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SOMMERHAUSEN
Kleinkunst mit Bratwurst
Von unserem Redaktionsmitglied CATHARINA HETTIGER
 |  aktualisiert: 08.11.2019 00:35 Uhr

Bekommen wir bei Ihnen auch einen Kaffee?“ Neugierig schaut sich das Touristen-Pärchen im „Vogelhaus“ um. Zu sehen gibt es rund um das Gebäude am nördlichen Ortseingang von Sommerhausen Einiges: An den Wänden hängen Dutzende von Vogelhäusern, Kuckucksuhren und Briefkästen in allen Größen und Farben; am Boden stehen Insektenhotels und Nuss-Häuschen für Eichhörnchen.

„Viele Passanten bleiben an den bunten Vogelhäusern hängen und kommen dann auch in den Innenhof“, sagt Birgit Linke. Die 58-Jährige ist die neue Pächterin des Gebäudes, dessen Gewölbekeller eine lange Geschichte hat.

Von 1984 bis 2001 war dort Mathias Repiscus mit dem „Bockshorn-Theater“ zuhause, in dem schon in den Anfangsjahren bekannte Kabarettisten wie Dieter Hildebrandt, Ottfried Fischer und Urban Priol auftraten. Nachdem das Bockshorn in den Kulturspeicher nach Würzburg umgezogen war, residierte seit 2003 das Theater Sommerhaus unter der Leitung von Brigitte Obermeier im Gewölbekeller.

2014 wurde dem Theater der Untermietvertrag gekündigt; in der Folge zog es vorübergehend ins Rathaus Sommerhausen um. Nach fast zwei Jahren Leerstand hat nun Linke seit diesem Sommer das Gebäude mit ihrem „Vogelhaus“ wieder zum Leben erweckt.

Eigentlich hatte die 58-Jährige, die in Uffenheim wohnt und von dort die Vogelvilla GmbH sowie einen Laden mit Geschenken und Feinkost betreibt, nicht das Gefühl, ein zusätzliches Projekt in ihrem Leben zu benötigen. „Ich war lange in Uffenheim sehr aktiv, in der Stadtpolitik, und auch ehrenamtlich.“ Dann bekam sie das Angebot, das Gebäude in Sommerhausen zu übernehmen. Sie musste nicht lange überlegen: „Anscheinend hat?s mich dann doch im richtigen Moment getroffen“, sagt sie und lacht. „Ich konnte mir vorstellen, etwas Neues zu machen.“

Sommerhausen hat es der gebürtigen Frankfurterin wegen seines Kunst- und Kulturcharakters schon lange angetan: „Ich war dort regelmäßig zu Besuch – auch im Bockshorn“, erinnert sie sich. Die Atmosphäre im Ort empfindet Linke als „anregend, frei und fantasievoll: Deswegen fühle ich mich hier so wohl.“

Die studierte Sozialpädagogin kam 1986 nach Uffenheim und legte dort den Grundstein für eine Holzmanufaktur, die sie mit ihrem Partner betreibt. Aus dem Projekt erwuchs die Vogelvilla GmbH, in der Linke mit bis zu 20 Beschäftigten handbemalte Vogelhäuser und andere Holzprodukte vertreibt. Diese sind für Linke nicht nur Schmuckobjekte im Garten – sie stehen auch für Umwelt- und Tierschutz: „Der moderne Hausbau bietet keine Schlupflöcher für Tiere mehr; Vogelhäuser oder Insektenhotels können da alternativ Unterschlupf bieten.“

Auch wenn die farbenprächtigen Holzprodukte viele Blicke auf sich ziehen: „Das Vogelhaus“ in Sommerhausen soll laut Linke mehr als eine Zweigstelle ihres Geschäfts in Uffenheim sein. Neben den Vogelhäusern und einem kleinen Geschenk-Sortiment beherbergt das Gebäude ein Restaurant sowie zwei Ferienwohnungen.

Ein festes Konzept für ihr Projekt hat die 58-Jährige im Vorfeld bewusst nicht geschmiedet: „Ich bin offen hierhergekommen und möchte erst einmal sehen, wie die Leute meinen Laden nutzen. Wollen sie Kaffee trinken oder ein Vogelhäuschen mitnehmen?“

Bisher gehörten Touristen wie auch Einheimische zu ihren Gästen, so Linke. „Man kommt hier schnell ins Gespräch – und viele freuen sich einfach, dass es im Ort wieder etwas gibt, wo man am Freitagabend ein Bier trinken oder vor oder nach dem Theater eine Kleinigkeit essen kann.“

Das Thema Essen entpuppte sich für Gastronomie-Neuling Linke als Bereich, der sie vor einige Herausforderungen stellte. Zwar werden im Vogelhaus vor allem kleine Gerichte wie Suppen, Bratwürste und Salate serviert – „ich muss trotzdem dieselben knallharten Auflagen erfüllen wie eine Großküche.“

Beim Einkauf setzt Linke auf Regionalität: So sind auf der Karte ausschließlich Weine von Sommerhäuser Winzern zu finden, die Bratwürste bezieht sie vom Metzger nebenan. Unterstützung bekommt Linke unter anderem aus ihrem Freundeskreis sowie von ihrem Sohn und dessen Freundin. „An den Wochenenden arbeiten im 'Vogelhaus' Junge und Ältere zusammen, das soll auch den Betrieb prägen“, sagt Linke.

Fürs neue Jahr hat die 58-Jährige geplant, auch den Gewölbekeller wieder zu nutzen – vor allem für Konzerte. Vorerst einmal im Monat sollen dort Musiker auftreten; die erste Veranstaltung ist bereits in Planung: Das Orchestre Colonial, mit Martin Steinack und dem Sommerhäuser Oliver Trahndorff, wird Chansons aus den 30er-Jahren präsentieren. Auf eine bestimmte Musikrichtung festlegen möchte sich Linke, die selbst in verschiedenen Bands gesungen hat und aus ihren Kontakten im Kunst- und Kulturbetrieb schöpfen kann, bei ihren Veranstaltungen nicht. Dafür liegt ihr die Zusammenarbeit mit Künstlern aus der Umgebung am Herzen.

Sie kann sich gemeinsame Projekte mit den Theatern vor Ort genauso vorstellen wie Lesungen regionaler Autoren. „Der Keller, in dem unbestuhlt bis zu 80 Leute Platz finden, ist ideal für Kleinkunst-Auftritte.“

Das Mobiliar im Gewölbekeller hat Linke von ihren Vorgängern übernommen: das Kassenhäuschen, das Absperrseil vor der Kellertreppe, die in die Wand eingelassene Garderobe aus massivem Eisen, der Tresen, die Bühne, Tische und Stühle – all das strahlt die Atmosphäre vergangener Theaterabende aus und wartet darauf, erneut genutzt zu werden.

„Stück für Stück“ will sich Linke ihr neues Projekt erschießen. Für sie ist klar, dass sich das „Vogelhaus“ selbst tragen muss, „es ist sicher kein Hobby.“ Auch wenn Laden und Bistro zunächst ausschließlich am Wochenende geöffnet sind, ist das Konzept laut Linke „sehr arbeitsreich“. Neben den Wochenenden im „Vogelhaus“ ist sie dreimal die Woche in ihrem Geschäft in Uffenheim anzutreffen; ansonsten kümmert sie sich im Büro um die Verwaltung ihrer Projekte. Aber: „Auch wenn ich hier hart arbeite – wenn ich nach Sommerhausen komme, fühle ich mich immer ein bisschen wie im Urlaub.“

Das Vogelhaus

Ein Projekt von Birgit Linke ist „Das Vogelhaus“ in der Katharinengasse 3 in Sommerhausen. Das Gebäude, das seit Sommer diesen Jahres Kunsthandwerk, ein Restaurant sowie zwei Ferienwohnungen beherbergt, hat eine bewegte Geschichte.

Von 1984 bis 2001 war im Gewölbekeller die Kabarettbühne „Bockshorn“ zu Hause. Nachdem das Bockshorn in den Kulturspeicher Würzburg umgezogen war, wurden die Räumlichkeiten von der „Weinstube am Torturm“ genutzt; ins Gewölbe zog 2003 als Untermieter das von Brigitte Obermeier gegründete Theater Sommerhaus ein.

Als 2014 die Inhaber des Weinrestaurants ihre Gaststätte schlossen, musste auch das Theater weichen. Nun hat Birgit Linke das Gebäude, das fast zwei Jahre leer stand, mit dem „Vogelhaus“ wieder zum Leben erweckt.

Ab 2017 sollen im Gewölbekeller zudem regelmäßig Konzerte stattfinden. Geöffnet: Freitag, 17-23 Uhr, Samstag: 14-23 Uhr, Sonntag: 11-22 Uhr. Infos zur Ferienwohnung finden Sie im Internet unter www.vogelhaus-sommerhausen.deyxcyx

Die Außenanlage des Restaurantbereiches des neuen Vogelhauses in Sommerhausen.
| Die Außenanlage des Restaurantbereiches des neuen Vogelhauses in Sommerhausen.
 
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