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HÖCHBERG
Kraft und praktische Tipps für Angehörige
Erstes deutschlandweites Treffen in Höchberg: Betroffene von Tay-Sachs und Sandhoff und ihre Familien trafen sich zum Erfahrungsaustausch.
Aus ganz Deutschland und der Schweiz kamen neun Familien nach Höchberg zum ersten Treffen der Selbsthilfegruppe „Hand in Hand gegen Tay-Sachs und Sandhoff“
Foto: Andreas Kemper | Aus ganz Deutschland und der Schweiz kamen neun Familien nach Höchberg zum ersten Treffen der Selbsthilfegruppe „Hand in Hand gegen Tay-Sachs und Sandhoff“
Matthias Ernst
 |  aktualisiert: 29.10.2016 03:40 Uhr

Vor dreieinhalb Jahren bekamen Folker Quack und Birgit Hardt aus Höchberg die Diagnose Morbus Sandhoff für ihren heute siebenjährigen Sohn Dario. Eine sehr seltene angeborene Stoffwechselstörung, die den Kindern nach und nach alle ihre Fähigkeiten raubt und die bislang nicht heilbar ist. Nach dem ersten Schock fühlten sie sich mit dieser Diagnose vor allem allein gelassen.

Nach dem Vorbild anderer europäischer Länder gründeten sie eine Selbsthilfegruppe. Bei internationalen Familientreffen hatten sie gelernt, wie wichtig der Austausch mit anderen Betroffenen ist, wie viel Kraft er geben kann. Aber sie wollten nicht die einzigen deutschen Teilnehmer bei diesen Treffen bleiben.

Immer mehr Familien

„Als wir 2015 mit dem Verein anfingen, kannten wir noch keine weiteren Betroffenen in Deutschland. Jetzt wächst der Verein immer weiter, immer neue Familien melden sich und wollen mitarbeiten,“ berichtet Birgit Hardt. Darum hätten eine deutschlandweite Öffentlichkeitsarbeit und Besuche von Ärztekongressen als erstes auf dem Programm des jungen Vereins gestanden.

Am Wochenende trafen sich nun  fast alle Familien und Patienten, die seitdem dazu gekommen sind, zum ersten deutschsprachigen Treffen für Tay-Sachs und Sandhoff.

Ungewöhnlicher Verlauf

Mit dabei eine weitere Familie aus Unterfranken, die die Diagnose erst kürzlich bekam, und eine Familie aus der Schweiz, deren beide Töchter genau wie Dario an der extrem seltenen juvenilen Verlaufsform der Krankheit leiden.

„Teils war es ein freudiges Wiedersehen, weil einige Familien sich schon von internationalen Treffen her kannten. Für die meisten aber war es die erste Begegnung mit anderen Betroffenen. Es waren drei intensive und emotionale Tage. Es gab viel Verständnis und wertvolle Tipps für das Leben mit Tay-Sachs und Sandhoff“, fasst Vereinsvorsitzender Folker Quack die Tagung zusammen. „Und trotz allem haben wir auch gemeinsam lachen können.“

Insgesamt neun betroffene Familien mit zehn Patienten fanden den Weg nach Höchberg. Drei weitere Familien, die mit dem Verein in Kontakt stehen, waren verhindert.

Neben dem Erfahrungsaustausch gab es auch einen Vortrag von Dr. Laila Arash-Kaps von der Villa Metabolica aus Mainz: Hier hat man sich auf die seltenen Speicherkrankheiten spezialisiert und arbeitet an möglichen Therapien. Arash-Kaps berichtete von Forschungsergebnissen und möglichen Medikationen.

Dabei kam immer heraus, dass es vielversprechende Ansätze gibt, die aber meistens dann doch für andere, ähnliche Erkrankungen weiter entwickelt werden, weil Tay-Sachs und Sandhoff nun einmal sehr selten sind und das Geld für Forschung und Entwicklung immer wieder ausgeht.

„Wir wollen unsere Kinder retten und die Krankheit besiegen.“
Folker Quack (Vater und Vorsitzender der Selbsthilfegruppe)
„Zum Glück ist die Krankheit so selten, aber das hindert natürlich auch die Pharmaindustrie und die Universitäten, nach Lösungen und Medikamenten zu forschen“, bedauerte Birgit Hardt, 2. Vorsitzende des Vereins. Doch die Arbeit des Vereins trage auch hier erste Früchte. Das Treffen in Höchberg wurde von der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) finanziell unterstützt.
 

Höchbergs Bürgermeister Peter Stichler lobte bei seinem Grußwort zur Tagung den starken Willen und die Offenheit, mit der die beiden und ihr Sohn Dario mit der Krankheit umgehen. „Viele Menschen hätten sich aus der Öffentlichkeit bei dieser Diagnose zurückgezogen, aber Sie gehen ganz offensiv damit um. Gemeinsam und als Familie, hierfür verdienen Sie Respekt“, sagte Stichler.

Auf der Tagung wurde auch eine neue 60-seitige Broschüre vorgestellt, die für Eltern von Patienten, aber auch für das therapeutische Umfeld gedacht ist. Sie informiert über die Krankheit, wie man sie diagnostiziert und welche Hilfen es gibt.

Diese Hilfen waren auch Thema beim ersten deutschlandweiten Treffen, denn der Erfahrungsaustausch hilft vielen Familien weiter. Ein Vater, der mit großer Skepsis nach Höchberg gekommen war, weil „ihr meinen Sohn ja auch nicht heilen könnt“, bedankte sich am Ende mit den Worten: „Ich habe keine Sekunde bereut, hier gewesen zu sein, diese Gemeinschaft hat mir Kraft und viele praktische Tipps gegeben“.

Aus eigener Erfahrung

Auch zwei Patienten, bei denen die Krankheit erst im Erwachsenenalter ausgebrochen ist, kamen zum Treffen. Eine große Bereicherung für alle, weil sie im Gegensatz zu den Kindern genau benennen können, wie sich die Krankheit in ihrem Verlauf anfühlt, was ihnen geholfen, was geschadet hat.

„Wir wollen unsere Kinder retten und die Krankheit besiegen“, so Folker Quack in seinem Schlusswort. Er hofft, dass sich die Forschung weiter und noch mehr engagiert. Der Verein stehe mittlerweile auch in engem Austausch mit Professor Konrad Sandhoff, der 1969 die nach ihm benannte Krankheit entdeckte, inzwischen aber in Ruhestand ist.

„Wir brauchen vor allem die gegenseitige Unterstützung, aber auch Öffentlichkeit und Geld, um unseren Kindern wirklich nachhaltig helfen zu können,“ sagte Quack. Es seien derzeit viele Wirkstoffe in der Pipeline der Pharma-Industrie, die helfen könnten.

Sie haben einen ersten Schritt getan, beglückwünschte Dr. Laila Arash-Kaps die Gruppe. Bislang hätten Tay-Sachs und Sandhoff in Deutschland keine Lobby gehabt. Dies sei nun anders und eine große Hilfe auch für die behandelnden Ärzte und Forscher.
 

 
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