zurück
Würzburg
Kirchenasyl: Freispruch für Würzburger Ordensschwester Juliana Seelmann
Das Landgericht Würzburg entschied nach dem Vorbild jenes Urteils, das im Frühjahr bereits einen Ordensbruder aus Münsterschwarzach straffrei ausgehen ließ.
Ordensschwester Juliana Seelmann.
Foto: Daniel Karmann, dpa | Ordensschwester Juliana Seelmann.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:24 Uhr

Erleichterung bei der angeklagten Schwester Juliana Seelmann, Freude unter zahlreichen Vertretern der Kirche und Flüchtlingshilfe im Gerichtssaal: Das Landgericht Würzburg sah in zweiter Instanz nichts mehr Verwerfliches im Handeln der Ordensfrau. Die hatte im Kloster Oberzell (Lkr. Würzburg) zwei aus Italien geflüchteten Zwangsprostituierten aus Nigeria Kirchenasyl geboten – trotz eines vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnten Asylantrags.

Schwester Juliana: "Ich habe richtig gehandelt"

Binnen einer Stunde war der Berufungsprozess in Würzburg vorbei und die Vorsitzende Susanne Krischker verkündete: "Freispruch!" Die Schwester habe die Frauen nicht überredet, zu bleiben, sondern deren Willen respektiert, sich nicht zurück nach Italien abschieben zu lassen, wo sie zuvor zur Prostitution gezwungen worden waren. Allein die Tatsache, dass die Ordensschwester der Frau auch nach der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes weiter Unterkunft und Verpflegung geboten habe, sei nicht als Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt zu bewerten.

In schlichten Worten hatte die Angeklagte ihre Entscheidung verteidigt. Sie zitierte die Gründerin ihres Ordens: "Dort, wo die Menschenwürde gleichsam in Trümmern zusammengestürzt ist, wird Hilfe am dringendsten benötigt."

Schwester Juliana musste sich erneut wegen des Gewährens von Kirchenasyl vor Gericht verantworten: Der Prozess endete für sie mit Freispruch.
Foto: Thomas Obermeier | Schwester Juliana musste sich erneut wegen des Gewährens von Kirchenasyl vor Gericht verantworten: Der Prozess endete für sie mit Freispruch.

Aber selbst im Prozess dachte Seelmann nicht an sich, sondern an die verfolgte Frau aus Nigeria, die als Zeugin zu ihren Gunsten ausgesagt hatte. "Wenn ich sie so sitzen sehe – in so ganz anderer Verfassung als vor zweieinhalb Jahren – weiß ich: Ich habe richtig gehandelt", sagte die Menschenrechtsbeauftragte des Klosters vor dem Urteil. Beim Verlassen des Gerichtssaals erklärte die 39-Jährige aber auch aufatmend: "Ich habe gehofft, dass die Entscheidung so ausfällt."

Vor dem Gerichtssaal gab es Freudentränen

2021 hatte das Amtsgericht Würzburg der Ordensfrau eine sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt erteilt. Sie sollte 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Falls sie innerhalb von zwei Jahren straffällig geworden wäre, hätten ihr weitere 600 Euro Geldstrafe und ein neues Strafverfahren gedroht. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Verteidiger Franz Bethäuser legten Berufung ein.

Vor dem Gerichtssaal gab es nach dem Urteil Freudentränen, Beifall und Umarmungen von den vielen Unterstützern aus dem kirchlichen Bereich, die der Schwester im Prozess den Rücken gestärkt hatten. Kaum war das Urteil verklungen, lief eine Zuhörerin vor die Tür und telefonierte, um die Nachricht in Kirchenkreisen zu verbreiten: "Bitte rufen Sie bei allen Konventen an und teilen Sie mit: Freispruch für Schwester Juliana!" 

Wegweisende Entscheidung aus dem Februar

Mit ihr freute sich auch Ordensbruder Abraham Sauer aus Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen). Er weiß, wie es ist, wegen Kirchenasyl auf der Anklagebank zu sitzen: In seinem Fall hatte das Bayerische Oberste Landesgericht im Februar in einer wegweisenden Entscheidung den Freispruch durch das Amtsgericht Kitzingen bestätigt. Daran hielt sich jetzt das Landgericht Würzburg. Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach hatte mit Blick darauf die Berufung der Staatsanwaltschaft zurückgenommen und auf Freispruch plädiert.

Die Vorsitzende Krischker betonte, dass es sich um ein rein rechtsstaatliches Urteil handle. Etwaige Gewissensentscheidungen hätten keine Rolle gespielt. Die Ordensfrau hatte auf Nachfrage betont: Sie habe die schutzsuchende Frau nie zu etwas gedrängt. "Ich habe nur gehört, was sie gesagt hat. Sie hatte große Angst und wollte nicht nach Italien zurück." Es habe großen Druck von dort gegeben, sie als Prostituierte ins Rotlichtmilieu zurückzuholen. 

Als "starkes und wichtiges Signal in die Gesellschaft“ bezeichnet Bischof Dr. Franz Jung den Freispruch. Er betont in einem Schreiben an die Ordensfrau: Das Engagement Seelmanns verdiene Lob, Anerkennung und Unterstützung.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Manfred Schweidler
Amtsgericht Würzburg
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
Kirchenasyl
Landgericht Würzburg
Mönche
Oberstaatsanwälte
Schwestern
Staatsanwaltschaft Würzburg
Zwangsprostituierte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. H.
    Ich bin ein gemeiner Mensch

    und deswegen schoss mir beim Lesen der Schlagzeile durch den Kopf "anscheinend haben sie sich jetzt doch nicht getraut, ein rechts-staatliches bzw. populistisch genehmes Urteil zu fällen"...

    MMn wird es schon lange Zeit für eine Art Härtefall-Ausschuss, der besonders gefährdete Menschen unter seinen Schutz nehmen kann statt sie einer von oft genug gnadenlosen Bestimmungen gesteuerten oft genug gnadenlosen Justiz auf Gedeih und Verderb auszuliefern.

    Der Maxime "dort, wo die Menschenwürde gleichsam in Trümmern zusammengestürzt ist, wird Hilfe am dringendsten benötigt" möchte ich - gemeiner Mensch der ich bin - nichts hinzufügen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. F.
    Gerichtsurteile sind nicht zuletzt auch das Ergebnis der bestehenden Machtverhältnisse. - Und die katholische Kirche ist immer noch sehr mächtig. Ob das förderlich ist, ist eine andere Frage.
    Dass sich die katholischen "Helden der Menschlichkeit" bei den langfristigen Folgekosten einen schlanken Fuß machen, hat mehr als nur ein 'Geschmäckle'.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. L.
    Die Gerichtsentscheidung wird sowohl von den Befürwortern als auch von den Gegnern des sog. "Kirchenasyls" falsch interpretiert. Insbesondere hat das Landgericht keine Wertung und keine Entscheidung über die Berechtigung von Kirchenasyl getroffen, weil gar kein "Kirchenasyl" im eigentlichen Sinn stattfand. Die von der Entscheidung des BAMF betroffenen Personen waren - auch im Parallelfall von Bruder Abraham - bereits von den Orden aufgenommen worden, bevor die betreffenden Personen das Aufenthaltsrecht verloren haben. Deswegen kann die Aufnahme durch die Orden nicht den Straftatbestand nach dem Aufenthaltsgesetz erfüllen. Das streitige Kirchenasyl kommt nur in Betracht, wenn bereits ausreisepflichtige (!) Personen aufgenommen werden, um diese Ausreise zu verhindern. Das war bei Schwester Seelmann noch bei Bruder Abraham der Fall. Die Urteile äußerten sich zur Gewährung von Kirchenasyl bei bereits bestehender Ausreisepflicht nicht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. H.
    @vob

    Wenn ich Sie recht verstehe, dann waren die Damen und Herren nur "Gäste" des Mönches und der Nonne... und haben aus diesem Domizil heraus ihre Asyl- Anträge gestellt? Naja, kann man so machen, ABER haben die Gastgeber ihre Gäste unmittelbar nach der jew. Ausreise- Anordung zu den Vollzugsbehörden oder gar zum Flughafen gebracht?

    Sorry, aber für mich ist Ihr Kommentar Haarspalterei, der an der Realität -hier Gewährung von (unzulässigem) "Kirchenasyl"- vorbeigeht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. L.
    Beihilfe im strafrechtlichen Sinn liegt vor, wenn man einen anderen bei der Begehung einer Straftat unterstützt.

    Wenn sich aber ein Asylsuchender zum Zeitpunkt der Aufnahme durch den Orden legal im Land aufhält, weil seine Ausreisepflicht erst zu einem späteren Zeitpunkt in Bestandskraft erwächst, war es nicht verboten bzw. strafbar, die Person aufzunehmen. Der Asylsuchende hat sich nicht rechtswidrig verhalten. Damit war auch keine Beihilfe möglich. Jetzt verstanden?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. D.
    Steht hier die Kirche über gültigem Recht, welches für andere gilt? Eine fatale Entscheidung der Judikative.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. L.
    Liebe MP, solche Kommentare entstehen, wenn gerichtliche Entscheidungen nicht richtig wiedergegeben werden.

    Die Entscheidung zu Br. Abraham haben Sie damals richtig erläutert: "Als er den Flüchtling ins Kirchenasyl aufnahm, war dieser also noch legal im Land. Als das nicht mehr der Fall war - nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Härtefall-Dossier negativ beschieden hatte - habe der Angeklagte nicht aktiv dafür sorgen müssen, das Kirchenasyl zu beenden."

    Es wirft ein falsches Licht auf die Entscheidung des Landgerichts WÜ, wenn Sie schreiben, Sr. Seelmann habe den Nigerianerinnen "trotz eines abgelehnten Asylantrages" Kirchenasyl gewährt.

    Der Kernpunkt, der zum Freispruch führte war doch, dass sich die Nigerianerinnen zum Zeitpunkt der Aufnahme in das sog. Kirchenasyl (ob es sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt um ein Kirchenasyl im originären Sinn handelte, ist fraglich) legal im Land aufhielten. Damit konnte Beihilfe zu einem Vergehen gar nicht geleistet werden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. H.
    Zitat: "Die Vorsitzende betonte, dass es sich um ein rein rechtsstaatliches Urteil handle."

    DIEEE Gesetzesgrundlage würde mich dringend interessieren! Kann man das irgendwo nachlesen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. L.
    Ja, kann man nachlesen. Einfach in die Unibibliothek gehen. Zum Parallelfall des Br. Abraham: NJW-Spezial 2022, S. 217. Dort ist die Entscheidung erklärt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. W.
    Ich bin vor Jahren aus der Kirche ausgetreten und fühle mich immer wieder in meiner damaligen Entscheidung bestätigt.

    Einer Institution, die vermeintlich über dem Recht steht und die auch heute noch wie zu finsteren Feudalzeiten immer wieder Extrawürste gebraten bekommt will ich nicht angehören.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • W. F.
    Ich bewundere und unterstütze den Mut und die Menschlichkeit, trotzdem kann es nicht sein, dass die Kirchen Ihr eigenes Recht haben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Eine richtige, hoffentlich wegweisende Entscheidung!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Auf eigenen Wunsch gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. L.
    Eines brauchen wir nicht, und das sind Richter.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. W.
    Langt wohl in Ihrer Weltsicht, wenn Alle Ihre Meinung vertreten?

    Solidarität und Mitmenschlichkeit sind keine Straftaten!
    Ich freue mich über diesen Freispruch!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. W.
    Und ich kann auf Ihre Kommentare in der MP gut verzichten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • F. K.
    Eines brauchen wir nicht, und das ist Franken48.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten