Behaglich ist die Situation für Toni Gernert, Matthias Olbrich und Sebastian Metzger nicht: Als Bewohner des Stadtteils Bärental/Lindhard sehen sie das geplante Wohnhaus für anerkannte Asylbewerber und sozial Schwache auf dem städtischen Grundstück am Eingang zum Bärental kritisch. Damit setzen sie sich dem Vorwurf aus, solche Mitbürger aus ihrem Stadtteil fernhalten zu wollen. Die Gründe für ihre Haltung aber sind deutlich vielschichtiger. Die drei Männer erläutern sie im Gespräch mit der Redaktion.
„Wir sind für sozialen Wohnungsbau“, stellt Toni Gernert klar. Gemeinsam mit Matthias Olbrich und Sebastian Metzger engagiert sich Gernert im Arbeitskreis Stadtentwicklung Bärental/Lindhard für das Gemeindeentwicklungskonzept (GEK), in dem Ideen zur Weiterentwicklung der Ochsenfurter Stadtteile erarbeitet werden. Begleitet vom Amt für ländliche Entwicklung und mit staatlicher Förderung, funktioniert das GEK ähnlich wie das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept ISEK oder die integrierte ländliche Entwicklung ILE. Auch beim GEK stehen die Ideen der Bürger im Vordergrund.
Über Alternativen wurde nicht gesprochen
Da das GEK für das Bärental eigentlich auch das in Frage stehende städtische Grundstück einbeziehen sollte, fühlen sich die drei durch die Pläne der Verwaltung überfahren. Sie haben den Eindruck, dass den Bewohnern des Stadtteils das Wohnhaus vor die Nase gesetzt werden soll, ohne dass zuvor mit den Bürgern oder mit Städteplanern über die möglichen Auswirkungen und Alternativen gesprochen worden wäre. Erst vor wenigen Tagen seien die Pläne dem Arbeitskreis im Rathaus erläutert worden, sagt Toni Gernert.
Geplant ist ein Wohngebäude für anerkannte Asylbewerber, das der Freistaat Bayern auf eigene Kosten auf dem städtischen Grundstück errichten möchte. Für 30 Prozent der Plätze hätte die Stadt ein Belegungsrecht, könnte also auch sozial schwache Bürger dort unterbringen, die keine anerkannten Asylbewerber sind. Bereits im März hatte der Stadtrat beschlossen, das Grundstück mit der Flurnummer 1638 für den Wohnungspakt Bayern zur Verfügung zu stellen. In der Sitzung am Donnerstag, 27. Juli, werden die Pläne öffentlich vorgestellt.
Räumliche Enge sorgt für Spannungen
Für den Geschmack von Matthias Olbrich geht das zu schnell. Das Projekt, sagt er, müsse im Kontext zur bestehenden Situation im unteren Bärental betrachtet werden. Ideal sei die schon seit Jahren nicht. Der Wohnraum dort sei sehr verdichtet, die über lange Zeit gewachsenen, gut gemischten Strukturen im Bärental hätten sich aufgelöst.
Mittlerweile herrschten in den vorhandenen Sozialwohnungen Ein- oder Zwei-Personenhaushalte vor, was zu ständiger Parkplatznot führe. Außerdem haben Olbrich und seine Mitstreiter den Eindruck, dass manchen Bürgern nicht viel am Erscheinungsbild ihres Stadtteils liege.
Dass manche Bürger Gelbe Säcke zu jeder Zeit am Straßenrand ablegen, ist für Matthias Olbrich Ausdruck einer gewissen Gleichgültigkeit. Die Bewohner allein möchte er dafür aber gar nicht verantwortlich machen. Es seien vielmehr systemimmanente Probleme, die sich auf diese Weise zeigten. Die räumliche Enge und die Tatsache, dass niemand in den Wohnanlagen für die Menschen als Ansprechpartner zur Verfügung stehe, sei mit ursächlich für solches Verhalten. Durch den geplanten Neubau werde sich die Situation noch verschärfen, befürchtet er – sofern die Menschen allein gelassen werden.
Bei der Integration droht Überforderung
Das Haus wird gebaut, die Leute ziehen ein – und dann ist niemand mehr zuständig. So werde das laufen, glaubt Olbrich. Und das könne nicht sein. Für die Menschen müsse es vor Ort eine Anlaufstelle für alle Fragen des Zusammenlebens geben. „Das Bärental hat bei der Integration viel geleistet“, sagt Toni Gernert mit Blick auf den sehr rührigen Asyl-Helferkreis im Stadtteil. Mit dem neuen Wohngebäude aber drohe die Überforderung, befürchtet Sebastian Metzger.
Für ihn ist der Standort am Eingang zum Bärental auch aus anderen Gründen nicht ideal. Der Lärm von der Bahn und der Südtangente spreche nämlich nicht für ein Wohnhaus an dieser Stelle.
Toni Gernert sieht durch die Bebauung außerdem eine der letzten Grünflächen im Stadtteil verschwinden. Noch mehr Menschen und noch weniger Freiflächen und Orte der Begegnung: Hier hätte das GEK sicher eine bessere Lösung gefunden als ein großes Wohnhaus, meinen die drei.
Also warum diese Ideen nicht erst einmal sammeln, fragt sich Matthias Olbrich. Er möchte neben Bürgern auch Experten, also Städteplaner, in den Prozess einbinden.
Ideenwettbewerb mit Spezialisten
Dass weiterer sozialer Wohnraum in Ochsenfurt geschaffen werden muss, darüber sind sich Olbrich, Gernert und Metzger einig. Aber wo er entstehen soll und wie aus dem Wohnraum Heimat werden kann, soll in einem Ideenwettbewerb ermittelt werden, verlangt Olbrich. Der Prozess müsse offen sein auch für völlig andere Ergebnisse. So solle zum Beispiel hinterfragt werden, ob wirklich nur ein Gebäude auf einem städtischen Grundstück in Frage komme.
Wäre nicht auch eine Aktivierung von Leerständen möglich, fragt Olbrich. Oder eine Verteilung der Menschen auf verschiedene kleinere Objekte.
Toni Gernert hat das Gefühl, dass solche Vorschläge mit dem Totschlag-Argument „Die wollen die bloß nicht vor der eigenen Haustür“ abgebügelt werden. „Das hat mit dauerhafter Integration zu tun“, sagt Gernert. Die aber sei durch die bloße Ansiedelung von Menschen noch lange nicht gewährleistet.
Matthias Olbrich, Toni Gernert und Sebastian Metzger hoffen, dass ihr Ruf nach einer offenen Diskussion über die Frage der Unterbringung von Asylbewerbern und sozial Schwachen noch gehört wird, bevor eine endgültige Entscheidung gefällt wird.
Bei einem Ortsrundgang im Rahmen des Gemeindeentwicklungskonzepts wird das Thema sicher ebenfalls angesprochen werden.
Der Ortsrundgang findet statt am Mittwoch, 26. Juli. Treffpunkt ist um 19 Uhr an St. Thekla.