Neue Wege geht die Forschergruppe Klostermedizin der Universität Würzburg. Sie eröffnete an diesem Montag in Sommerhausen eine Praxis- und Beratungsstelle für Heilpflanzen. Mit diesem Schritt will die Forschergruppe um den Medizinhistoriker Johannes Gottfried Mayer eine „Informationslücke“ schließen – weil häufig falsche Vorstellungen über Heilpflanzen in der Bevölkerung verbreitet würden, so die Forscher.
Die Kraft der Kräuter und Heilpflanzen: Wie kann man sie einfangen und für längere Zeit bewahren? Darüber gibt es im Internet viel zu lesen. Es gebe eine Vielzahl von Erkrankungen, bei denen es der Pharmaindustrie nicht möglich sei, synthetisch ein ähnlich wirkungsvolles Heilmittel herzustellen, wie es die Natur bereithalte, liest man da. Bei veränderter Darmflora, Knochenbruch, Bänderriss helfe Beinwelltee, empfiehlt der Anbieter und liefert das passende Rezept gleich dazu. Der Leiter der Klostermedizin-Forschungsgruppe ärgert sich über dererlei Ratschläge. „Das ist zum Teil schon gewissenlos, was im Internet verbreitet wird.“
Beinwell, so stimmt Johannes Gottfried Mayer zu, zeichne sich mit Wirkstoffen aus, die das Wachstum von Zellen positiv beeinflussten. Er werde bei Wunden oder auch zur Knochenstärkung eingesetzt. Die Pflanze habe aber auch einen giftigen Stoff – Pyrrolizidinalkaloide (PA) – in sehr unterschiedlichen Dosierungen. „Und wenn jemand hergeht und aus den Blättern oder Wurzeln einen Tee zubereitet, dann kann es sehr gefährlich werden.“
Laut Mayer gibt es eine Dokumentation darüber, dass es zu Todesfällen bei Föten während der Schwangerschaft durch Beinwelltee gekommen ist. Dokumentierte Todesfälle gebe es für Deutschland aus den Jahren 2002 und 2009. Diese Fälle betrafen allerdings keine Föten, sondern Neugeborene, die kurz nach der Geburt an Leberversagen starben – verursacht durch Lebervenenverschluss. Die Mütter hatten während der Schwangerschaft Beinwelltee getrunken. Nach Angaben der Forschergruppe wird für industrielle Arzneimittel mit Beinwell ein speziell gezüchteter Hybrid verwendet, dessen PA-Gehalt deutlich reduziert wurde.
Die Forschungsgruppe will hier Abhilfe schaffen: Mit der Praxis- und Beratungsstelle wolle man eine Alternative zu der verbreiteten Vorstellung von Arzneipflanzenheilkunde aufzeigen, so Mayer. „Seit zwei Jahren planen wir schon.“ Und was unterscheidet die geplante Praxis von anderen? Viele Praxen, auch von Heilpraktikern, arbeiten seiner Meinung nach wenig mit der Pflanzenheilkunde. „Sie arbeiten vorwiegend mit Homöopathie, was eigentlich eine andere Therapiemethode ist.“
Die Forschergruppe Klostermedizin hingegen befasse sich mit Phytotherapie, die „völlig kompatibel“ mit der Schulmedizin sei. Mit dieser Form der Therapie gebe es keine „fundamentalen Widersprüche“, dennoch werde sie „leider wenig akzeptiert, weil viele Ärzte wenig oder gar keine Ahnung von Heilpflanzen haben“. Die Forschergruppe sieht hier eine Vielzahl von Informationslücken in der Bevölkerung, die man schließen wolle. Häufig würden falsche Vorstellungen verbreitet. „Im Internet findet man zum Teil völlig übertriebene Heilerwartungen“ – und manchmal seien die Aussagen dort auch gefährlich.
Außer Workshops im Kloster Oberzell und im Kloster Bronnbach bietet die Forschergruppe in Zusammenarbeit mit der Naturheilkundeschule Rolf-Schneider-Akademie in Kitzingen einen Intensivkurs zur Klosterheilkunde und Phytotherapie an. Der Kurs wird mittlerweile von den Apothekerkammern anerkannt.
Praxisadresse: Praxis- und Beratungsstelle für Heilpflanzen, Gartenstraße 39, Sommerhausen.