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Würzburg
Kommentar: Bei seltenen Leiden ist auch Aufmerksamkeit Medizin!
An diesem Samstag ist der Tag der Seltenen Erkrankungen. Viele Betroffene leiden unter Ausgrenzung und Isolation. Unser Autor fordert mehr Miteinander und Inklusion.
Viele Seltene Erkrankungen sind genetisch bedingt. Besonders oft leiden Kinder an einer solchen Krankheit.  
Foto: Birgit Walther-Lüers | Viele Seltene Erkrankungen sind genetisch bedingt. Besonders oft leiden Kinder an einer solchen Krankheit.  
Folker Quack
 |  aktualisiert: 03.03.2020 02:10 Uhr

Am 29.2. ist der Tag der Seltenen Erkrankungen. Zwar ist jede einzelne dieser Erkrankungen sehr selten, in der Summe aber leiden in Deutschland über vier Millionen Menschen an einem der 8000 dieser Krankheitsbilder. Hier in Unterfranken sind das zirka 65 000 Betroffene, mehr als Schweinfurt Einwohner hat. Und betroffen sind meist auch die Familien. Die "Seltenen" sind in Summe folglich ganz schön viele. 

Dabei ist die Tatsache, dass sich Forschung, Ärzte und Pharmaindustrie zu wenig um diese Medizin-Waisen kümmern, nur eines der Probleme für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Für sie ist jeder Tag ein Tag der Seltenen. Viele der 8000 Krankheitsbilder gehen mit chronischen Leiden, körperlichen Einschränkungen und einer verkürzten Lebenserwartung einher. Da leidet mehr als die Lebensqualität, die Diagnose einer Seltenen Erkrankung stellt das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen auf den Kopf. Nicht wenige sind überfordert und verzweifeln daran.  

Wenn jeden Tag zwei Stunden gestohlen werden

Zur Erkrankung kommen der tägliche Kampf um eine gute Versorgung, die Suche nach einem der wenigen Spezialisten, weite Fahrten zu Fachkliniken und nicht zuletzt der Kampf um ein bisschen Normalität. Und hier sind nicht nur Forschung, Ärzte und Pharmaindustrie gefragt.

Eine europaweite Umfrage bei Patienten einer Seltenen Erkrankung hat erschreckende Zahlen zutage gefördert: Sieben von zehn Patienten beziehungsweise Angehörigen oder Eltern betroffener Kinder haben ihre berufliche Aktivität aufgegeben oder stark reduziert. Dass dies in den wenigsten Fällen freiwillig geschah, zeigt eine andere Zahl aus der Umfrage: Demnach verbringen zwei Drittel der Betroffenen über zwei Stunden am Tag mit krankheitsbezogenen Aufgaben. Man stelle sich das einmal vor. Jeden Tag werden einem mindestens zwei Stunden der wachen und aktiven Zeit einfach weggenommen - auch am Wochenende. 

Da wundert es kaum, dass 80 Prozent der Befragten angaben, sie hätten Schwierigkeiten, ihre täglichen Aufgaben zu erledigen. Und dass dreimal so viele Menschen, die mit einer Seltenen Erkrankung leben, unglücklicher als der Durchschnitt der Bevölkerung sind oder gar an einer Depression leiden. 

Isolation statt Lebensqualität

Neben den Beschwerden ihrer eigentlichen Krankheit leiden Betroffene am stärksten unter der Isolation, die sehr oft mit einer Seltenen Krankheit einhergeht. Man gehört einfach nicht mehr dazu oder fühlt sich ausgeschlossen. Aufmerksamkeit kann diesen Menschen am besten helfen. Doch stehen dem oft Tabus im Wege: Krankheit und Tod sind in unserer Gesellschaft nach wie vor ungeliebte Gesprächsthemen.

Deshalb verheimlichen viele Patienten ihre Seltene Krankheit. Aus Angst, jemand könnte im Internet recherchieren, wohin diese Krankheit führen kann. Aus Scham, Unsicherheit oder schlicht, weil man die meist komplexen Krankheitsbilder nicht immer und immer wieder betroffen dreinblickenden Menschen erklären will.  

Menschen mit einer Seltenen Erkrankung und ihre Familien möchten nämlich nicht auf die Krankheit, nicht auf Leiden und Tod reduziert werden. Auch wenn diese Themen zu ihrem Leben dazu gehören, sehnen sie sich nach einem Stückchen Normalität. Sie wollen weiter am Leben teilnehmen, wollen und können auch mal ausgelassen und fröhlich sein.  

Wer ein Kind im Rollstuhl durch eine Fußgängerzone schiebt, erntet betroffene Blicke, verschämtes Wegsehen und nur selten ein aufmunterndes Lächeln. Deshalb brauchen wir Inklusion auf allen Ebenen, Verständnis füreinander, mehr Miteinander und keine  Schweigespirale. Diese immer öfter zu durchbrechen, dazu können wir alle beitragen - nicht nur am Tag der Seltenen Erkrankungen.

Der Autor ist Vater eines Sohnes, der an einer Seltenen Krankheit leidet. 

 
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