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Kirche will Frauen fördern
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 14.09.2015 19:37 Uhr

Der bundesweite Gesprächsprozess, zu dem die Bischöfe 2011 eingeladen hatten, ist nun offiziell beendet. Die Gespräche gehen jedoch weiter – zunächst in kleineren Kreisen. Auch im Bistum Würzburg stehen Veränderungen an. Generalvikar Thomas Keßler war als Delegierter beim Abschlusstreffen am vergangenen Wochenende in Würzburg dabei. Er hat positive Impulse erhalten, er hat sich aber auch geärgert.

Frage: Wie geht der Dialogprozess im Bistum Würzburg weiter?

Thomas Kessler: Anfang nächsten Jahres werden wir eine eigene Abschlussveranstaltung zu unserem Dialogprozess machen. Es war ja nicht nach einem Schlusspunkt, sondern nach einem Doppelpunkt gefragt, hinter dem aufgezeigt wird: Wie geht es nun weiter? Deshalb werden wir beschreiben, was in den vergangenen fünf Jahren begonnen und was alles erreicht wurde.

Und wie geht es konkret weiter?

Keßler: Ein Thema, das ja auch auf der großen Abschlussveranstaltung in Würzburg heftig umstritten war und länger diskutiert wurde, ist die Geschlechtergerechtigkeit. Dabei geht es nicht alleine darum, ob Frauen zum Weiheamt zugelassen werden können. Dieser Punkt kann innerhalb eines Gesprächsforums gar nicht geklärt werden. Wir werden uns aber im Bistum Würzburg verstärkt mit der beruflichen Frauenförderung beschäftigen. Das ist mit ein Verdienst des Dialogprozesses.

Gibt es also demnächst Leiterinnen von Hauptabteilungen, also Diözesanbaumeisterinnen, Museums- und Finanzdirektorinnen?

Kessler: Wir beginnen einen Berufsentwicklungsprozess, der sicher nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Und es geht auch nicht darum, dass Frauen jetzt auf Biegen und Brechen Stellen in Leitungspositionen verschafft werden. Es geht um eine Geschlechtergerechtigkeit insgesamt. Dazu gehören auch Männer. Wir veranstalten im November im Ordinariat einen Schulungstag für alle leitenden Mitarbeiter. Ziel ist, das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche ins Bewusstsein zu holen. Darüber hinaus wollen wir Frauen ermutigen, Bereitschaft zu entwickeln, Leitungsaufgaben übernehmen zu wollen.

Werden im Ordinariat extra Stellen geschaffen?

Kessler: Das können wir nicht. Aber wir können und wollen in Stellungsausschreibungen darauf achten, wie beide Geschlechter eine Chance bekommen. Das ist sicher ein Balanceakt. Denn wir haben die Absicht, den Anteil der Frauen in Verantwortungspositionen zu verstärken. Da haben wir Nachholbedarf. Wir können dabei aber Männer nicht benachteiligen.

Welche Anregungen haben Sie noch aus dem Dialogprozess erhalten?

Kessler: Wir werden uns auch verstärkt des Themas der geschiedenen Wiederverheirateten annehmen. Es gibt bereits Überlegungen, wie wir ein Netzwerk aufbauen, also Orte anbieten, wo sich Menschen mit biografischen Brüchen hinwenden können. Wir wollen Seelsorger qualifizieren, auch im psychologischen und eherechtlichen Bereich, so dass sie Menschen begleiten können bei Fragen wie: Welche Perspektiven habe ich in der Kirche, wenn meine Ehe gescheitert ist? Wie kann ich als Christ mit meiner Situation klarkommen?

Nun hat Papst Franziskus Wege geebnet, um das Eheannullierungsverfahren zu vereinfachen. Das wäre – vordergründig betrachtet – eine Lösung für alle Geschiedenen. Sie könnten wieder kirchlich heiraten.

Kessler: Es wird jetzt keine ,Annullierung light‘ beziehungsweise einen ,Persilschein‘ geben. Das will Papst Franziskus auch nicht. Damit wird man der Lebensgeschichte und dem Sakrament der Ehe nicht gerecht. Aber obwohl ohnehin eine Vereinfachung des Verfahrens beabsichtigt war, gibt es nach seiner schnellen Entscheidung bei Bischöfen und Leitern der Ehegerichte etliche Fragezeichen. Im Vorfeld der weltweiten Familiensynode der Bischöfe, die demnächst in Rom stattfindet, wurden ja Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich eigens mit diesem Thema befasst haben. Deshalb sind wir gespannt, was die Bischofssynode diesbezüglich ergibt. Was aber die Umsetzung des Dialogprozesses anbelangt, stehen bei uns im Bistum eher die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Begleitung von Menschen mit biografischen Brüchen auf der Agenda.

Gab es neben Anregungen auch Punkte, die Sie am Dialogprozess kritisieren?

Kessler: Positiv war das Aufeinanderhören und das gegenseitige Ernstnehmen. Kritik übe ich an der sprachlichen Umsetzung. Wenn im Abschlussbericht theologische Aussagen so formuliert werden, dass sie von den meisten Gläubigen ohne Übersetzungshilfe nicht verstanden werden können, dann kicken wir uns aus der Diskussion raus. Das ist kein Dialog, sondern eine Dialogverweigerung. Wenn wir wieder Schriftgelehrte benötigen, dann schaffen wir erneut eine Barriere von „wir da oben“ und „ihr da unten“. Das kann nicht sein.

Was haben Sie beim Dialogprozess vermisst?

Kessler: Es wurde zu wenig über die zentrale Frage diskutiert, die uns alle bewegen sollte: Was tun wir, um eine evangelisierende Kirche zu sein? Wie können wir die Frage nach Gott in unserer Gesellschaft wach halten? Wie können wir die Menschen in Kirche und Glauben halten? Das wird im Abschlussdokument nicht klar herausgearbeitet. Sicher nehmen die Menschen wahr, dass sich die Kirche sozial engagiert. Aber warum, aus welcher Motivation heraus wir das tun, das müssen wir noch mehr vermitteln.

Und was ist die Motivation der Kirche, sich sozial zu engagieren?

Kessler: Nach dem Glauben der katholischen Kirche ist jeder Mensch einmalig vor Gott. Deshalb müssen wir zum Beispiel auch Flüchtlingen helfen. Menschen sind keine Nummer, kein Fingerabdruck und weit mehr als das, was auf einer Registrierung steht.

Wie wird dieser Glaube umgesetzt? Oder: Wie hilft die Diözese Würzburg Flüchtlingen?

Kessler: Wir koordinieren gerade die verschiedenen Stellen im Ordinariat: Finanzkammer, Caritas, Asylseelsorge. Und wir schauen, wie wir eine Verbindung zu den Christen unter den Flüchtlingen aufbauen, so dass sie Orte finden, wo sie ihren Glauben leben können.

Thomas Keßler

Der Generalvikar der Diözese Würzburg wurde 1984 von Bischof Paul-Werner Scheele zum Priester geweiht. Keßler war Pfarrer von Mürsbach und Gereuth sowie Bad Kissingen und Leiter der Pfarreiengemeinschaft „Jesu – Quelle des Lebens, Bad Kissingen“. Weitere Aufgaben waren: Dekanatsjugendseelsorger (Ebern), Beauftragter für die Notfallseelsorge im Bistum Würzburg, Dekan (Bad Kissingen). Am 29. Januar 2015 ernannte ihn Bischof Friedhelm zum Generalvikar. Seit Mai ist er Rector ecclesiae der Marienkapelle, seit Juni Domkapitular. FOTO: B. Schwessinger

 
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