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Tauberrettersheim
Keine Windkraft im Alleingang
Die Luft ist erst mal raus. Verwaltungsgericht vereitelt Tauberrettersheimer Windkraft-Pläne
Hochspannung und Windkraft bei Stalldorf. Die Windkraftanlage rechts im Bild steht in dem von der VG Röttingen gemeinsam ausgewiesenen Sondergebiet, die Anlage links auf dem Gebiet des Büttharder Ortsteils Tiefenthal. 
Foto: Gerhard Meißner | Hochspannung und Windkraft bei Stalldorf. Die Windkraftanlage rechts im Bild steht in dem von der VG Röttingen gemeinsam ausgewiesenen Sondergebiet, die Anlage links auf dem Gebiet des Büttharder Ortsteils ...
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:06 Uhr

Aus der  Windkraft in Tauberrettersheim ist fürs Erste die Luft raus. Das Verwaltungsgericht Würzburg vereitelte die Aufstellung eines Flächennutzungsplans für die Windkraftnutzung, weil es in der Verwaltungsgemeinschaft Röttingen (VG), der Tauberrettersheim angehört, bereits ein gemeinsames Windkraftgebiet gibt. Geklagt hatte die Stadt Röttingen. Doch es wird vermutlich nicht das letzte Wort sein, das zu der Sache gesprochen wird, meinte Vorsitzender Richter Gerhard Weinmann. Mit seiner Entscheidung betrat das Gericht juristisches Neuland.

2004 war die Welt noch in Ordnung. Damals haben die vier Mitgliedsgemeinden der VG Röttingen - Röttingen, Tauberrettersheim, Riedenheim und Bieberehren - einen gemeinsamen Flächennutzungsplan für die Windkraft erlassen. Man wollte damit einerseits die Nutzung erneuerbarer Energien fördern, andererseits einer unkontrollierten Verspargelung der Landschaft vorbeugen. Die Ausweisung eines Sondergebiets für die Windkraft hat nämlich zur Folge, dass nur dort Windräder errichtet werden dürfen und nirgends sonst im Gebiet der VG. Die Wahl fiel auf eine Fläche nördlich des Riedenheimer Ortsteils Stalldorf, wo inzwischen ein einziges Windrad errichtet wurde.

Lukratives Angebot

2015 nun teilte die Gemeinde Tauberrettersheim dem Landratsamt und den übrigen VG-Mitgliedern mit, dass man beabsichtige, auf der Höhe über dem Taubertal ein eigenes Windkraftgebiet auszuweisen. Dem war das Angebot von zwei Betreiberfirmen vorausgegangen, das sowohl der Gemeinde als auch den Grundstückseigentümer hohe Pachteinnahmen und Entschädigungszahlungen versprach. Allein der Ausgleich für die Nutzung von Wegen und Kabeltrassen sollte der Gemeinde jährlich 20 000 Euro einbringen, wie zweiter Bürgermeister Paul Wunderlich damals in einer Sitzung des Gemeinderats bekanntgab.

"Deshalb haben wir die Zustimmung erteilt und harren einer gerichtlichen Entscheidung."
Benedikt Kaufmann, Landratsamt

Eine pikante Note erhält die Sache dadurch, dass an den Windrädern auch Bürgermeister Hermann Öchsner und sein halber Gemeinderat mitverdienen würden. Im ersten Anlauf zum Aufstellungsbeschluss war das Gremium nicht beschlussfähig, weil der Bürgermeister und vier der acht Gemeinderäte persönlich betroffen wären. Erst nachdem ein Acker des zweiten Bürgermeisters Paul Wunderlich - zu dessen Verärgerung - aus dem Gebiet herausgenommen wurde, konnte der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss fassen.

Unmut in der Verwaltungsgemeinschaft

Innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft sorgte das Ansinnen gehörig für Unmut, vor allem in Röttingen. Während die ausgewählte Fläche nämlich mehr als zwei Kilometer von Tauberrettersheim entfernt ist, reicht sie bis auf 900 Meter an den Röttinger Ortsteil Strüth heran. Das Landratsamt, das der Aufstellung eines Flächennutzungsplans zustimmen musste, sah darin zunächst kein Problem. Auch die inzwischen geltende 10H-Regelung, die vorschreibt, dass Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnhäusern entfernt gebaut werden müssen, lasse sich außer Kraft setzen, wenn sich die betroffenen Gemeinden einig sind.

Von Einigkeit konnte hingegen in der VG Röttingen keine Rede sein. Die übrigen Mitglieder machten geltend,  dass der gemeinsame Flächennutzungsplan erst aufgehoben werden kann, wenn seine Zielsetzung erreicht oder die Grundlage für die Ausweisung weggefallen ist. Und so lange gilt, dass außerhalb des Sondergebiets keine Windräder gebaut werden dürfen.

Kein Regelungsbedarf mehr

Die Gemeinde Tauberrettersheim hingegen beruft sich darauf, dass die gesetzlichen Regeln für den Bau von Windkraftanlagen inzwischen sehr viel präziser seien und damit der Regelungsbedarf des  gemeinsamen Flächennutzungsplans nicht mehr gegeben ist.  "Der Gesetzgeber hat die damalige Planungsgrundlage überholt", so der Anwalt der Gemeinde. Außerdem erhofft man sich Schützenhilfe vom neuen Regionalplan, der für den betroffenen Bereich ein sogenanntes Vorhaltegebiet für die Windkraft vorsieht.

"Wir betreten Neuland mit dieser Entscheidung."
Gerhard Weinmann, Vorsitzender Richter

Nach einigem Hin und Her stimmte das Landratsamt schließlich der Aufstellung des Flächennuutzungsplans zu - nicht ohne Bedenken, wie der zuständige Geschäftsbereichsleiter Benedikt Kaufmann während der Gerichtsverhandlung einräumt. Die Materie sei schwierig, eine vergleichbare Rechtssprechung, an der sich die Entscheidung orientieren könnte, gebe es noch nicht. "Deshalb haben wir die Zustimmung erteilt und harren einer gerichtlichen Entscheidung", so Kaufmann.

Rechtswidriger Bescheid

"Wir betreten Neuland mit dieser Entscheidung", betonte auch Vorsitzender Richter Gerhard Weinmann. Die Kammer habe sich des bereits im Vorfeld der Verhandlung intensiv mit dem Fall beschäftigt. Das Ergebnis gibt dem Kläger, der Stadt Röttingen, Recht. Die Zustimmung des Landratsamts sei rechtswidrig, so das mündliche Urteil. Bevor Tauberrettersheim einen eigenen Flächennutzungsplan aufstellen darf, muss der gemeinsame aufgehoben werden. Weil weder die Planungsgrundlage entfallen ist, noch die Ziele erreicht wurden, ist das ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten nicht möglich. 

Die Berufung auf dern Regionalplan hält das Gericht nicht für maßgeblich, weil der Bau von Windkraftanlagen auch in Vorhaltegebieten letztlich von der Entscheidung der betroffenen Gemeinden abhängt. Wenn das Urteil samt schriftlicher Begründung vorliegt, können das Landratsamt oder die Gemeinde Tauberrettersheim Berufung gegen das Urteil beim Verwaltungsgerichtshof beantragen. Angesichts seiner grundsätzlichen Bedeutung geht Vorsitzender Gerhard Weinmann davon aus, dass der Antrag Erfolg haben würde. (AZ: W5K 16.1228)

 
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