
Isst du gerne Honig? Dann interessierst du dich sicher für die Honigbiene, die aber nicht nur wegen ihres leckeren Honigs für uns Menschen so wichtig ist. Ohne die Honigbiene und andere Insekten, die zur Bestäubung unserer Pflanzen gebraucht werden, gäbe es zum Beispiel weniger Äpfel, Erdbeeren, Kirschen oder Radieschen in unserem Garten. Eine Biene will nie alleine sein. Deshalb wohnen immer ganz viele Bienen zusammen. Das nennt man einen Bienenstaat. Doch welche Biene hat welche Aufgabe? Und woher wissen die Tiere, was sie jeden Tag tun sollen? Das weiß der Biologe Dr. Thomas Münz. Er und andere Wissenschaftler erforschen an der Universität Würzburg das Verhalten der Bienen. Dabei hilft ihnen Imkermeister Dirk Ahrens. Das ist derjenige, der die Bienen betreut und der den Honig erntet. Doch zurück zur Frage an den Biologen: Wer macht eigentlich was im Bienenstaat?
Frage: In einem Bienenstaat gibt es eine Königin und ganz viele Arbeiterinnen. Sagt die Königin den anderen Bienen, was sie tun sollen?
Thomas Münz: Nein. Die Hauptaufgabe der Königin ist das Eierlegen. Sie legt von April bis Juni 1000 bis 2000 Eier am Tag, damit neue Larven – so nennt man die Bienenbabys – schlüpfen.
Wer entscheidet, wer Bienenkönigin wird?
Münz: Das gesamte Bienenvolk entscheidet, wann eine neue Königin aufgezogen wird. Diese Larven bekommen besonderes Futter.

Mit was werden die Larven gefüttert?
Münz: Alle frisch geschlüpften Bienenlarven werden zunächst mit Gelée royale gefüttert. Das ist ein besonderer Futtersaft. Er besteht aus ganz bestimmten Proteinen, Zucker und Wasser. Er wird im Kopf der Arbeiterinnen hergestellt. Die Larven, aus denen Arbeiterinnen werden, bekommen den Saft drei Tage lang. Die Larven, die einmal Königin werden sollen, werden ausschließlich mit dem Saft gefüttert.
Die männlichen Bienen nennt man Drohnen. Sie haben im Bienenstock nicht viel zu sagen, oder?
Münz: Nein. Sie haben nur eine Aufgabe: Sie sammeln sich zu Tausenden an bestimmten Plätzen und fliegen über diesen Stellen. Man nennt sie Drohnensammelplätze. Dort fliegen auch die Jungköniginnen hin. Sie verheiraten sich im Flug mit den Drohnen. Nur manche Drohnen schaffen das. Die allermeisten nicht. Diejenigen, die es vom Sammelplatz bis zurück zum Bienenstock schaffen, werden ab Juli von den Arbeiterinnen vor die Tür gesetzt.
Warum setzen die Arbeiterinnen die Drohnen vor die Tür?
Münz: Drohnen können nicht für sich alleine sorgen. Sie müssen von den Arbeiterinnen versorgt werden. Deshalb sind sie nur eine Zeit lang im Jahr nützlich für das Bienenvolk. Sie werden gebraucht, um die Königinnen zu begatten, damit diese Eier legen können. Ist diese Zeit vorbei, müssen sie gehen.
Wer entscheidet, was die Arbeiterinnen im Bienenstock machen?
Münz: Arbeitsbienen können im Bienenstock jede Arbeit machen. Doch je nach Alter haben sie unterschiedliche Aufgaben. Die jüngeren kümmern sich um die Brut, so nennt man die Bienenkinder. Sie füttern die Larven und putzen die Zellen einer Wabe, so nennt man die einzelnen Zimmer im Bienenstock. Eine Zelle hat sechs Ecken. Sie ist gelb und besteht aus Bienenwachs. Dort werden die Larven aufgezogen. In anderen Zellen lagern die Bienen ihren Honig und ihren Blütenpollen.
Gibt es noch mehr Berufe im Bienenstock?
Münz: Ja, es gibt zum Beispiel die Bienen, die heizen. Sie zittern mit den Flugmuskeln, ohne aber mit den Flügeln zu schlagen. Dadurch wird es richtig schön mollig warm (35 Grad) bei den Bienenkindern. Das ist ganz schön anstrengend. Deshalb sind die Heizerinnen irgendwann richtig müde. Sie brauchen dringend Honig. Doch der Weg zu den Honig gefüllten Waben ist weit. Deshalb kommen jetzt andere Bienen. Sie verteilen von Mund zu Mund Honig an die Heizerbienen.
Was machen die Arbeiterinnen, wenn sie älter werden?
Münz: Sie werden Bauarbeiterinnen. Sie stellen mit ihren Drüsen – das ist ein bestimmtes Organ ihres Körpers – Plättchen aus Bienenwachs her. Damit bauen sie die Waben. Wenn sie noch älter werden, wandern sie im Bienenstock immer weiter nach außen. Sie werden streitlustiger. Die ein oder andere Biene wird jetzt zur Wächterin, das bedeutet, dass sie den Eingang verteidigt.
Und welche Biene fliegt nach draußen auf die Blumen – ist das die abenteuerlustigste Biene?
Münz: Nein. Wenn eine Biene noch älter ist, also zwei bis drei Wochen alt, fliegt sie aus dem Stock und fängt an, Nektar, Pollen und Wasser zu sammeln. Dann wird es für uns Forscher richtig spannend. Denn die Biene hat plötzlich eine ganz neue Aufgabe. Sie muss zum ersten Mal in ihrem Leben für eine längere Zeit aus dem dunklen Bienenstock in eine helle Umgebung nach draußen fliegen. Sie muss sich orientieren, damit sie sich nicht verirrt. Sie muss Farben und auch neue Düfte lernen.
Verändert sich die Biene, wenn sie eine neue Aufgabe bekommt?
Münz: Ja. Die ganz jungen Bienen, die als Ammen arbeiten – so nennt man die Kindermädchen bei den Bienen – haben zum Beispiel Futterdrüsen. Das ist ein Teil ihres Kopfs, in dem der Saft entsteht, den sie den Larven füttern. Arbeitet dieselbe Biene, wenn sie älter ist, als Sammlerin auf einer Blumenwiese, sieht man diese Drüse kaum mehr. Weil die Biene diesen Teil ihres Körpers nicht mehr braucht, bildet er sich zurück. Dafür passiert ganz viel Neues im Gehirn der Biene.

Das heißt, eine Arbeiterbiene kann nicht selbst entscheiden, ob sie Kindermädchen, Bauarbeiterin, Sammlerin oder Wächterin wird?
Münz: Ganz genau. Jede Biene übernimmt in einem bestimmten Alter eine bestimmte Aufgabe. Aber es ist nicht nur wichtig, wie alt die Biene ist, sondern auch, was dann in dem Moment für das Bienenvolk wichtig ist.
Das heißt, nicht jede Biene darf, wenn sie zwei Wochen alt ist, aus dem Stock hinaus fliegen?
Münz: So ist es. Wenn es tagelang oder wochenlang regnet, fliegen die Bienen nicht aus dem Stock. Dann entwickelt sich auch der Körper der Biene langsamer zur Sammlerin. Umgekehrt: Wenn ganz viele Sammlerinnen zum Beispiel durch ein Gewitter verloren gehen, dann reifen die Innendienst-Bienen schneller heran, damit sie selbst bald Blütenpollen sammeln können.
Was ist der Superorganismus?
Münz: Jede einzelne Biene ist ein Bestandteil des Superorganismus und nur wenn alle Tiere zusammenarbeiten kann der Superorganismus manche Aufgabe leisten, die eine Biene alleine niemals lösen könnte: zum Beispiel die, dass es immer 35 Grad warm ist im Bienenstock – egal, wie kalt es draußen ist.
Was darf man nicht machen, wenn man an einem Bienenstock vorbei läuft?
Münz: Bienen tanzen oder setzen Duftstoffe ab, um miteinander zu reden. Wenn sie angegriffen werden, geben sie einen Duftstoff ab, der nach Banane riecht. Der Stoff ist auch im Weizenbier drin. Deine Eltern sollten also kein Weizenbier trinken, wenn sie an einem Bienenstock vorbeikommen. Denn das könnte die Bienen aggressiv machen. Rauch beruhigt die Bienen. Darum verwenden ihn viele Imker, wenn sie mit ihren Bienen arbeiten.
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