
Ein bisschen gibt es schon zu denken, dass Wolfgang Bäumer, Pionier der digitalen Computergrafik und Design-Professor an der FH Würzburg, seine Kunst immer wieder mit Geschichten an den Mann bringen muss: „Viele haben keine eigenen Gedanken mehr.“ Zusammen mit dem Metallskulpteur Matthias Engert stellt der gebürtige Berliner in der Spitäle-Galerie des VKU aus.
Dabei sprechen seine Bildquadrate mit ihren geometrischen Mustern, Linien und Farbsignalen absolut für sich. „Bilder ohne Inhalt“ nennt er sie – bringt sie aber noch im selben Atemzug mit Atom-, Erd- und Handystrahlen in Verbindung, mit Hiroshima und zwischenmenschlichen Schwingungen. Diese Verbindung sei ihm bei Entstehung seiner Werke nicht immer bewusst, doch stets präsent gewesen.
Bäumer, der sich schon in den 1960er Jahren dem elektronischen Konstruktivismus zuwandte, skizziert jede Linienstruktur zunächst auf Papier, um sie dann im Rechner zu verwandeln. Schließlich realisiert er das Bild mit dem Plotter, einem Kurvenschreiber, auf Leinwand. Die oft kontrastreichen Farbflächen sind messerscharf voneinander abgegrenzt. Bäumers frühe Bilder sind eher flächig, die aktuellen dagegen neigen zur Räumlichkeit: käfigartige Gitter, Streifen, die sich wie in Webtechnik überlappen, Quadrate, die kaleidoskopartig um ein unsichtbares Zentrum rotieren.
Manche Bilder scheinen den Betrachter regelrecht einzusaugen. Bäumers Liebling ist ein Gespinst feiner weißer Linien auf schwarzem Grund, „wegen seiner Tiefenwirkung und gläsernen Transparenz.“ Für ein besonders buntes Linienbild auf dunkelblauem Grund bietet er konkrete Interpretationshilfe an. Doch am liebsten möchte man sich schütteln, um wieder unvoreingenommen vor diesen klaren, selbstbewussten Quadraten stehen zu können, die Geist und Seele so wunderbar zurechtrücken.
In der Apsis thront eine rostbraune Skulptur des Würzburger Metallkünstlers Matthias Engert. „mw 1“ heißt sie, was für „männlich weiblich 1“ steht. Eine schlanke und eine massive Zickzacksäule, beide zusammengesetzt aus verschiedenen Stahlquadraten (hier zeigt sich die Verwandtschaft mit Bäumer), greifen eng ineinander und gehen mit den geweißelten Spitäle-Bögen ein eindrucksvolles Wechselspiel ein. Die Figur ist aus Cortenstahl, das an der Oberfläche reizvolle Roststrukturen bildet, im Kern aber nicht zersetzt wird. Zwei andere Säulen sind von spitzen Minipyramiden in kryptischer Anordnung bevölkert. Blindenschrift? Morsezeichen?
Engert erklärt: „Ich entwickle Alphabete, die auf geometrischen Gesetzmäßigkeiten basieren: Die gleichseitige Pyramide steht für den Buchstaben ,A‘. Spitze oben links bedeutet ,E‘ und so weiter.“ Der Künstler hat sich hier von der arabischen Schrift beeinflussen lassen. Die linke Säule zeigt – in Engerts selbst entwickelter Schrift – ein Gedicht des Persers Hafis aus dem 14. Jahrhundert, die Partnersäule hingegen Auszüge aus Goethes „West-Östlichem Divan“ (einst von Hafis inspiriert). Auch Engerts kleinere Werke basieren auf den geometrischen Grundformen. Die Künstler haben eine sehenswerte Ausstellung kreiert – ideal, um zwischendurch den Kopf frei zu kriegen.
Die „konstruktiven Kompositionen“ von Wolfgang Bäumer und Matthias Engert sind bis zum 10. April in der Spitäle-Galerie des VKU ausgestellt.