kulturbereich viele Privattheater, der Kulturspeicher, das Bockshorn und viele mehr. In den Museen gehört zum Besuch auch meist eine Führung mit dazu.
Aber auch die Würzburger Kickers, die s.Oliver Baskets und die Rimparer Wölfe werden künftig Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen den Besuch ihrer Spiele über die Kulturtafel ermöglichen. Und auch Frank-Markus Barwasser hat der Kulturtafel für sein nächstes Würzburg-Gastspiel im Januar 2015 schon zehn Karten zur Verfügung gestellt. Geplant ist auch, das Mozartfest und das Africa Festival einzubeziehen.
Das will natürlich alles organisiert sein. Die Kulturpartner müssen gefunden und überzeugt werden, die Kartenvergabe muss geregelt sein, die Berechtigung der Bewerber geprüft werden. Das geht nicht nebenbei. Deshalb hat die Kulturtafel inzwischen am Friedrich-Ebert-Ring 27 d ein eigenes Büro, das ihr von der evangelisch-lutherischen Diakonie kostenlos zur Verfügung gestellt. Von hier aus wird alles gesteuert.
„Kulturgäste“ müssen sich zunächst einmal über ein Formular aus einem Informationsblatt anmelden und ihre Berechtigung nachweisen. Diesen Flyer gibt es bei den Sozialpartnern, die die Gäste vermitteln (siehe Infobox). Die Daten werden dann an die Tafel weitergegeben und dort registriert. Über 100 Personen sind inzwischen schon erfasst. Auf dem Infoblatt werden auch die Interessensschwerpunkte angegeben, so dass dann gezielt Besucher für bestimmte Veranstaltungen ausgewählt werden können. Sie werden telefonisch verständigt und die Karten auf ihren Namen bestellt und zurückgelegt. Der Veranstalter erhält eine Mail mit den Namen der Gäste, die dann wie jeder andere Besucher die Tickets an der Abendkasse abholen können, ohne einen Ausweis oder eine Berechtigung vorzeigen zu müssen.
Wer einmal dran war, muss sich dann wieder hinten anstellen und warten bis er erneut ausgewählt wird. Und wer seine reservierten Karten unentschuldigt nicht abholt, wird, wenn dies dreimal vorgekommen ist, vorübergehend gesperrt. Doch das ist die absolute Ausnahme, denn „wer einmal dabei war, fragt sofort, wann es die nächsten Karten gibt“, berichtet Regine Räder.
Um seine Tätigkeit zu finanzieren, ist der bisher zwölf Mitglieder zählende Verein auf Spenden und Sponsoren angewiesen. Wer Mitglied werden möchte, muss einen Mindestbeitrag von 24 Euro pro Jahr entrichten. Nach oben gibt es keine Grenze.
Unter dem Motto „Wir feiern Kultur für alle!“ stellt sich die Kulturtafel am Mittwoch, 8. Oktober, ab 19 Uhr im Theater am Neunerplatz vor. Mit dabei sind unter anderem das Mainfranken Theater, Heike Mix, die Gruppe Red Pack und das Improtheater Tisch 46.
Kulturtafel
Die Kulturpartner: Mainfranken Theater, Theaterwerkstatt, Theater Ensemble, Rudolf-Alexander-Schröder-Haus, Theater am Neunerplatz, Bockshorn, Omnibus, Museum im Kulturspeicher, Mainfränkisches Museum, Vocalensemble Würzburg, s.Oliver Baskets, FC Würzburger Kickers, DJK Rimpar Wölfe.
Die Sozialpartner: Caritas-Verband Würzburg, Christophorus-Gesellschaft, Zentrale Stelle für Wohnungslose, Bahnhofsmission, Johann-Weber-Haus, Schuldnerberatung, ARGE/Jobcenter Würzburg, Diakonisches Werk.
Kontakt: Friedrich-Ebert-Ring 27c, 97080 Würzburg, Tel. 32 09 96 67, Fax (0931) 32 09 96 68, E-Mail: info@kulturtafel-wuerzburg.de Web: www.kulturtafel-wuerzburg.de
Spendenkonto: IBAN: DE30 7905 0000 0047 6350 40, BIC: BYLADEM1SWU