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WEIKERSHEIM
Keine Stilettos im Rittersaal
Schloss Weikersheim im Taubertal.
Foto: Thomas Obermeier | Schloss Weikersheim im Taubertal.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:46 Uhr

Monika Menth liebt bequeme Schuhe. Als Leiterin der Schlossverwaltung Weikersheim legt sie täglich lange Strecken zu Fuß zurück, denn die Anlage mit dem berühmten Schlossgarten ist weitläufig. Ab und an kommen aber auch Besucherinnen in hochhackigen Schuhen mit spitzigem Absatz. Dieses Schuhwerk bereitet Menth Kopfschmerzen, denn die Absätze beschädigen den Holzfußboden im Rittersaal. Doch die Mitarbeiter der Schlossverwaltung haben eine Lösung gefunden: Kunststoff-Kappen für die Absätze.

„Unser Rittersaal ist einer der ältesten Renaissance-Säle in Deutschland“, erklärt Monika Menth. Auch sein Holzfußboden stammt noch aus der Entstehungszeit im 16. Jahrhundert und besitzt daher einen außerordentlichen historischen Wert. Da er aus weichem Nadelholz besteht, ist er anfällig für Beschädigungen. Die Schlossverwaltung ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, den einmaligen Saal den Besuchern zu öffnen und zu zeigen, und der Verpflichtung, ihn zu schützen und zu bewahren. Das Land Baden-Württemberg, dem das Schloss gehört, möchte beiden Interessen Rechnung tragen.

Monika Menth von der Schlossverwaltung zeigt im Rittersaal die Kunststoffkappen für Stilettos.
Foto: Thomas Obermeier | Monika Menth von der Schlossverwaltung zeigt im Rittersaal die Kunststoffkappen für Stilettos.

Das Problem tritt nur bei Konzerten auf

Das Problem mit den Stilettos trete eigentlich nur bei den drei bis vier Konzerten auf, die jährlich im Rittersaal stattfinden, sagt Menth. Dafür machen die Damen sich schick. Für manche gehören Schuhe mit spitzen Absätzen zu einer gelungenen Abendgarderobe. Allerdings nicht für viele. „Stöckelschuhe sind nicht gleichbedeutend mit Stilettos“, erklärt die Leiterin der Schlossverwaltung. Die meisten hochhackigen Schuhe, sogar solche mit Pfennigabsatz, können problemlos auch ohne Absatzkappe getragen werden, wenn unten nicht gerade der Stahlnagel herausguckt.

„Bei unserem letzten Konzert hatten wir drei Damen mit problematischen Schuhen“, so Menth. Die seien dezent auf die Seite gebeten worden, wo man ihnen den Sachverhalt erläuterte und die Kunststoffkappen anbot. „Wenn man es erklärt, wird es auch verstanden“, freut sich Monika Menth über die verständnisvollen Reaktionen der Besucherinnen. „Die Alternative wäre, die Schuhe auszuziehen. Aber das macht keine Dame gern.“ Deshalb bekommen Besucherinnen mit Stilettos ein kleines Beutelchen mit den unauffälligen durchsichtigen Kunststoffkappen überreicht, die sie nach dem Konzert mit nach Hause nehmen dürfen. Aufgesteckt werden die Kappen in einem abgetrennten Bereich neben dem Eingang.

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Im schlimmsten Fall splittert der Boden

Die Kratzer, die Stilettos ohne Kappen verursachen, entstehen beim Sitzen während des Konzerts, wenn die Füße auf dem Boden vor- oder zurückgezogen werden. Richtig tiefe Macken aber gibt es, wenn die Damen nicht nur Beifall klatschen, sondern dazu noch mit den Füßen auf den Boden stampfen. Das kommt gar nicht so selten vor. „Es sind tolle, hochkarätige Konzerte bei uns im Rittersaal, die das Publikum begeistern“, sagt Monika Menth. Wenn dabei die Fugen zwischen den Holzdielen getroffen werden, kann der Boden sogar splittern.

Mit Schutzkappen aus Kunststoff richten Stilettos keinen Schaden am Holzfußboden an.
Foto: Gerhard Meißner | Mit Schutzkappen aus Kunststoff richten Stilettos keinen Schaden am Holzfußboden an.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer wieder einzelne, beschädigte Bretter ausgetauscht, oberflächliche Kratzer können sogar abgeschliffen werden. Besser wird der Boden dadurch aber freilich nicht. Zumal das Problem schon länger besteht. „In den 1960er Jahren waren Stilettos sehr in“, berichtet Monika Menth. Schon damals habe der altehrwürdige Boden im Rittersaal gelitten – die Macken sind heute noch zu sehen. In den 1970er Jahren mit ihren breiten Plateausohlen entspannte sich die Lage, und danach kamen Jahre, in denen Bequemtreter ohnehin weit verbreitet waren.

Keine „hupferte Musik“ für den Rittersaal

Ob sich die Bauherren der Renaissancezeit des Problems bewusst waren? Eher nicht. Die Gemälde im Rittersaal zeigen zwar Herrschaften, weiblichen wie männlichen Geschlechts, in hohen Hacken. „Die Absätze waren aber immer breit“, erklärt Monika Menth. Immerhin weiß man dieses: Der Weikersheimer Hofkomponist Erasmus Widmann war von seinem blaublütigen Brotherrn angewiesen worden, Musik für den Rittersaal zu komponieren. Die Kompositionen sollten aber der Pracht des Raumes angemessen sein. Ausdrücklich verboten wurde Widmann deshalb „hupferte Musik“.

Der alte Holzfußboden im Rittersaal hat schon einige Schäden davongetragen.
Foto: Thomas Obermeier | Der alte Holzfußboden im Rittersaal hat schon einige Schäden davongetragen.

Der Rittersaal wird auch im Rahmen von Schlossführungen gezeigt. Deren Teilnehmer allerdings wählen für gewöhnlich bequemes Schuhwerk. „Einmal war ein Radfahrer mit Pedalbindung an den Schuhen dabei“, erinnert sich die Leiterin der Schlossverwaltung. „Den haben wir gebeten, die Schuhe auszuziehen.“ Der Mann zeigte Verständnis und wandelte in Socken durch den 40 Meter langen und zwölf Meter breiten Saal.

Möbel und Wände müssen ebenfalls geschützt werden

Dem wertvollen Interieur schaden indessen nicht nur spitze Absätze. Besucher, die sich ermüdet gegen bemalte Wände lehnen oder ehrfurchtsvoll über die schönen Möbel streicheln: All das muss die Schlossverwaltung berücksichtigten. Im Rittersaal sind deshalb seit Kurzem die Wände mit Kordeln abgetrennt, und einige der alten Möbel in anderen Bereichen den Schlosses werden demnächst aus der Reichweite der Besucher gebracht: Schützen und bewahren, dafür ist Monika Menth verantwortlich.

 
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  • A. L.
    Manchmal rutschen uns leider diese Fehler durch, deswegen freuen wir uns über Ihre Hinweise. Danke, wir haben es ausgebessert!
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  • C. K.
    Werter Arcus,
    Sie müssen sich ja nicht für modische Vorlieben und Looks interessieren, oder gar für weibliches Schuhwerk, wenn Sie keinen Draht dazu haben.

    Aber ein bisschen Stil und Respekt vor dem buchstäblichen Auftreten der holden Weiblichkeit, die gerne mal in HighHeels und Stilettos 👠 zur Abendgarderobe erscheint, sollte Frau erwarten dürfen, ohne von Ihnen als "rabiat" verunglimpft zu werden!

    Ich pers. finde die gefundene behutsame Lösung der Schloßverwaltung ein gelungenes Beispiel für eine liberale, tolerante Gesellschaft, die Verbote nur dann ausspricht, wenn es unbedingt nötig und unvermeidbar ist. 😎
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    Bin ja gar nicht generell gegen highheels.
    Aber nicht dann, wenn damit ein zerstörerisches Werk begangen wird😜, und auch dann, wenn die holde Weiblichkeit beim Laufen ein Mindestmaß an Eleganz unterschreitet. Ich muss das letztere mehrmals täglich über mich ergehen lassen, wenn ich aus meinem Bürofenster schaue. Glauben Sie mir. Es tut meiner Seele weh.
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    Warum müssen die rabiaten Frauen nicht einfach die Schuhe ausziehen?
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