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WÜRZBURG
Kulturpreis der Stadt: Ehrung ist Männersache
50 Jahre Kulturpreis: Die Auszeichnung für herausragende Kulturschaffende vergibt die Stadt Würzburg seit fünf Jahrzehnten. Nur vier Mal aber ging sie an Künstlerinnen.
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:57 Uhr

Die Verleihung des diesjährigen Kulturpreises der Stadt Würzburg an den Geisteswissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht war gleichzeitig auch ein Jubiläum. Seit nunmehr 50 Jahren vergibt die Stadt diese Auszeichnung für Künstlerinnen und Künstler. Sie müssen laut Satzung „durch Geburt, Leben oder Werk“ mit Würzburg verbunden sein und „durch ihr künstlerisches Schaffen herausragend gewirkt oder sich in besonderer Weise um das kulturelle Leben der Stadt verdient gemacht haben“. Auf wen dies zutrifft, darüber entscheidet eine vom Kulturreferat eingesetzte Experten-Jury.

Als die Stadt Würzburg 1965 beschloss, einen Kulturpreis zu stiften, begründete dies der damalige Oberbürgermeister Helmuth Zimmerer damit, dass der Rang einer Stadt wie Würzburg weitgehend von ihren kulturellen Einrichtungen und dem Maß der in der Stadt geübten Kulturpflege abhinge. 20 Jahre nach der Zerstörung der Stadt am 16. März 1945 sei „Würzburg neu erstanden, neu geworden“, so Zimmerer. „Wenn in den letzten Jahren das Fundament gelegt wurde, so geht es jetzt um den weiteren Ausbau. Dazu gehört vor allem auch der Ausbau der kulturellen Einrichtungen“, zitiert die Zeitschrift „Frankenland“ Zimmerer. Die Stiftung eines Kulturpreises sei eine Station auf diesem Weg.

Erster Würzburger Kulturpreisträger war im Jahr 1965 der Schriftsteller Friedrich Schnack (1888 bis 1977). Er war in Rieneck geboren, machte in Würzburg sein Abitur und studierte hier sowie in Breslau Botanik, Entomologie, Geologie und Kunstgeschichte. Als freier Schriftsteller veröffentlichte er über hundert Werke, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Bei der Preisverleihung würdigte der damalige OB Zimmerer die Qualität von Schnacks Werk, die „ganz in seinem Frankentum wurzelt“, nachzulesen ist dies in der Zeitschrift „Frankenland“.

Was Zimmerer nicht erwähnte (und was aus heutiger Sicht auch nicht sehr verwundert), ist, dass Schnack zu jenen 88 Künstlern gehörte, die im Oktober 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler unterzeichnet hatten.

Eine echte Würzburgerin war die 1890 geborene Bildhauerin und Grafikerin Emy Roeder, die 1966 als erste Künstlerin mit dem zweiten Kulturpreis ihrer Heimatstadt ausgezeichnet wurde. Zeichnen und die Grundlagen der Steinbearbeitung lernte sie in Würzburg, ehe sie in München studierte und dann bis 1933 in Berlin arbeitete. Während des Naziregimes durfte sie in Deutschland nicht ausstellen, ihre Plastik „Die Schwangere“ wurde in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt. 2010 wurde in Berlin bei Bauarbeiten ein Terrakotta-Fragment der Schwangeren entdeckt. In der Würdigung für den Kulturpreis hieß es 1966: „Mit diesem Preis wird ein umfassendes künstlerisches Lebenswerk ausgezeichnet, das weltweite Anerkennung gefunden hat, aber dennoch in der Würzburger Tradition wurzelt.“

In den folgenden Jahren ging der Kulturpreis an Künstler aus den unterschiedlichsten Sparten und Genres. Aber es sollte bis 1987 dauern, ehe wieder eine Frau ausgezeichnet wurde. Die 1956 in Würzburg geborene Mezzosopranistin Waltraud Meier begann 1976 ihre künstlerische Laufbahn am Würzburger Stadttheater. Schnell folgten Engagements auf großen deutschen Bühnen und 1980 gab sie ihr internationales Debüt als Wagner-Interpretin in Buenos Aires.

1983 stand sie erstmals auf der Bühne bei den Bayreuther Festspielen und starte eine Weltkarriere als Wagner-Sängerin. Vier Jahre später konnte sie den Kulturpreis ihrer Heimatstadt in Empfang nehmen. 2016 wird sie anlässlich ihres 40-jährigen Bühnenjubiläums beim Mozartfest wieder auf der Bühne des Mainfranken Theaters stehen, auf der einst alles begann.

Nur noch zweimal sollte der Würzburger Kulturpreis, der (aus welchen Gründen auch immer) eindeutig eine Männerdomäne ist (insgesamt wurden 35 Männer ausgezeichnet), danach an eine Frau vergeben werden. 2010 erhielt ihn die Sopranistin Diana Damrau, die an der Würzburger Musikhochschule Gesang studierte und 1995 am Mainfranken Theater debütierte. Heute ist sie eine weltweit gefragte Künstlerin.

2014 ging der Kulturpreis an die Bildhauerin Angelika Summa. Angelika Summa lebt seit 1973 in Würzburg, wo sie seit 1986 als freischaffende Künstlerin tätig ist. Bekannt geworden ist sie durch filigrane Draht- und großformatige Metallskulpturen, die auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt wurden. Für die Preisverleihung hatte sich Angelika Summa den Kunstprofessor Eberhard Fiebig als Laudator ausgesucht.

Der las den Würzburger Kulturverantwortlichen gehörig die Leviten, weil sie einen seit 2007 undotierten Kulturpreis vergeben. Den könnten sie auch ganz streichen, forderte der Laudator. Wer Fiebigs Ansprache erlebte, dem klingelt sie heute noch in den Ohren.

Immerhin hat sie etwas bewirkt. Im Stadtrat ist man sich inzwischen weitestgehend einig, dass der von 1965 bis 2007 dotierte Kulturpreis wieder mit einem Geldbetrag gekoppelt werden soll. Unklar ist noch die Höhe. Es geht um einen Betrag zwischen 5000 und 10 000 Euro.

In den 1970er Jahren durften neben anderen der Maler Josef Versl, der Gründer des Sommerhäuser Torturmtheaters Luigi Malipiero, der heute ob seiner Verstrickungen im Dritten Reich umstrittene Grafiker Richard Rother oder der Kunstmaler Wolfgang Lenz, der später den Ratssaal mit einem riesigen Wandgemälde zur Würzburger Geschichte gestaltete, die Auszeichnung entgegennehmen.

Die 1980er-Jahre sahen als ersten Kulturpreisträger den aus Würzburg stammenden jüdischen Dichter Yehuda Amichai. Im Jahr 1981 war solch eine Auszeichnung für einen jüdischen Künstler – jedenfalls in Würzburg – noch etwas nicht Alltägliches. 1924 als Ludwig Pfeuffer in Würzburg geboren, emigrierte er 1935 nach Palästina. In seiner neuen Heimat entwickelte er sich zum wohl bedeutendsten Dichter hebräischer Sprache, wie ihn sein Kulturpreis-Nachfolger des Jahres 2015, der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht, kürzlich bezeichnete.

Mit Siegfried Fink (geboren 1928) wurde 1985 ein Perkussionist und Komponist der zeitgenössischen Musik geehrt, der an der Musikhochschule lehrte. Ein Werk des Bildhauers Reinhard Dachlauer (Kulturpreis 1989) ist bis heute fast täglich im Fernsehen zu sehen. Von ihm stammen „Bulle und Bär“ vor der Frankfurter Börse.

1991 ehrte die Stadt Würzburg mit Curd Lessig (Jahrgang 1924) einen Maler, der vor allem zahlreiche Gebäude in Würzburg mit seinen Kunstwerken veredelte. Es war ein Jahrzehnt der bildenden Kunst beim Kulturpreis. Denn mit Bildhauer Lothar C. Forster (1990), Maler Dieter Stein (1992) und Bildhauer Joachim Koch (1996) gehörten weitere Preisträger dieser Sparte an.

In den 90er Jahren änderte sich die Vergabepraxis. Von 1994 bis 2005 wurden abwechselnd der Kulturpreis und im Jahr danach jeweils zwei Förderpreise vergeben.

2000 erhielt der in Würzburg geborene Komponist Norbert Glanzberg den Kulturpreis der Stadt. Glanzberg war damals 90 Jahre alt, kam aber zur Verleihung in seine ehemalige Heimatstadt. Glanzberg verbrachte seine frühe Jugend in Würzburg, studierte hier Musik und debütierte am Stadttheater. 1934 musste er vor den Nazis fliehen, ging nach Paris und komponierte später Welthits für Edith Piaf In Würzburg vergaß man ihn, ehe ihn die Journalistin Astrid Freyeisen in den 90er Jahren in Frankreich ausfindig machte. Die Sparte Kabarett kam bis 2002 beim Kulturpreis nicht vor. Doch an Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig kam die Jury dann doch nicht vorbei.

Aktueller Kulturpreisträger des Jahres 2015 ist der aus Würzburg stammende, weltweit tätige Geisteswissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht. Der Literaturwissenschaftler, der in vielen anderen geisteswissenschaftlichen Feldern zu Hause ist, lehrt und arbeitet an der amerikanischen Spitzenuniversität Stanford.

Ab 2008 änderte sich dann der Verleihungsturnus des Kulturpreises abermals. In diesem Jahr wurde erstmals der Peter C. Ruppert-Preis für Konkrete Kunst vergeben, der seither alle drei Jahre verliehen wird. In diesen Jahren wird dann kein Kulturpreis vergeben.

Die Kulturpreisträger

1965: Friedrich Schnack (Schriftsteller)

1966: Emy Roeder (Bildhauerin und Malerin)

1967: Eugen Jochum (Dirigent)

1968: Fritz König (Bildhauer)

1970: Günter Jena (Organist und Musiker)

1971: Josef Versl (Maler)

1972: Hans Schädel (Architekt/Dombaumeister)

1973: Luigi Malipiero (Schauspieler und Maler)

1974: Otto Sonnleitner (Bildhauer)

1975:Richard Rother (Grafiker und Bildhauer)

1976: Heinrich Pleticha (Autor)

1977: Wolfgang Lenz (Maler)

1978: Rudolf Köckert (Musiker)

1979: Max H. von Freeden (Museumsdirektor)

1980: Werner Dettelbacher (Autor)

1981: Yehuda Amichai (Dichter)

1984: Willi Greiner (Maler und Grafiker)

1985: Siegfried Fink (Percussionist)

1986: Siegfried Koesler (Domkapellmeister)

1987: Waltraud Meier (Sängerin)

1988: Bertold Hummel (Komponist)

1989: Reinhard Dachlauer (Bildhauer

1990: Lothar C. Forster (Bildhauer)

1991: Curd Lessig (Maler)

1992: Dieter Stein (Maler) 1994: Klaus Hinrich Stahmer (Komponist)

1996: Joachim Koch (Bildhauer)

1998: Hans-Georg Noack (Autor)

2000: Norbert Glanzberg (Komponist)

2002: Frank Markus Barwasser (Kabarettist)

2004: Christian Kabitz (Kirchenmusikdirektor)

2006: Bernd Glemser (Pianist)

2007: Herbert Mehler (Bildhauer)

2009: Jürgen Lenssen (Kunstreferent der Diözese)

2010: Diana Damrau (Sängerin) 2012: Mathias Repiscus (Regisseur/Theaterleiter)

2014: Angelika Summa (Bildhauerin)

2015: Hans Ulrich Gumbrecht (Literatur- und Geisteswissenschaftler)

In den Jahren 1969, 1983 und 1993 wurden keine Kulturpreise vergeben.

Waltraud MeierN. BAUMGARTL
Foto: Foto: | Waltraud MeierN. BAUMGARTL
Diana Damrau
Foto: T. OBERMEIER | Diana Damrau
Verleihung des Kulturpreises 2014       -  Angelika SummaD. PETER
Foto: Foto: | Angelika SummaD. PETER
Premiere: 1965 ernannte die Stadt Würzburg zum ersten Mal einen Kulturschaffenden mit dem Kulturpreis. Im Mainfränkischen Museum zeichnete Oberbürgermeister Helmuth Zimmerer den Schriftsteller Friedrich Schnack mit dem neuen Preis aus.
Foto: MAIN-POST-ARCHIV | Premiere: 1965 ernannte die Stadt Würzburg zum ersten Mal einen Kulturschaffenden mit dem Kulturpreis. Im Mainfränkischen Museum zeichnete Oberbürgermeister Helmuth Zimmerer den Schriftsteller Friedrich Schnack mit ...
 
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