Paul Lehrieder gilt als nett, charmant und freundlich. Als ein lieber Schwiegersohn vom Lande eben. Als jemand, der keiner Fliege was zu Leide tun kann. Und politischen Einfluss trauen ihm nur wenige zu. Stimmt das? „Nein, natürlich nicht“, würde Paul Lehrieder jetzt antworten und in schnell gesprochenen Sätzen das Gegenteil schildern. Glaubhaft. Denn der Bauernsohn aus Gaukönigshofen kann auch anders. Vor allem kann er ziemlich widerspenstig sein – nicht immer zur Freude seiner Partei.
Es ist einer von vielen Alltagsterminen: Morgens um elf, Scheckübergabe bei der Caritas in Würzburg. Lehrieder kommt als Vorsitzender des Fördervereins Wärmestube und nimmt eine Spende von 3000 Euro entgegen. Routiniert posiert er für Fotos, schmeichelt den Damen, ist locker. Und doch ist dieser Termin kein gewöhnlicher. Denn er zeigt eine Seite des Bundestagsabgeordneten, die nicht so in der Öffentlichkeit steht.
Der CSU-Politiker sorgt sich um Obdachlose. Drei- bis viermal im Jahr hält er in der Wärmestube in Würzburg eine Sprechstunde ab. Lehrieder versucht zu helfen. Bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche beispielsweise. Teilweise berät er die Menschen auch in juristischen Fragen. „Wenn der Bundesadler im Briefkopf ist, hat das manchmal eine ganz andere Wirkung,“ sagt der Jurist Lehrieder. Und ernsthaft fügt er hinzu, dass es durchaus auch Aufgabe der Politik sein muss, die „harten Fälle“ wieder in Lohn und Brot zu bekommen.
Sagt er das nur, weil er als Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales diese Floskeln sogar im Traum aufsagen kann, oder meint er das ernst? Wäre er nicht im Bundestag, dann würde er sich vielleicht auch für diese Menschen einsetzen, sagt er. Quasi als Anwalt der kleinen Leute. Die Wurzeln für diese soziale Einstellung sind wohl in seiner Herkunft zu suchen.
Lehrieder ist auf dem Land groß geworden. Auf einem Bauernhof in Gaukönigshofen. 12,5 Hektar bewirtschafteten seine Eltern. Das war nicht viel für die sechsköpfige Familie. „Die Jeans gab's aus dem Quelle-Katalog“, erinnert er sich, und das Moped – er wünschte sich sehnlichst eine Honda Dax – hat er nie bekommen. Wofür er seinem Vater lange gram war. Heute ist er ihm und seiner Mutter dankbar. „Denn meine Eltern haben es mit dem Wenigen geschafft, dass aus allen vier Kindern etwas geworden ist“, sagt er stolz.
Mittlerweile hat Paul Lehrieder Verantwortung für eine Familie. Zwei Söhne im Alter von sechs und acht Jahren zieht er zusammen mit Ehefrau Christiane groß. Sie, die Lehrerin, kümmert sich um das Pädagogische. Und er versucht seinen Jungs das beizubringen, was er auch als Bauernbub gelernt hat. „Das Rustikale.“ Am Seegarten in Gaukönigshofen will er nach der Bundestagswahl ein Gartenhäuschen mit ihnen bauen. Viel Zeit bleibt ihm aber für die Familie nicht. In diesem Sommer ganz besonders wenig. Dem Wahlkampf geschuldet. „Da sagt der Älteste schon mal, ,Papa, Du könntest öfters da sein‘“, erzählt er offen.
Seit 2005 sitzt Paul Lehrieder im Bundestag. Mit seiner Frau und dem Neugeborenen war er gerade in der Rhön unterwegs, als er von Schröders Rücktritt erfahren hatte. „Da wusste ich, jetzt geht der Wahlkampf los.“ Zuvor war er 15 Jahre lang Bürgermeister in Gaukönigshofen. Eine Zeit, die er bei jeder Gelegenheit betont, weil sie sehr lehrreich war. „Die wahren Helden sind die Kommunalpolitiker“, erklärt er.
Kann er als Hinterbänkler auch Heldenhaftes in Berlin leisten? „Ja, durchaus. Vor allem im Petitionsausschuss.“ Bewusst habe er sich für dieses im Kollegenkreis unbeliebte Gremium, weil es mit viel Arbeit verbunden ist, entschieden. Denn hier könne er Einzelfälle lösen und schon mal einen Minister unter Druck setzen. „Da hat auch ein Hinterbänkler Macht“, lacht er.
Einmal hat er auch demonstriert, dass ein einfacher Abgeordneter entscheidend ist. Als es darum ging, den letzten beiden Rettungspaketen für Griechenland zuzustimmen, gehörte Lehrieder jeweils zu den Abweichlern in der CSU-Landesgruppe. Das kam gar nicht gut an. Parteikollegen unterstellten ihm, er wolle nur im Wahlkreis gut da stehen und warfen ihm vor, illoyal zu sein. Das ist gerade mal ein dreiviertel Jahr her. Die Kanzlerin scheint ihm immer noch gram zu sein. Zumindest beim Abschied für Michael Glos im Schlosshof zu Castell hat sie Paul Lehrieder übersehen. Dabei wird Angela Merkel oft neben dem 53-Jährigen aus Gaukönigshofen in den 20-Uhr-Nachrichten gezeigt. Nämlich dann, wenn sie ihr Stimmkärtchen in die Wahlurne wirft, an der er als Schriftführer des Deutschen Bundestages steht.
Kandidaten-Check
Die drei wichtigsten Themen der Region in der nächsten Legislaturperiode?
Erhalt der guten Arbeitsplatzsituation, Ausbildungsplatz für jeden Jugendlichen; behinderten- und familiengerechter Bahnhofsumbau Würzburg; Weiterbau A 3; Ortsumgehung B 19 Giebelstadt
Ein Politiker, den Sie bewundern?
Angela Merkel
Wie weckt man bei jungen Menschen Interesse an Politik?
Persönliche Gespräche, u. a. mit Schulklassen
Wie überzeugen Sie einen Nichtwähler?
Wer nicht zur Wahl geht, muss hinnehmen, dass derjenige über ihn bestimmt, den er überhaupt nicht wollte. Woher kommt Politikverdrossenheit? Gefühl der Ohnmacht gegenüber politischen Entscheidungen, die aufgrund der Komplexität oft nicht nachvollzogen werden können.
Ein politischer Gegner, den Sie besonders schätzen?
Franz Müntefering
Sie machen Politik . . .
weil . . . . . . weil ich es spannend und herausfordernd finde, an Aufgabenstellungen und Problemlösungen mitarbeiten zu dürfen.
Heimat ist für Sie . . .
. . . wo meine Familie ist und wo ich Freunde und Bekannte habe.
Drei Dinge, die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Meine Frau Christiane und meine Söhne Paul-Alexander und Max.
Ihr schönster Moment dieses Jahr?
Privat.
Was können Sie richtig gut?
Mich in Probleme einarbeiten, mit Ausdauer und Leidenschaft Lösungen suchen.
Was sollten Sie besser lassen?
Tätigkeiten für die mir Zeit und Muße fehlen (z. B. Kochen etc.)
Wo findet man Sie im Urlaub?
Im Garten. Gelegentlich auf einer Urlaubsreise, z. B. Ostsee oder Rhön.
Biografisches
Alter: 53 Beruf: Rechtsanwalt
Ausbildung:
Gymnasium Marktbreit; Jura-Studium an der Uni Würzburg
Familienstand: verheiratet, 2 Kinder
Geburtsort: Ochsenfurt
Wohnort: Gaukönigshofen
In der CSU seit: 1980
Politische Ämter: Kreisrat, Vize-Kreisvorsitzender CSA Würzburg-Land, Mitglied im Kreis- und Bezirksvorstand CSU Lieblingsessen: Schweinshaxe, Fränkische Schäufele
Lieblingsmusik: Populäre Musik, auch Volksmusik
Lieblingsbuch: Sachbücher, Reisebeschreibungen, Länderkundliche Bücher
Lieblingsfilm: Titanic
Lieblingsplatz in der Region: Mühlbachweiher in Gaukönigshofen
Lieblingssport: Kanufahren
Mein Lebensmotto: Es gibt keine Probleme, nur Lösungen
Wenn Sie die Wahl hätten…
Weißwurst oder Blaue Zipfel: Fränkische Bratwurst oder Schäufele
Münchner Bier oder Frankenwein: Frankenwein
FC Bayern oder „Der Glubb“: Bayern
Karl Valentin oder Erwin Pelzig: Erwin Pelzig
Neuschwanstein oder Residenz: Würzburger Residenz
Verschenken Sie ruhig Ihre Stimmen an die SPD, Grünen, oder was ich bei Ihnen glaube, an die Linken.