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WÜRZBURG
Karl Albert Dauthendey: erster Fotograf auf deutschem Boden
Karl Albert Dauthendey gilt als der erste Fotograf auf deutschem Boden. Bevor er in Würzburg ein Atelier betrieb, war er Hoffotograf beim Zar in Petersburg. Darüber schreibt vor 100 Jahren sein Sohn Max Dauthendey in dem Roman „Der Geist meines Vaters“.
Karl Albert Dauthendey und Charlotte Karoline Friedrich.
| Karl Albert Dauthendey und Charlotte Karoline Friedrich.
Von unserem Mitarbeiter Peter Thiel
 |  aktualisiert: 08.09.2012 12:02 Uhr

Karl Albert Dauthendey und Max Dauthendey – Vater und Sohn – sind namhafte Repräsentanten des historischen Würzburg. Dabei ist der Junior der bekanntere der beiden: Dauthendey-Gesellschaft, Dauthendey-Schule, Dauthendey-Straße, all diese ehrenvollen Zuwendungen gelten dem Sohn, dem bekannten Lyriker und Erzähler Max Dauthendey.

1912 – vor hundert Jahren also – veröffentlichte dieser den lesenswerten Roman mit dem Titel „Der Geist meines Vaters“. Darin schildert er unter anderem das wechselvolle Leben des Seniors, des „ersten Fotografen auf deutschem Boden“. Vor allem aber setzt er sich mit der oft angespannten Vater-Sohn-Beziehung auseinander. Der Vater ein rastloser und technikbesessener Gründertyp, der Junior hingegen ein zartbesaiteter Musensohn: Selten nur liegen die beiden auf einer Wellenlänge. „Mir liegt die Liebe für Maschinen und alles was damit zusammen hängt im Blut, Du aber hast keinen Sinn dafür, bist ein Träumer“, zitiert der Dichter den enttäuschten Vater, der sich einen homo technicus als Sohn vorgestellt hatte, vor allem einen, der das renommierte Würzburger Fotounternehmen weiterführt. Doch der Sohn beißt nicht an.

Der Fotograf Karl Albert Dauthendey ist kein geborener Würzburger. Erst Ende 1863 lässt er sich – als „Russlandheimkehrer“ – in der Mainstadt nieder. Als urdeutsch empfindet er Würzburg, als besonders liebenswert. In diesem Ambiente will er nach aufregenden Jahren seine Berufslaufbahn als Fotograf beenden.

Diese beginnt 1841 in Leipzig: Der damals 21-Jährige arbeitet bei einem Optiker. Dem bietet eines Tages ein reisender Franzose eine „Camera obscura“ an. Mit solch einem Modell arbeitete auch dessen Landsmann Daguerre, als er zwei Jahre zuvor die Fotografie erfand. Der „Fahrende“ legt – sozusagen als Beweisstücke – einige Daguerreotypie-Platten vor, verrät aber nichts über das Prozedere zur Bildherstellung. Der Kauf kommt zustande, dem Meister freilich mangelt es anschließend an Geduld. Bald hat er den „Pariser Schwindel“ satt, der schwarze Kasten landet auf dem Speicher.

Dauthendey seinerseits aber fängt Feuer. „Da ist was dran“, sagt er, erwirbt die Box und beginnt zu experimentieren, privat, nebenher. Ein Gärtnerbursche und ein Dienstmädchen sind seine geduldigen Models. Da die sich ständig wiederholende Prozedur im Freien stattfindet, werden auch Außenstehende darauf aufmerksam. Die Gerüchteküche brodelt, bald machen wilde Spekulationen die Runde. Dann endlich doch ein greifbares Ergebnis: Auf der gesilberten Kupferplatte erscheint ein kleines Dreieck, der Halsausschnitt des Dienstmädchens. „Heureka“, ruft der Besessene, „ich hab's“. In Würzburg wird er dem Sohn später berichten: „Das war der schönste Moment meines Lebens“.

Bei der Leipziger Ostermesse 1842 geht Dauthendey mit seinen Daguerreotypien an die Öffentlichkeit. Es folgen nicht nur lukrative Aufträge, er wird auch an den Dessauer Herzogshof berufen. In der kleinbürgerlichen Enge des Anhaltschen Städtchens aber hält es ihn nicht lange. Mit einem Empfehlungsschreiben der Herzogin – sie ist die Schwester der Zarengattin - macht er sich schließlich auf nach St. Petersburg, den dortigen Hof fest im Visier.

Die ersten Monate an der Newa werden zum Fiasko. Der Zugang zum Hofe bleibt ihm versagt, da er die nötigen Bestechungsgelder nicht aufbringen kann. Sein Optimismus wird auf eine harte Probe gestellt. Kurzfristig kehrt er nochmals nach Deutschland zurück, um sich mit neueren Verfahren der Fotografie vertraut zu machen.

Dann, zurück in Petersburg, gelingt der Durchbruch: Die Geliebte des Zaren ist es, die ihm dazu verhilft. Ein Album für Nikolaus I. gibt sie in Auftrag, ein Werk mit mehr als 60 Porträts namhafter Persönlichkeiten aus dem Umfeld des Zaren. „Das Gedränge der an- und abfahrenden Kutschen vor des Vaters Atelier war wochenlang so groß, dass die Polizei eingreifen musste. 20 Maler wurden verpflichtet, um die Bilder zu kolorieren“, schreibt der Junior.

Der Fotograf Karl Albert Dauthendey ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere, er verkehrt bei Hofe ebenso selbstverständlich wie in höchsten gesellschaftlichen Kreisen.

Dann wendet sich das Glück: Seine junge Frau nimmt sich das Leben. Mit dem Amtsantritt des Reform-Zaren Alexander II. verschwinden maßgebliche Gönner von der politischen Bühne. Zudem gibt es Verwicklungen mit den Behörden: Das Atelier soll abgerissen werden, da die Baugrenzen geringfügig überschritten sind. „Nichts wie heim ins Reich“, sagt der Genervte. Doch dann ergeben sich nochmals neue Perspektiven: Er macht Versuche zur Mikro- und Farbfotografie und begeistert sich für die Foto-Lithografie.

Familiäre Gründe sind es schließlich, die den Ausschlag zur Rückkehr nach Deutschland bewirken. Dauthendey – inzwischen wieder verheiratet – hatte zwei seiner Töchter in Preußen evangelisch erziehen lassen. Die Behörden missbilligen das, drohen, die weiteren Kinder in ein orthodoxes Kloster zu stecken. Das ist zu viel: 1862 packt die Familie die Koffer. Etliches an historisch wertvollem Bildmaterial bleibt zurück.

Auf der Suche nach einem neuen Domizil fasst Dauthendey in Würzburg Fuß, erwirbt ein Haus im Mainviertel. Dort wird 1867 als Nachkömmling Sohn Max geboren.

In der Stadtmitte entsteht ein großräumiges Atelier, Dauthendey fotografiert nicht nur, er tüftelt auch weiter an einem Farbverfahren. Eine langjährige Freundschaft verbindet ihn mit Konrad Röntgen. Die vielen Höhepunkte und Tiefschläge seines Lebens, Sohn Max hört sie wieder und immer wieder. Und als der Dichter später den nötigen Abstand zu den Würzburger Jahren gefunden hat, schreibt er sie nieder. Der „Geist des Vaters“, er überschattet mit unerfüllbaren Erwartungen die jungen Jahre der keimenden Dichterseele. Doch bei der Lektüre des Buches spürt man: Max Dauthendey trägt dem Vater nichts nach, hat seinen Frieden mit ihm gemacht. Karl Albert Dauthendey, „der erste Fotograf auf deutschem Boden“ verstirbt 1896 in Würzburg. Ziemlich vereinsamt, wie es heißt.

Evangelischer Pfarrer aus Sondersleben, fotografiert 1847.
| Evangelischer Pfarrer aus Sondersleben, fotografiert 1847.
Kinder aus der Petersburger Oberschicht.
| Kinder aus der Petersburger Oberschicht.
Junge Damen aus besseren Kreisen.
Foto: Karl Albert Dauthendey | Junge Damen aus besseren Kreisen.
Der junge Dichter Max Dauthendey, porträtiert von seinem Vater.
| Der junge Dichter Max Dauthendey, porträtiert von seinem Vater.
 
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