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Würzburg
Kommentar: Gerade bei Corona – so können wir nicht miteinander reden!
Das Virus vergiftet auch unser gesellschaftliches Miteinander. Wir müssen dringend verbal abrüsten! Ein Plädoyer für eine gesittete und angstfreie Streitkultur.
Streiten und diskutieren, aber bitte respektvoll! Ein Mundschutz ist in Dresden über das Gesicht einer Nymphe aus Bronze gezogen (Symbolfoto).
Foto: Sebastian Kahnert ,dpa | Streiten und diskutieren, aber bitte respektvoll! Ein Mundschutz ist in Dresden über das Gesicht einer Nymphe aus Bronze gezogen (Symbolfoto).
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:28 Uhr

Das Coronavirus bedroht nicht nur Gesundheit und Existenzen der Menschen. Es vergiftet auch  unser gesellschaftliches Miteinander. Debatten über die Pandemie-Politik werden immer gereizter und unversöhnlicher. Wir befinden uns in einem Zustand der "kollektiven Dauererregung", wie der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen die "toxische Situation" treffend bezeichnet. Polarisieren und Eskalieren statt Argumentieren, Extreme statt Zwischentöne - müssen wir uns Gedanken um den Zustand unserer Gesellschaft machen? Ja, das müssen wir!

Nicht nur Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist besorgt über "eine zunehmende Aggressivität bei der gesellschaftlichen Diskussion über die Corona-Maßnahmen". Der Graben zwischen jenen, die bei dem Thema unterschiedlicher Meinung sind, wird immer breiter.  Besonders die zerstörerischen Auseinandersetzungen in den sozialen Netzwerken bedrohen die Demokratie. Wo Wut und Zorn dominieren, ist für den Verstand kein Platz. Dabei wünschten sich in einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom gerade 95 Prozent der Befragten einen "allgemein positiveren Umgangston im Internet". 

Wenn wir einander beim Streiten weiterhin schwere Verbalverletzungen zufügen, werden auch diese möglicherweise fatale Spätfolgen zeitigen.
Juli Zeh, Schriftstellerin

Leider verbreitet sich dieses unflätig Aufeinandereindreschen unterschiedlicher Lager in besorgniserregendem Tempo auch in der analogen Welt. Gebrüll und Niedertracht triumphieren oft über Anstand und Respekt. Die Schriftstellerin und brandenburgische Verfassungsrichterin Juli Zeh warnt zu Recht: "Niemand kann wissen, welche Strategie zur Bewältigung der Pandemie tatsächlich die beste ist. Eins bleibt bei aller Unsicherheit aber gewiss: Wenn wir einander beim Streiten weiterhin schwere Verbalverletzungen zufügen, werden auch diese möglicherweise fatale Spätfolgen zeitigen."

Was ist zu tun? Die Antwort auf diese Frage ist so banal wie herausfordernd: Wir müssen uns wieder  auf die  Debattenkultur jener Zeit besinnen, in der Twitter, Facebook und Co keine Rolle spielten. Weg von der erregten inhaltlichen Zuspitzung, hin zu einem von Argumenten und Wertschätzung geprägten Streit. Hart in der Sache, aber moderat im Ton. 

Wir müssen im Rahmen des demokratischen Spektrums den Raum für einen freien Dialog  schaffen und offenes Denken verstärkt  ermöglichen
Manifest für eine offene Gesellschaft

"Tauschen wir uns endlich ruhig und angstfrei aus", fordert eine Gruppe von Intellektuellen in ihrem am Donnerstag veröffentlichten "Manifest der offenen Gesellschaft". Die Unterzeichnenden kommen aus Wissenschaft, Kultur und Politik, darunter sind der Kabarettist Matthias Richling, die FDP-Politikerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger und die Regisseurin Caroline Link. Sie  appellieren an die Deutschen,  zu "einer von uns allen geteilten Diskussions- und Streitkultur" zurückzukehren. 

Einige Adressaten dieser Botschaft werden womöglich die Nase rümpfen und das Manifest als realitätsfernen Appell einer blauäugigen Gruppe von Intellektuellen abwerten. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Autoren mit ihren Forderungen richtigliegen. Es führt kein Weg daran vorbei,  die Diskussionen  zu versachlichen, "um im Rahmen des demokratischen Spektrums den Raum für einen freien Dialog zu schaffen und offenes Denken verstärkt zu ermöglichen". Andernfalls besteht die Gefahr, Verschwörungsfanatikern und Demokratiefeinden das Feld zu überlassen, "wenn es um das konstruktive Hinterfragen der Corona-Maßnahmen geht".

Genauso wichtig ist es,  anzuerkennen, dass auch das Gegenüber im Streit von ehrenwerten Motiven geleitet sein und grundsätzlich recht haben kann. Und ja: Hören wir auf damit, reflexartig Corona-Kritiker gleich als rechte Spinner zu brandmarken. Sonst verspielen wir die Chance, in der Auseinandersetzung  mit Andersdenkenden klüger zu werden.

Wenn uns das nicht gelingt, werden sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt nachhaltig beschädigt.

 
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  • J. S.
    Danke Herr Reinhard für diesen Denkanstoß!
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  • W. L.
    "Man kann nicht sehen, dass man nicht sieht, was man nicht sieht" (von Foerster) - das gilt auch für Chefredakteure, die den Balken nicht sehen, der seit Jahren verhindert, den eigenen Beitrag an der Verschlechterung der Diskussionskultur zu erkennen!
    Wenn - auf Regierungslinie - angekündigt oder entschuldigt wird, statt zu handeln oder falsche Entscheidungen zu korrigieren, wenn Kritiker in die rechte Ecke gestellt werden, anstatt sich mit der Argumentation auseinanderzusetzen, wenn moralisiert wird oder vorgegebene Sichtweisen blind verteidigt werden, anstatt sich des eigenen Verstandes zu bedienen, muss man sich nicht wundern, wenn der Ton rauer, die Ablehnung ach so gut gemeinter Zumutungen - wie zuletzt die EU-Schuldenunion - in der Bevölkerung massiver wird.
    Man könnte in diesem Zusammenhang denken, hier würden Krokodilstränen fließen ...
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  • D. T.
    Solange man, sobald man Maßnahmen der Regierung kritisiert, in die gleiche Ecke wie Nazis, Verschwörungstheoretiker und "Coronaleugner" geschoben wird, lohnt sich eine sachliche Diskussion nicht. Ich habe aufgegeben, meine Meinung kund zu tun.
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  • C. B.
    Ich denke mittlerweile liegen bei jedem in Deutschland die Nerven blank und da wird der Ton halt auch rauer. Auf meiner Seite kann ich die derzeitigen Politiker in Deutschland auch nur als inkompetent bezeichen. Ich nehme das Wort Diktatur nicht gerne in den Mund denn eine Diktatur ist was ganz anderes aber man sieht schon dass die Kanzlerin, sobald sie sieht sie hat etwas falsch gemacht sich dann schon irgendwie rächen möchte. Stichwort Vorlage eines negativen Corona Test bei Einreise aus dem Ausland. Das ist jetzt wieder so ein drangsalieren der Kanzlerin weil sie ihren willen von der Oster Ruhe nicht durchgebracht hat. Nach dem Morto ihr wollt reisen dann greift mal tief in die Tasche. So ein Racheakt, eine Unverschämtheit. In sechs Monaten sind Bundestagswahlen und ich denke auf Deutschland werden jetzt ganz interessante Zeiten zukommen.
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  • M. E.
    @schimmel18. Eine sich rächen wollende Kanzlerin!? Weiter so, wes Geistes Kind Sie durch Ihre Kommentare hier offenbaren sagt alles!
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  • J. S.
    Reden, reden und wieder reden. Ist denn nicht schon alles gesagt?
    Corona Pandemie! Das ist Fakt. Der Mensch will immer das, was er nicht hat: Geduld!
    Abwarten und Tee trinken. Warten auf Godot äh auf den persönlichen Impftermin.
    Worauf es wirklich ankommt: Impfen, Impfen, auf "Teufel" komm raus"!
    "AHA!" Kapiert?
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  • A. G.
    Sorry, aber die AfD hat die Debattenkultur vergiftet! Man denke an die Zahl der Ordnungsrufe....
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  • U. L.
    In Zeiten der Cancel-Culture, in denen manchen schon der Mund verboten wird, bevor (!) sie die Chance hatten, ihre Meinung zu begründen, ein frommer Wunsch. Es mangelt zum einen an Anstand. Und jene, die Toleranz predigen, sind zum anderen oft die, die vermeintlich moralisch Fehlgeleiteten den Mund verbieten wollen.
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  • G. B.
    Wenn alles vorbei ist, gehen wir halt alle mal gemeinsam einen trinken. Auch mit den Idioten, die einfach nicht 100 Prozent meiner Meinung sein wollen.
    Dass derzeit die Kommunikation etwas rauh ist, kann ich jedenfalls niemandem verdenken.
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  • K. S.
    Da ist etwas gewachsen an dem die Medien auch ihre Mitschuld tragen. Eine Berichterstattung sollte neutral und gut Recheriert sein. Es ist auch nicht Förderlich wenn Politiker oder auch Mediziner und Virologen grob unterschiedliche Aussagen kund tun. In den Socialen Netzwerken herrscht eh ein Ton der jegliche Erziehung vermissen läßt. Man kann auch Meinungen austauschen ohne persönlich zu werden, man kann die Höflichkeitsform wählen und seine Argumente mit seriösen Berichten unterstreichen. Doch glaube ich das viele Leute mitreden die sich mit dem Thema nicht beschäftigt haben, denen reicht eine Titelzeile mit reißerischer Aufmachung. Was noch ganz schrecklich daher kommt sind "manipulierte Videoaufnahmen. Hier wird ein Sachverhalt dargestellt der aus dem Zusammenhang gerissen wurde und nun nicht mehr der Wahrheit entspricht ! Es ist sehr Schade das man zu solchen Maßnahmen greift um nur die Aufmerksamkeit Vieler zu erreichen !
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  • A. H.
    "Da ist etwas gewachsen an dem die Medien auch ihre Mitschuld tragen."
    Ja, da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Beispiel gefällig:
    Die oft unsinnige Fragezeichen-Headline mancher Blätter, die dann meist die geweckten Erwartungen nicht erfüllt
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  • G. P.
    guter Kommentar!
    Es bleibt zu wünschen das der verbale Umgang miteinander in unserer heutigen Gesellschaft deutlich besser wird. Dazu braucht es aber eine gute Erziehung und Bildung unserer Kinder denen man wieder Werte wie Respekt, Fairness, Dankbarkeit, Mitgefühl, Verantwotungsbewusstsein, Freundschaft, Friedfertigkeit usw. vermittelt bzw. beigebracht werden muss.
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  • R. S.
    Ein sehr guter Kommentar Hr. Reinhard.
    Ich habe auch schon einen Lösungsvorschlag, nur als Anfang.
    " Schafft die Kommentarfunktion ab!"
    Es sind eh nur immer die Selben die zu speziellen Themen gebetsmühlenartig und unbelehrbar ihren Senf abgeben.
    Wie hieß es doch gleich...toxische Situation und kollektive Dauererregung. Da kann ich zustimmen.
    Also entziehen wir diesen "Kommentatoren" doch ihre Bühne.
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  • M. E.
    @simonhard Ich schlage vor, nicht die Kommentare abzuschaffen, sondern nur noch Kommentare unter Klarnamen zu veröffentlichen! Hier wird sich dann so mancher überlegen, was er jetzt schreiben darf. Wer sich nicht zu erkennen gibt, hat dann halt nichts zu kommentieren!!
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  • A. H.
    _Klarnamen - des wärs!
    Leider wurden mehrere diesbezügliche Initiativen bisher abgelehnt; m.W. aus Angst, die Beteiligung im Netz könnte zurückgehen, weil sie einige (Berufsgruppen)?) nicht mehr beteiligen würden...
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  • C. H.
    Ein sehr guter Kommentar!

    Und er spricht aus, was ich selbst erlebe...

    Da werde ich als Querdenker bezeichnet, als Spinner und Querulant.
    Was sich dann sehr schnell legt, wenn ich die Quellen aufrufe und die Berichte zeige:

    www.rki.de
    www.destatis.de
    www.intensivregister.de

    Die dort aufgeführten Zahlen und Fakten zeige oder Videos aufrufe, in denen anerkannte Wissenschaftler sprechen.
    Aber erst dann kehrt Ruhe ein, setzt Nachdenken ein. Vorher ist man nur Spinner, Verschwörungstheoretiker.....

    Aber hier nehme ich die Presse, auch die Mainpost, mit ins Boot. Euch obliegt eine neutrale und umfassende Berichterstattung! Und auch eine "sorgfältige Recherche", wie es in euren Leitlinien steht. Da hapert es gewaltig, und das stösst nicht nur mir auf, wie ich vielen Kommentaren entnehmen kann....
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