Ein scheinbar unbedeutender Prozess vor dem Amtsgericht Ebersberg schrieb das letzte Kapitel einer erfolgreichen dreijährigen Ermittlung: Kommissar Zufall half bei Würzburg, um in München eine internationale Bande von Geldautomaten-Sprengern zu fassen.
Kurierfahrt für 300 Euro
Auf der Anklagebank saß jetzt ein 25-jähriger Niederländer. Er hatte - wie zuerst der "Münchner Merkur" berichtete - 2018 im niederländischen Utrecht in einem Coffeeshop beim Kiffen "Mo" kennengelernt. Der habe dem damals Obdachlosen 800 Euro für eine Autofahrt nach Bayern versprochen.
"Mo" drückte ihm 300 Euro Anzahlung, ein Handy und die Schlüssel zu einem VW-Golf in die Hand – auf dem Handy eingespeichert: eine Adresse in Poing bei München. Doch kurz vor Würzburg fiel das Auto einer Zivilstreife auf: An dem Mietwagen waren (aus Den Haag gestohlen gemeldete) deutsche Kennzeichen montiert, die nicht zum Fahrzeug passten. Bei der Kontrolle fanden die Polizisten Gasflaschen mit Sauerstoff und Acetylen auf der Rückbank. Schläuche, Ventile, ein Satz Sturmhauben, dunkle Regenkleidung und ein Stemmeisen im Kofferraum – "eine komplette Ausrüstung zur Sprengung eines Geldautomaten", sagt die Staatsanwältin.
Indessen wurden die Auftraggeber unruhig: "Wo bleibst du?" – "Die Jungs aus Utrecht warten auf dich", kamen Nachrichten auf das Kurier-Handy. Da hatten aber schon die Handschellen geklickt. Wertvollster Hinweis: Die Adresse auf dem Handy.
Sechs explosive Raubzüge
Zuvor hatten die Raubzüge bereits für Schlagzeilen gesorgt. Die Bande jagte 2017 und 2018 um München herum ein halbes Dutzend Geldautomaten in die Luft, machte Beute im hohen sechsstelligen Bereich. "Hochprofessionell", nannte ein Ermittler das Vorgehen. Die Täter brauchten nur gut dreieinhalb Minuten: Sie sprengten die Automaten mit einem Gasgemisch und flohen mit der herausgebrochenen Geldkassette in hochmotorisierten Sportwagen.
Die Adresse im Handy des Kontrollierten wurde der Schlüssel zum Erfolg. Mit Hilfe des Vermieters konnte die Polizei in der Wohnung DNA-Spuren sichern, die zu den Sprengungen passten. Als die Täter die Wohnung erneut nutzten, gab es im Oktober 2018 mehrere Festnahmen.
Auf der Flucht drei Polizisten verletzt
Fünf Angeklagte wurden zu Haftstrafen bis über sechseinhalb Jahren verurteilt. Der Drahtzieher, der auf der Flucht drei Polizisten verletzte, kam sogar zwölfeinhalb Jahre hinter Gitter.
"Wir hatten von der Spurenlage so gut wie gar nichts", sagte ein Ermittler vor Gericht. "Wenn sie mit dem ursprünglichen Kennzeichen gefahren wären, wäre gar nichts passiert."
Das kleinste Rad im Wagen
Der Kurier kassierte zwei Jahren und zehn Monaten Haft. Er sei "das kleinste Rad der Bande gewesen", die auf weitgehend ahnungslose Transporteure zurück griff, sagte der Richter. Er hätte aber, wenn ihn nicht die Streife gestoppt hätte, einen "gewichtigen Beitrag" zur nächsten Sprengung geleistet.