Vor fünfeinhalb Jahren, im Dezember 2011, stand eine damals 63-Jährige auf der Straße – und die Gemeinde wies ihr ein Zimmer in einer Notunterkunft zu. Das müssen Kommunen für Bürger tun, die plötzlich obdachlos werden und sich keine eigene Wohnung leisten können.
Die Zuweisung wurde immer wieder verlängert. Zwei Jahre später, im November 2013 bekam die Frau eine andere „Verfügungswohnung“. Auch diese Zuweisung wurde immer wieder verlängert – und die Bewohnerin immer wieder aufgefordert, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Sie tat es nicht.
Nicht weit weg von Würzburg
Im Juli 2016 wollte die Gemeinde der Frau erneut einer anderen Unterkunft unterbringen, weil ihr Zimmer so umgebaut werden sollte, dass mehrere Obdachlosen dort wohnen können. Aber die Frau zog nicht aus. Auch als die Kommune sie im Oktober 2016 zur Räumung verpflichtete, blieb sie, wo sie war – und klagte gegen die Gemeinde.
Ihre Argumente: Sie, die nach Angaben der Gemeinde ein Auto hat und schon seit zwei Jahren keinen Wohnberechtigungsschein mehr beantragt, finde keine bezahlbare Wohnung ganz nah an Würzburg und als 80-Prozent-Schwerbehinderte könne sie nicht weiter weg von ihren Ärzten ziehen.
Gemeinde hat einen Verdacht
Die Gemeinde, der sie jeden Monat 188 Euro „Nutzungsentgeld“ zahlen muss, hat einen Verdacht: Man gehe davon aus, dass die 68-Jährige, die knapp über 1000 Euro Rente bekommt, lieber in einer billigen Notunterkunft wohne als in einer deutlich teureren Wohnung vom freien Markt. Und das, obwohl sie verpflichtet sei, durch „intensive Bemühungen selbst ihre Obdachlosigkeit zu beseitigen“. Schließlich sei ihre Rente deutlich höher als jene 660 Euro, die die Rechtsprechung als Grenze für „eine Obdachlosigkeit im Rechtssinne“ ansehe.
Bei der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht war die Frau, die schon im November ihre Unterkunft hätte räumen müssen, nicht dabei. Ihr Anwalt trug vor, dass seine Mandantin einfach nichts Passendes finde. Und wegen ihrer Behinderung könne sie auch nicht in ihrem Auto übernachten.
Hilfsangebot ausgeschlagen
Die Anwältin der Gemeinde erzählte dem Gericht, dass man der 68-Jährigen durchaus habe helfen wollen. Zum Beispiel durch den Einsatz einer Sozialpädagogin. Aber die Frau habe das Angebot ausgeschlagen.
Im Übrigen halte sie die Verwaltung ziemlich auf Trab. Zum Beispiel bleibe sie die Nebenkosten für ihre Unterkunft schuldig und man habe Strafverfahren gegen sie einleiten müssen. Letztere seien eingestellt worden – und die Staatsanwaltschaft habe angeregt, die 68-Jährige unter Betreuung zu stellen, was bislang aber nicht geschehen sei.
„Rente deutlich über Durchschnitt“
Dass die Frau, deren Altersbezüge „erheblich über dem Durchschnitt der Rente für Frauen im Westen“ liege, nach fünfeinhalb Jahren immer noch keine eigene Wohnung habe, ändere nichts daran, dass Menschen in ihrer finanziellen Situation einfach keinen Anspruch auf Obdachlosenunterbringung haben, sagt die Anwältin. Trotzdem sei die Gemeinde ihr gegenüber großzügig gewesen und habe „aus humanitären Gründen“ von einer Räumung im Winter abgesehen.
Der Vorsitzende Richter bescheinigte der Kommune „große Geduld“. Anspruch auf eine Notunterkunft habe nur, wem es nicht zumutbar sei, „angemessenen Wohnraum mit eigenen oder Mitteln des Sozialhilfeträgers zu beschaffen“, sagt er in der Verhandlung.
Die Kammer hat die Klage der 68-Jährigen abgewiesen. Ihrem Anwalt hat die Frau bereits gesagt, dass sie im Fall einer Räumung „vor dem Rathaus campieren“ wolle.