
Karla Paul liebt Bücher und und will andere Menschen für Literatur begeistern. Wie sie sich dank sozialer Medien in der Szene einen Namen gemacht hat.
Schinkenstangen. Eines der Dinge, die Karla Paul mit ihrer Heimat Würzburg verbindet. Wenn sie zu Besuch ist, kauft sie sie gleich im Dutzend. „Und das, obwohl ich eigentlich Vegetarierin bin“, sagt sie. „Meine Eltern müssen immer lachen, wenn ich dann zehn auf einmal esse. Aber das ist wie Aufladen.“ Schinkenstangen, fränkisches Schwarzbrot und Krapfen zu Fasching – das ist der Geschmack der Kindheit und Jugend, der Geschmack einer Zeit, die den Grundstein gelegt hat für das, was Karla Paul heute ist: Literaturlobbyistin.
Die 35-Jährige hat diesen Begriff „kreiert“, weil es, wie sie sagt, keine Berufsbezeichnung gibt, die die Vielfalt ihres Tuns widerspiegelt. „Ich hab' Bock auf so Vieles. Ich bin so neugierig aufs Leben – also im wahrsten Sinn des Wortes gierig auf Neues.“ Vor allem ist sie eine Leseratte. Von Kindesbeinen an liebt sie die großelterliche Bibliothek und liest alles, was ihr zwischen die Finger kommt. Alles! Egal, ob es für ihr Alter geeignet ist oder nicht.
Nach dem Abitur studiert Karla Paul Betriebswirtschaft und Mediendesign in Würzburg und München. Schnell kommt sie bei den großen Verlagen Holtzbrinck und Hoffmann & Campe in leitende Funktion, mit Anfang 30 ist sie Verlegerin bei der Edel AG, einem Medienkonzern, der für Labels und Verlage Dienstleistungen wie Vermarktung, Fertigung und Produkt-Vertrieb anbietet. Heute ist sie selbstständig – und Wahl-Hamburgerin. Als Journalistin und Autorin hält Karla Paul Seminare und Vorträge, unter anderem über soziale Medien, gibt Buchtipps auf allen Kanälen und hat sich einem Ziel verschrieben: andere für Literatur zu begeistern.
Schon in einem Studienprojekt ruft die Würzburgerin 2006 im Internet eine eigene Seite, die „Buchkolumne“, sowie einen Podcast ins Leben. Was dazu führt, dass eine breite Öffentlichkeit auf sie aufmerksam wird. „Der Podcast hatte schnell 5000 Abonnenten, was für die damalige Zeit echt irre war. Das konnte ich nicht absehen, dass das so erfolgreich wird“, sagt Karla Paul im Rückblick.
Sie bekommt erste Aufträge und erkennt das Potenzial des Internets. Heute folgen ihr auf Instagram, Twitter und Facebook zusammen rund 38 000 Menschen. Kein Vergleich zu Instagram-Größen wie den Fußballern Toni Kroos (19,3 Millionen Follower), Thomas Müller (sechs Millionen) oder der bekannten deutschen Mode- und Lifestyle-Influencerin Bianca „Bibi“ Heinicke (sechs Millionen). Doch in der Buchbranche gehört Karla Paul zu einer der digital bestvernetzten und bekanntesten Akteurinnen.
Dabei vergisst die Literaturlobbyistin nie, wo sie herkommt. Sie spricht Hochdeutsch, doch der Klang des fränkischen Dialektes, sagt sie, „stößt in meinem Bauch nach wie vor etwas Heimatliches an“. Sobald sie Fränkisch hört, spürt sie ihre Verbundenheit zu Würzburg, zu ihrem Geburtsort Höchberg und ihrer Familie. Hier hat auch ihre Affinität zu Büchern ihren Ursprung. Schon früh verbringt Karla Paul ihre Zeit lieber mit Büchern als auf dem Spielplatz oder unterwegs mit anderen. Sie ist Ausleihkönigin in der Gemeindebibliothek und Vorlesemeisterin in der Grundschule. Ein geliebter Ort wird auch die Würzburger Stadtbücherei. „Ich habe sehr früh angefangen, Erwachsenenbücher zu lesen und hatte da zum Glück auch keine Begrenzungen“, sagt Karla Paul. So habe sie auch ein breites Bild von Literatur bekommen. Der Preis dafür: Oft habe sie sich einsam gefühlt. „Nur Erwachsene haben so viel und das Gleiche gelesen wie ich. Ich war echt uncool“, erinnert sie sich und genießt es umso mehr, dass ihre Liebe zu Büchern heute als „cool“ gilt.
Deprimierend findet sie nur, dass es keine Chance gibt, je alle Bücher zu lesen, die auf dem Markt sind. Allein 100 000 Neuerscheinungen gibt es in Deutschland jedes Jahr im Printbereich. Längst musste die 35-Jährige sich gewöhnen, dass sie die beiden zwei Meter hohen Stapel an Verlagsvorschauen, die sie jedes Jahr bekommt, und die zwei bis drei Dutzend Bücher, die sie wöchentlich erhält, nicht komplett sichten kann – obwohl sie drei bis fünf Titel pro Woche liest. Da wird dann das ein oder andere Buch auch mal nur überflogen.
Denn Karla Pauls Job ist es, den Leser aus dem Dickicht zu führen, Literatur für ihn einzuordnen. Das macht sie in Fernsehsendungen wie dem ARD-Mittagsbuffet, aber vor allem über die Sozialen Medien. Und wer Paul folgt, merkt schnell, dass sie ihre Reichweite auch für andere Themen nutzt.
Feminismus zum Beispiel. Sobald sie anfing, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, habe sie gemerkt, dass das Thema online auf großes Interesse stößt. Viele Frauen suchten nach einem Rollenmodell, sagt Karla Paul, die sich als Beispiel für eine moderne Feministin versteht. Eine, die nicht poltert, schimpft und fordert, sondern eine, die auf Zusammenhalt unter Frauen setzt und auf gegenseitige Unterstützung. Sie will ihre Geschlechtsgenossinen für die Selbstliebe sensibilisieren, macht aber auch auf Mängel in Politik und Gesellschaft aufmerksam – wie die noch immer unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen. „Ich dachte mir, es ist schade, wenn ich meine Reichweite nicht auch für politische Themen nutze.“ Vor wenigen Wochen ist dazu ein Text von ihr erschienen: im Buch „The Future is Female“, das versucht zu bündeln, was unterschiedliche Frauen über Feminismus denken: Emma Watson, Bridget Jones, Keira Knightley . . . und eben auch Karla Paul.