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Würzburg
Kolbows magischer Moment und die Rastlosigkeit mit 75 Jahren
Walter Kolbow, Außen- und Verteidigungsexperte der SPD, feiert Geburtstag. Das Ausruhen ist dem Rastlosen weiter fremd, sein Rat noch immer gefragt. Eine Würdigung.
Der große alte Mann der unterfränkischen SPD feiert 75. Geburtstag: Walter Kolbow, ein Politiker im (Un-)Ruhestand.
Foto: Angelika Cronauer | Der große alte Mann der unterfränkischen SPD feiert 75. Geburtstag: Walter Kolbow, ein Politiker im (Un-)Ruhestand.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:47 Uhr

Die Bezeichnung „Politiker im (Un)Ruhestand“ könnte für Walter Kolbow erfunden sein: Kurz vor seinem 75. Geburtstag an diesem Samstag ist der Würzburger so rastlos unterwegs wie zu aktiven Zeiten. „Hallo wie geht's“, grüßt er fröhlich am Handy. Auf dem Weg von Wien nach Bratislava ist er gerade – diesmal „nur“ auf einer SPD-Bürgerreise.

Sicherheitspolitik treibt ihn weiter um

Ja, Kolbow ist ein Vielreisender, nach wie vor. Obwohl er Mitarbeitern gegenüber versichert, mit den "Kräften mehr haushalten" zu müssen als früher. Der Terminplan des SPD-Politikers ist nicht mehr ganz so voll wie einst. Aber die Lage an den Krisenherden dieser Welt, die Sicherheit von Israel bis Afghanistan, treiben ihn weiter um, besonders aber die Rolle der Nato zwischen Trump und Putin. Gerade hat der Würzburger Sicherheitsexperte im Radio-Interview Helmut Schmidts Nato-Doppelbeschluss wieder verteidigt – und Schmidts Leitsatz: "Reden ist besser als schießen."  

Kontaktpflege auch am Geburtstag: Als Gäste der österreichischen Sozialdemokraten war eine Delegation der unterfränkischen SPD um Walther Kolbow und den Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib am Samstag in Wien. Zum 75. Geburtstag nahm Kolbow dabei auch die Glückwünsche des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig und der SPÖ-Bundesvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner entgegen.
Foto: Christiane Halbleib | Kontaktpflege auch am Geburtstag: Als Gäste der österreichischen Sozialdemokraten war eine Delegation der unterfränkischen SPD um Walther Kolbow und den Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib am Samstag in Wien. Zum 75.

„Sein Rat ist weiter sehr gefragt – nicht nur in Berlin“, sagt Stephanie Böhm von der Akademie Frankenwarte über Walter Kolbow.  Als Vorsitzender wacht der 75-Jährige wie ein Hirte über die Würzburger Einrichtung der Gesellschaft für politische Bildung. Denn, das sagt er immer wieder,  „der Bedarf an politischer Bildung für Erwachsene ist dringender denn je, damit Demokratie mehrheitsfähig bleibt“.

Rechte Hand zweier Verteidigungsminister

An andere Politiker erinnern die Riester-Rente oder das Hartz-Konzept. Nach dem Hauptmann der Reserve und Wehrexperten Kolbow ist keine Bundeswehrreform benannt -aber auch keine der Affären im Verteidigungsressort. Immerhin, die "Kolbow-Kur" trägt seinen Namen, ein Reha-Programm, das auf sein Betreiben für Soldaten nach dem Auslandseinsatz geschaffen wurde.

"Man könnte schlimmer in Erinnerung bleiben", sagt der SPD-Politiker, der 1998 bis 2005 Staatssekretär der Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Peter Struck war. Heute sei er froh, dass er - obwohl mehrfach dafür im Gespräch - nie selbst Minister wurde. Kolbow, der Verwaltungsjurist, blieb immer eher stiller Macher als großer Trommler in eigener Sache.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte Kolbow 1998 die Aufgabe übertragen, die seinen Ruf prägen sollte: die deutschen Hilfsmaßnahmen in der Kosovo-Krise zu koordinieren. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte zu Kolbow einmal: "Wir brauchten Dich im Kosovo als Scharnier unserer Außenpolitik." Standfest verteidigte der Würzburger auch als einer der ersten die Weigerung Schröders, dem US-Präsidenten George W. Bush in den Irak-Krieg zu folgen. Die Frage, ob Kolbow dabei beim politischen Aschermittwoch der SPD in Mainbernheim (Lkr. Kitzingen) Bush irgendwie als "Diktator" bezeichnet hatte, brachte ihn sogar in die Schlagzeilen der "Washington Post".

Mehr als eines von tausend kleinen Rädchen in der Politik-Maschine

Manche Politiker ziehen im Alter frustriert Bilanz, persönlich nichts bewegt zu haben. Das kann Kolbow nicht behaupten: Als Beauftragter der Bundesregierung im Kosovo-Konflikt konnte er acht Monate lang vor Ort selbst gestalten, als Person etwas bewirken.

Eine extrem belastende Aufgabe. Kolbow begegnete Menschen auf der Flucht. Und Menschen, deren Flucht scheiterte. Der Geruch der Massengräber ließ den Politiker auch später in Berlin nicht los. Dass er damals psychologische Hilfe suchte und fand, bestätigte er irgendwann im Gespräch: "Das hatte sein Gutes. Ich habe deshalb früher als andere verstanden, dass die Nachbereitung der Auslandseinsätze für die Soldaten ebenso wichtig ist wie die Vorbereitung."

Die Aufgabe brachte ihm einen ergreifenden Moment, der vielleicht die negativen Seiten eines ganzen Berufslebens aufwiegt, samt manchen "Parteifreunden", unberechenbaren Wählern und neugierigen Journalisten: An einem heißen Junitag 1999 wollte sich Kolbow im Flüchtlingslager Cegrane in Mazedonien ein Bild der Lage machen. 

Ein magischer Moment

Tausende  Menschen waren vom Kosovo über die Grenze geflohen und fanden hier den heißen Sommer über notdürftig Unterschlupf. Kein Baum gab Schatten, in den Zelten war es brütend heiß. Es stank nach faulen Lebensmitteln und Menschen, die kein Wasser zum Waschen haben. 

Kolbows Besuch sprach sich herum. Plötzlich kamen auf dem staubigen Platz vor den Zelten Kinder auf ihn zu. Immer mehr umringten ihn, fassten ihn an, riefen "Nato, Nato". Und plötzlich sahen die, die ihn damals begleiteten, wie sich seine besorgte Miene glättete. Wie ein glückliches Lächeln das Gesicht des sonst so spröde und sachlich  wirkenden Politikers überzog. Kolbow breitete die Arme aus und rief den Kindern zu: "Wir bringen euch alle wieder heim". Er wiederholte es mehrfach, unter dem Jubel der Kinder.

In Mazedonien auf Friedensmission: Walter Kolbow mit Kinder bei einem seiner vielen Einsätze im Kosovo-Konflikt.
Foto: Manfred Schweidler | In Mazedonien auf Friedensmission: Walter Kolbow mit Kinder bei einem seiner vielen Einsätze im Kosovo-Konflikt.

Dass Kolbow inzwischen längst Ehrenvorsitzender der SPD in Unterfranken ist, und jede Menge Auszeichnungen hat, vom Ehrenring der Stadt Würzburg bis zum großen Bundesverdienstkreuz – schön und gut. Aber dieser Moment zählt für ihn mehr. Und er ist glücklich, dass er sein Versprechen halten konnte. Auch wenn die Arbeit im Kosovo - 20 Jahre später - an seinem 75. Geburtstag längst nicht zu Ende ist.

 
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