
"Nein heißt Nein" hieß es früher. Heute schützt vor erzwungenem Sex schon der erkennbare entgegenstehende Wille, ohne dass ausdrücklich "Nein" gesagt werden muss. Doch ein Fall aus dem Landgericht Würzburg zeigt, wie schwer in der Praxis manchmal zu entscheiden ist: Was ist speziell für Jugendliche bei ersten sexuellen Erfahrungen noch freiwilliges gemeinsames Erleben, was ist ein bisschen widerwillige Zustimmung – und was strafbarer Zwang? Wann ist ein angedeutetes "Nein" doch ein zögerliches "Ja", wann liegt trotzt ausgesprochenem "Ja" ein entgegenstehender Wille vor – als dessen Konsequenz vielleicht eine Verurteilung wegen Vergewaltigung droht?
14-Jährige hatte widerstrebend mitgemacht
So beschäftigten die Erfahrungen zweier 14-Jähriger miteinander zwei Jahre lang die Würzburger Justiz. Der Fall: Der Jugendliche sah den Moment für "das erste Mal" gekommen. Doch seiner gleichaltrigen Freundin aus dem Landkreis Würzburg war das zu früh, sie weigerte sich zunächst. Nach seinem Verständnis gehörte Sex aber dazu, er drohte: "Dann beenden wir die Beziehung eben."
Das wollte das Mädchen allerdings nicht. Sie sagte "also, okay" und machte doch mit bei Intimitäten, bei denen sie laut Schilderungen von beiden anschließend dann auch den aktiven Part übernahm. Später vertraute sie einer Freundin die Geschichte an, die sie wiederum ihrer Mutter weitererzählte – schließlich erfuhr die Justiz davon.
Neues Gesetz: Kein ausdrückliches "Nein" nötig
Die sah sich in der Pflicht, zu prüfen, ob das Mädchen zum Sex gezwungen worden war. Denn ein 2017 erlassenes Gesetz sagt: Ein ausdrücklich ausgesprochenes "Nein" ist nicht mehr nötig. Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder von ihr vornehmen lässt, ist unter Umständen ein Vergewaltiger – es droht Haft. Hätte der unerfahrene 14-Jährige also erkennen müssen, dass seine ebenso unerfahrene Freundin beim Sex nicht mitmachen wollte?
Ja, befand das Amtsgericht und verurteilte den Jugendlichen vor zwei Jahren wegen Vergewaltigung: Er habe das Widerstreben seiner Freundin erkannt und sich darüber hinweggesetzt, so die Begründung. Der 14-Jährige ging mit seinem Anwalt Christian Mulzer in Berufung.
Grenzfall: Selbst ein "Ja" ist kein Freibrief
Der Fall sei "sehr grenzwertig", fand jetzt auch in zweiter Instanz das Landgericht, das erneut prüfen musste: Wie deutlich muss der freie Wille zum Mitmachen beim Sex auch ohne Worte erkennbar sein? Dass das Mädchen sich hatte umstimmen lassen und sich schließlich aktiv beteiligt hatte, spielte bei der Abwägung eine Rolle. Diesmal kamen die Richter zu einem anderen Schluss.
Zwar betonte das Gericht: Selbst ein ausgesprochenes "Ja" sei kein Freibrief, wenn durch das übrige Verhalten ein entgegenstehender Wille erkennbar sei. Doch aus Sicht des Landgerichts überwog nun das freiwillige Mitmachen des Mädchens nach anfänglichem Zögern. Das Strafverfahren wegen Vergewaltigung gegen den heute 16-Jährigen wurde deshalb mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Wie beeinflusst so ein Gesetz bzw. das erstinstanzliche Urteil das Verhalten der Kinder/Jugendlichen bei der ersten Liebe?
Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen die dass begleiten?
Ist das erste wie zweite Urteil ein Thema an den Schulen? Wie reagieren die Kinder und Jugendlichen darauf?
Um einer Gefängnisstrafe beim Sex zu vermeiden sollte man heute am besten erst ein Jura-Studium absolvieren, mit Strafgesetzbuch, einem guten Rechtskommentar und der Telefonnummer eines Fachanwaltes ins Bett gehen, den man ggf. bei Rückfragen anrufen kann.