Als das Urteil fiel, blies Mario W. empört seine Backen auf. Neun Monate lang hatte der Drogenkurier mit seinen drei Anwälten einen hohen Aufwand vor Gericht getrieben - und fast einen Skandal provoziert. Er nährte den Eindruck, das Landeskriminalamt (LKA) habe bei W.'s kriminellen Geschäften im Rockermilieu schützend die Hand über ihren damals erfolgreichen Spitzel gehalten.
Doch so viele Hinweise auf zweifelhaftes Verhalten seine Verteidigung ausgrub: Am Ende erschienen Mario W.'s wechselnde Erklärungen zu dem Thema dem Gericht um den Vorsitzenden Konrad Döpfner nicht glaubhaft genug. Es war nicht überzeugt, dass das LKA von der Einfuhr von zehn Gramm Crystal für einen Rockerboss im Oktober 2011 wusste – geschweige denn, ihn dazu animiert hätte. Mario W. (der seit Dezember 2011 in Haft ist) wurde zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt – und verkündete am Mittwoch sofort: „Wir gehen in Revision“.
LKA mauerte
Damit endete (vorläufig) ein spektakuläres Verfahren in Würzburg, das im Innenministerium in München Unruhe ausgelöst hatte. Der Fall brachte zweifelhafte Praktiken des LKA ins Gespräch. Das mauerte im Zeugenstand, verschanzte sich hinter Sperrerklärungen (angeblich, um andere Ermittlungen nicht zu gefährden). Der Eindruck entstand, das Gericht werde bei der Wahrheitsfindung massiv behindert.
Akten wurden nachträglich verändert (als das Würzburger Gericht sie anforderte) und Vorgesetzte im LKA offenbar wohl nur so informiert, dass keine Aufregung entstehen sollte – was gründlich schief ging. Innen-Staatssekretär Gerhard Eck bekam ungenügende Informationen vom LKA und Prügel im Landtag, als sich sein Bericht dort als allzu lückenhaft herausstellte. Zeitweise war von einem Untersuchungsausschuss die Rede.
Manche hätten auch gerne gesehen, wenn an dem unterfränkischen CSU-Chef Eck der Verdacht kleben geblieben wäre, er habe zugunsten einer aufstrebenden Parteifreundin an einer Vertuschung mitgewirkt. Die ist mit dem LKA-Beamten verheiratet, der den Spitzel im Auftrag des LKA „führte“. Belege für eine politische Einflussnahme gab es dann zwar nicht, der Ruf der Politikerin war nach diversen Veröffentlichungen trotzdem nachhaltig geschädigt.
Geheimer Zwischenberich
Verteidiger Alexander Schmidtgall trieb jede Menge bisher unbekannter Fakten auf, die das LKA ins Zwielicht tauchten, darunter den bis dahin geheimen Zwischenbericht interner Ermittlungen beim LKA. Zeitweise schien es in den 20 Verhandlungstagen, als ginge es nicht um die Rauschgiftgeschäfte von Mario W., sondern das LKA säße auf der Anklagebank. Die Beamten sollen –wenn man Schmidtgall und seinen Kollegen Norman Jacob und Hanjo Schrepfer glauben darf - mehr als ein Auge zugedrückt haben, wenn sich der Angeklagte mit den Rockern etwa am Diebstahl dänischer Bagger beteiligte.
Das Problem des Angeklagten war, dass er die jeweils erzählte Wahrheit den Erfordernissen der jeweiligen Situation anpasste – ganz gleich, was er zuvor erzählt hatte. Das tat er bei Ermittlern, denen er bald diesen und bald jenen Komplizen präsentierte. Das machte er auch mit Journalisten, denen er Geschichten von einer verschwundenen Prostituierten, geschmuggelten Münzen oder einem im Rockerauftrag gemeuchelten Anwalt präsentierte – der während der Beweisaufnahme aber putzmunter wieder auftauchte. Was Wahn und was Wirklichkeit war, wusste Mario W. am Ende vermutlich selbst nicht mehr so genau.
Am Ende hörte ihm nur noch ein kleiner Kreis von Unterstützern im Gerichtssaal zu, die glaubten, er sei – wie sie – ein Opfer der Justiz. W. hatte (so ist zumindest der Eindruck des Gerichts) das Problem, in drei Leben gleichzeitig sein zu müssen: Als aufstrebender Rocker in der abgeschotteten Welt der kriminellen „Bandidos“ machte er Karriere. Gleichzeitig wurde der Spitzel für das LKA immer interessanter, je näher er der Spitze der Regensburger Rocker (mit Querverbindungen auch ins rechtsextreme Milieu) kam. Und daneben ging er eigenen kriminellen Geschäften nach – obwohl er vom LKA immer wieder belehrt wurde, genau das nicht zu tun.
Mario W. genoss es, durch Berichterstattung im Scheinwerferlicht zu stehen. Erkennbar gerne hörte er in den vergangenen Wochen, er sei als V-Mann ungewöhnlich erfolgreich gewesen. Im bürgerlichen Leben war er immer wieder gescheitert, mit 7,5 Millionen Euro Schulden ins Milieu abgedriftet. Er lebte von Straftaten – ohne Rücksicht auf andere, wie er in abfälligem Ton nicht nur über die ausspionierten kriminellen Rocker zugab.
Seiner arbeitslosen Tochter verhalf er zu Einkommen, indem er ihr Drogen aus Tschechien besorgte. Die verkaufte sie in der Kitzinger Rauschgiftszene weiter. Das brach dem Spitzel das Genick: Würzburger Drogenfahnder ermittelten gegen die Tochter und ihren Lieferanten. Das LKA geriet in Verdacht, diesen Einsatz verraten zu haben, um seinen V-Mann zu schützen. Diese Drogengeschäfte (mindestens sechs) brachten Vater und Tochter in Haft, weil unterfränkische Fahnder den Fall - trotz Verrats - hartnäckig bis zum Schluss verfolgten.
Bis heute muss man aufpassen, wie er seine Darstellung je nach Bedarf der Lage anpasst. Das machte der Vorsitzende Döpfner in seinem Urteil deutlich. In 35 Prozesstagen im ersten Verfahren 2013 war nie die Rede davon gewesen, dass W. im Auftrag des LKA Drogen besorgt hatte – obwohl ihn die Ermittler daraufhin wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen hatten. „Das hätte ich dem Norbert sagen sollen,“ jammerte er nach seiner Festnahme nach Angaben von Zeugen. Norbert ist der Vorname seines LKA-„Führungsoffiziers“, zu dem W. zeitweise ein vertrautes Verhältnis hatte.
Erst als ihm dies im zweiten Durchlauf nützlich schien, brachte er die neue andere Version. Plötzlich hatte ihn „Norbert“ regelrecht gedrängt, die zehn Gramm Crystal zu besorgen, um Ermittlungen gegen den Rockerboss zu fördern. Wiederholt kündigte W. im Prozess an, eine Email zu präsentieren, die beweisen sollte: Er habe das LKA im Vorfeld über den Drogenkauf in Tschechien informiert. Es blieb aber bei der mehrfachen Ankündigung. Tatsächlich tauchte nie eine Email auf, wie das Gericht im Urteil erwähnte.
Vieles würde man W. nicht glauben, gäbe es nicht interne Ermittlungen der Nürnberger Kripo beim LKA, die Teile seiner Darstellung bestätigen. Sechs LKA-Beamte stehen in einem separaten Ermittlungsverfahren unter Verdacht, Straftaten begangen zu haben: Rechtzeitige Kenntnis an einem Baggerdiebstahl W.'s, Falschaussagen vor Gericht, Strafvereitelung im Amt, mögliche unzulässige Beeinflussung des ersten Würzburger Prozesses. Die Beamten, darunter langjährige V-Mann-Führer, bestreiten, straffällig geworden zu sein. Man darf gespannt sein, ob sie in Nürnberg manche Ungereimtheit erklären können.
Verteidiger Alexander Schmidtgall sagte, die Beweisaufnahme in Würzburg habe ein „System“ offengelegt, mit dem das LKA „Top-V-Mann“ Mario geführt habe: Sein Mandant habe Straftaten begangen „zum Wohl eines übergeordneten staatlichen Interesses“.
Das Gericht hielt das zumindest im hier angeklagten Fall für falsch und sah keine provozierte Tat. Subjektiv könne der V-Mann den Eindruck gehabt haben, das LKA pauke ihn immer wieder heraus, wenn er erwischt würde. Tatsächlich fehle dafür aber jeder Beweis.
Ob der Fall Mario W. nun erneut in Revision geht, und zum dritten Mal vor Gericht in Würzburg landet, ist ungewiss. W. sitzt seit annähernd fünf Jahren wegen diverser Delikte in Haft. Verzichtet er auf einen dritten Durchgang, hätte er in etwa fünf bis sechs Monaten zwei Drittel seiner Strafe verbüßt und könnte auf freien Fuß kommen. Besteht er auf einer Revision, sitzt er wohl weiter in der Zelle – mit ungewissem Ausgang.
Der Ruf des LKA ist durch das zweifelhafte Verhalten sechs seiner Mitarbeiter nachhaltig geschädigt. Norbert K. Der Ehemann der aufstrebenden CSU Politikerin Barbara B. ist vom Dienst suspendiert. Wenn jemand vom Dienst suspendiert wird, dann müssen schwerwiegende Vorwürfe vorliegen. Der Ruf der Barbara B. in der unterfränkischen Öffentlichkeit ist vor allem deshalb geschädigt, weil sie einer Partei angehört, die bei Verfehlungen gerne schnell nach harter Bestrafung ruft.
Zudem hat ihr Ehemann Norbert K. seine Mitbürger in dem kleinen Wiesenbronn ausspioniert und das kommt bei den Einwohnern überhaupt nicht gut an.
Die Berichterstattung über den Prozess durch die unterschiedlichen Zeitungen / Medien vermittelten manchmal den Eindruck als ob die Schreiber in unterschiedlichen Verhandlungen saßen.
Sind wir gespannt obs zu einer 3ten Runde kommt.
endlich mal einer der sich traut gegen die christlichen was zu sagen
die denken immer noch sie bestimmen in Bayern und evtl auch in Deutschland