Angesichts des Kinderporno-Falles in Würzburg fordert der Bezirksverband Pro Familia mehr Geld für Schutzkonzepte, Beratung und sexualpädagogische Aufklärung. "Der Fall ist von immenser Bedeutung auch und gerade für alle, die mit Prävention und Beratung zu tun haben", sagte Hans-Peter Breuner, Fachberater bei sexueller Misshandlung im Rahmen einer Pressekonferenz zur Statistik 2018 der staatlich anerkannten Beratungsstelle in Unterfranken. Die vielen Anfragen aktuell von Kitas nach Beratung, Elternabenden und der Erstellung eines Schutzkonzeptes zeigten vor allem eines: "Wir müssen unsere Arbeit ausweiten." Doch genau dort wird es problematisch, denn schon jetzt stoßen die Berater aufgrund der hohen Nachfrage an ihre Grenzen. "Wir brauchen mehr Geld", sagt Beate Schlett-Mewis, Leiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaftsberatung und Sexualpädagogik in Würzburg.
Aus dem "GAU" in Würzburg lernen
Eine altersgerechte Sexualaufklärung von Kindern sei von enormer Bedeutung, um Kindern Worte zu geben für das, was unter Umständen passieren kann. "Je offener mit dem Thema zu Hause umgegangen werde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kinder anvertrauen können", so Schlett-Mewis. Erschüttertes Vertrauen kennzeichne die aktuelle Lage in Würzburg, aber auch darüber hinaus. Dass die betroffene Kindertagesstätte zum Zeitpunkt des Missbrauchs ein entsprechendes Schutzkonzept hatte, führe da natürlich zunächst zu Niedergeschlagenheit, aber eben auch zur Erkenntnis, dass es eine absolute Sicherheit niemals geben könne. "Ja, es ist der GAU (kurz für "Größter anzunehmender Unfall"; Anm. d. Red.), hervorgerufen durch eine perfide kriminelle Intelligenz, ein Vorgehen, aus dem wir jetzt lernen müssen", sind sich die Experten einig. Entmutigen lassen sollte sich niemand. Im Gegenteil. "Wir sehen ja, wie wichtig es ist, das Thema täglich neu anzugehen", sagt Martina Schneider, Geschäftsführerin des Bezirksverbandes Pro Familia und Leiterin der Geschäftsstelle Schweinfurt.
Trösten muss nicht Kuscheln sein
Für Hans-Peter Breuner, Fachberater bei sexueller Misshandlung, ist vor allem eines klar: "Ängste müssen abgebaut werden und das geht am besten, wenn man offen über Probleme oder unklare Situationen spricht." Nur so könne Vertrauen entstehen, das gelte auch für Kollegen untereinander. Fragen dürften nicht gleich als persönlicher Angriff verstanden werden. "Wenn einem eine enge körperliche Nähe auffällt, etwa beim Trösten eines Kindes, dann kann und muss man fragen dürfen, ob das jetzt wirklich erforderlich ist. Und von wem das Bedürfnis nach Kuscheln gerade wirklich ausgeht." Das sei kein Misstrauen, sondern eine Frage, die sich jeder Erzieher und jede Erzieherin im Umgang mit Kindern und Jugendlichen immer wieder stellen sollte. In emotionalen Situationen sei das naturgemäß schwer, aber eben besonders wichtig.
Genauso wichtig sei angesichts des schweren Falles in Würzburg, sich sein Vertrauen nicht nehmen zu lassen. "Es wäre fatal, wenn Eltern ihre Kinder nicht mehr mit auf Freizeiten oder in Vereine schicken würden. Leben ohne Vertrauen ist nicht möglich", sagt Breuner. Dennoch dürfe kein Verdacht bagatellisiert werden. Die Nöte von Kindern müssten ernst genommen werden, entsprechende Veränderungen am Verhalten eines Kindes konsequent hinterfragt werden.
Statistik: Ein bis zwei Kinder pro Klasse sind Opfer von Missbrauch
Ein bis zwei Kinder pro Schulklasse seien statistisch Opfer von sexuellem Missbrauch. Aufklärung darüber tue not. Auch der unbefangenen Umgang von Kindern mit Sexualität, da sind sich die Experten einig, könne Missbrauch verhindern und sei auch als Teil der Gesundheitserziehung im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan verankert.
"Nase Bauch Po" heißt eine Pro Familia-Fortbildung für pädagogisch Tätige zur Frühkindlichen Sexualität am 9. Juli von 9 bis 16 Uhr in der Beratungsstelle in Würzburg, Semmelstraße 6. Neben sexualpädagogischen Basisinformationen gibt es auch konkrete methodische Anregungen zur frühkindlichen Sexualerziehung im Vorschulbereich. Anmelden kann man sich unter wuerzburg@profamilia.de oder telefonisch unter (0931) 460650.
Die damit verbundene Forderung nach mehr Geld wird nicht selten mit kaum nachprüfbaren Zahlen begründet. In diese Kategorie gehört für mich auch die Aussage, dass "rein statistisch" ein bis zwei Kinder pro Schulklasse (?) sexuell missbraucht werden. Falls das stimmen sollte, wäre es eine Ungeheuerlichkeit.
Nachprüfbaren Belege über Erfolge der organisierten Beratungstätigkeit von Psychologen, Soziologen und Pädagogen - um nur einige zu nennen - darf man dagegen nicht erwarten. Vermutlich gibt es sie nicht. Geschäftsgrundlage ist und bleibt das möglichst frühzeitige Aufspüren gesellschaftlicher Defizite und das geräuschvolle Beschreiben des Handlungsbedarfs ur Sicherung eigener Pfründe.