
Bayerns Sozialgerichte werden derzeit von einer Klagewelle der Krankenkassen gegen Kliniken überrollt. 460 solcher Klagen seien innerhalb von gut drei Tagen allein am Würzburger Sozialgericht eingegangen, sagt Präsident Wolfgang Schicker auf Anfrage dieser Redaktion. Im ganzen Freistaat waren es 14 000. Hintergrund ist eine Änderung des Krankenversicherungsrechts. Bisher hatten Kassen und Krankenhäuser vier Jahre Zeit, um Rückforderungen beziehungsweise Leistungen einzuklagen. Jetzt sind es nur noch zwei. Die Folge: Es wird massiv geklagt – und die Gerichte „haben ein Problem“.
Ausnahmesituation für das Würzburger Sozialgericht
Denn die kürzere Verjährung gelte nicht nur für zukünftige Streitigkeiten, sondern auch rückwirkend, sagt Schicker. Bis zum 9. November mussten deshalb Klagen zu alten Fällen aus den Jahren 2015 und 2016 eingereicht werden, quasi in letzter Minute. Was auch massenhaft geschah. „Wir gehen davon aus, dass sich das Volumen in Würzburg noch verdoppeln wird“, sagt Schicker. Denn einige der 460 Klagen fassten mehrere Streitpunkte zusammen und würden vom Gericht wieder getrennt. Um die 900 Klagen kommen letztendlich wohl auf die 15 Richter am Würzburger Sozialgericht zu. Üblicherweise seien es im Krankenversicherungsrecht geschätzt nur etwa 100 pro Jahr. Eine Ausnahmesituation. „Damit konnten wir nicht rechnen“, sagt Schicker. „Wir wissen im Augenblick nicht, wie wir das machen sollen.“
Ähnlich sieht es an anderen bayerischen Sozialgerichten aus. Die momentane Klagelust beschäftige „rechnerisch drei Sozialgerichte wie Nürnberg, Regensburg und Würzburg zusammen über ein ganzes Jahr“, teilte der Präsident des Bayerischen Landessozialgerichts Günther Kolbe mit. Er forderte dafür deutlich mehr Personal und kritisierte die „Hau-Ruck-Aktion“ der Bundespolitik, die die „Klagelawine“ ausgelöst habe.
GKV: Politik hätte Klagewelle verhindern können
Der Bundestag hatte die kürzeren Verjährungsfristen für Streitfälle zwischen Kassen und Kliniken im Zuge des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes beschlossen. Sie gelten nicht nur für die Zukunft, sondern eben auch rückwirkend – und das vor allem ärgert den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Kassen seien so gezwungen worden, schnell noch Klage einzureichen, um die Ansprüche der Beitragszahler nicht zu verlieren, sagt Verbandsprecher Florian Lanz. Hätte der Gesetzgeber auf die Rückwirkung verzichtet, wäre Zeit gewesen, viele „Fälle im Dialog beispielsweise mit den Krankenhäusern zu klären“. Laut Lanz hätten so „die allermeisten dieser Klagen vermieden werden können“.
In Berlin allerdings wurde anders entschieden. Und das merken jetzt die Sozialgerichte.

Wie viele Kliniken in Bayern konkret verklagt werden, sei noch unklar, heißt es von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. „Wir gehen von mehreren Tausend Fällen aus“, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Bei den Auseinandersetzungen gehe es beispielsweise um die Verweildauer von Patienten im Krankenhaus oder um die Frage, ob eine stationäre oder ambulante Behandlung nötig gewesen sei.
Und um viel Geld. Insgesamt ginge der Streitwerte in Würzburg sicher in die Hunderttausende, sagt Sozialgerichts-Präsident Wolfgang Schicker. Für das komplette Jahr 2018 hatte das Gericht mit 4100 Klagen gerechnet, zu allen Themen, ohne die plötzlich aufgeschlagenen 460 Zusatzklagen. Personelle Unterstützung wird wohl nötig. Was aber heißt die Klagewelle für andere Kläger – bleiben deren Akten nun liegen? Wenn möglich nein, sagt Schicker. Um das zu erreichen, würden Klagen der Kassen eventuell zunächst hinten angestellt. „Wir wollen versuchen, dass es keine Verzögerungen für die normalen Verfahren gibt“, sagt der Gerichtspräsident. „Auszuschließen ist es aber nicht.“
Wenn die Kassen jammern, dass die Angelegenheiten rückwirkend verjähren und sie "gezwungen" sind noch schnell zu klagen, dann sollen sie es halt lassen!
Der Effekt wäre derselbe wie wenn es keine Rückwirkung gäbe.
Die Kassen wären die ersten, welche sich an Gesetze halten würden...
lieber Franken_ist_nicht_Bayern.
Gruß