zurück
Würzburg
Kommentar: An Weihnachten ist die Familie heilig
Eine aktuelle Studie zeigt: Weihnachten wird zunehmend zu einem Familienfest ohne Glaubensbezug. Es hilft nichts – Kirche wird sich ändern müssen.
Weihnachten wird zunehmend zu einem Familienfest ohne Glaubensbezug. (Symbolfoto)
Foto: Getty | Weihnachten wird zunehmend zu einem Familienfest ohne Glaubensbezug. (Symbolfoto)
Achim Muth
 |  aktualisiert: 27.12.2024 02:38 Uhr

Die Abwesenheit von Wünschen ist eine besonders tiefe Form des Glücks. Nach dieser Definition des Autors und Aphoristikers Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger müsste Weihnachten die Hölle sein. An keinem Tag gibt es so viele Wünsche wie an Heiligabend. Allein im Weihnachtspostamt Himmelstadt dürften wieder an die 80.000 Briefe mit Wunschzetteln für das Christkind gelandet sein. Die Hoffnung auf Geschenke paart sich an Weihnachten oft mit der Sehnsucht nach einer heilen Welt und nach familiärer Harmonie – zumindest für den Zeitraum der drei Strophen von "Stille Nacht".

Aber ist das wirklich so? Eine aktuelle Studie der Universität der Bundeswehr belegt zwar, dass 38 Prozent der Befragten glauben, es bestünde ein Zwang, an Weihnachten festliche Stimmung erzeugen zu müssen. Aber lediglich 16 Prozent nehmen diesen Druck selbst wahr.

Umfrage
Ted wird geladen, bitte warten...

Und was ist den Deutschen an Weihnachten besonders wichtig? Auf Platz eins (73 Prozent): Zeit mit den Liebsten verbringen. Das Schlusslicht bilden mit 13 Prozent religiöse Aspekte. Das zeigt: Die Kirche hat ein Relevanzproblem. Der christliche Ursprung mit der Botschaft von der Menschwerdung Gottes verliert an Bedeutung, Weihnachten wird zunehmend zu einem Familienfest ohne Glaubensbezug.

In Werbefilmen ersetzt die Familie die Religion

Die Wirtschaft hat das längst erkannt. Erinnern Sie sich noch an den Werbefilm einer deutschen Lebensmittelkette, in dem ein älterer, einsamer Mann seinen Tod vortäuscht, nur damit seine Familie wieder einmal nach Hause kommt? Weihnachten statt Beerdigung. "Wie hätte ich Euch denn sonst alle zusammenbringen sollen?", fragt er. #heimkommen hieß der Spot, der vor ein paar Jahren im Fernsehen lief und ein Megaerfolg war: Auf der Internetplattform youtube wurde der Streifen bereits über 70 Millionen Mal aufgerufen.

Der Religionspädagoge Thomas Heller hat Weihnachtswerbespots der großen Supermarktketten unter psychologischen Aspekten analysiert. Seine Erkenntnis: In diesen Filmen ersetzt die Familie die Religion. Heller spricht in einem Interview gar von der "Absolutierung der Familie" in diesen Spots. Der Experte sieht darin ein Säkularisierungsphänomen: "Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Christentum in vielerlei Hinsicht an Bedeutung verloren hat und weiterhin verliert."

Die Menschen haben Sehnsucht nach Orientierung und Erlösung

Gleichzeitig bleibt in einer Zeit, die von Kriegen, politischen Zerwürfnissen und Zukunftsängsten geprägt ist, "die Sehnsucht der Menschen nach Orientierung und Erlösung", sagt Thomas Heller. Dies erklärt einerseits den Zulauf, den spirituelle Angebote erleben. Andererseits liegt darin auch eine Chance für die Kirche. Nur wird sie sich dafür ändern müssen, zugewandter sein, transparenter, präsenter. Sonst suchen die Menschen weiter Ersatzreligionen wie Fußball, Musik, Verschwörungstheorien – oder eben die Familie.

An Weihnachten also ist die Familie heilig, manchmal auch scheinheilig. Oft zerplatzen die Hoffnungen auf Harmonie schneller als die Lichter am Christbaum entzündet sind. Fast ein Viertel der Deutschen gab bei einer Statista-Studie an, sich während der Festtage "immer oder gelegentlich zu streiten". Dazu tragen nicht nur die eigenen Erwartungen bei, sondern eben auch idealisierte Werbefilme wie der vom einsamen Opa. Kein Wunder, wenn der Mensch in diese Falle tappt.

Denn niemand ist perfekt. Auch an Weihnachten nicht. Vollkommenheit heißt, dass nichts zu verbessern ist. Wer mag das schon von sich behaupten? Mit Gelassenheit kann Weihnachten gelingen. Und, ja, auch mit Wünschen. Die sollen und dürfen sein. Strahlende Augen weiten die Herzen. Das Leben relativiert die Träume oft früh genug. Wie sagt ein Sprichwort: Ein Gesunder hat tausend Wünsche, ein Kranker nur einen . . .

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Achim Muth
Christkind
Familienfeiern und Familienfeste
Heiligabend
Stille Nacht
Weihnachten
Weihnachtsbäume
Weihnachtspostamt Großrosseln
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top