Ein Tusch für diesen Abend: Mit dem "Liedersalon II" präsentierte das Mainfranken Theater die absolut gelungene Inszenierung eines musikalischen und kulinarischen Tagesablaufs. Von der Idee bis zur Umsetzung in der Theaterfabrik Blaue Halle passte einfach alles: Die Sopranistinnen Silke Evers und Minkyung Kim, die Mezzosopranistin Barbara Schöller, der Bariton Daniel Fiolka, dazu Kapellmeister Carlo Benedetto Cimento am Klavier und als Sprecher Martin Liema hatten offenkundig große Freude am Sujet, und die schwappte direkt von der Bühne – als roter Biedermeier-Salon möbliert – ins zugegebenermaßen spärliche Publikum.
Operndirektor Berthold Warnecke gießt als Dramaturg geistreich Musik zum Thema Trinken und Essen, Lesungen aus Werken des Arztes und Physiologen Jakob Moleschott (1822-93), des Philosophen und Anthropologen Ludwig Feuerbach (1804-72), des Dichters Heinrich Heine (1796-1856) mit der schauspielerischen Schilderung eines Tagesablaufs in eine kompakte Form. Da trinkt man Kaffee mit Bach, nimmt mit Mozart ein Butterbrot zu sich, schlemmt zu Mittag mit Heinrich Heine fette Würste und Schweinskopf mit Sauerkraut. Doch ist’s vielleicht ein Leichenschmaus? Eine schwarz gekleidete Gesellschaft lauscht der Schubertschen Vertonung des "König von Thule".
Kunstliedfassung von "Geh mal Bier hol'n"
Nicht nur hier zeigt Silke Evers ihr sängerisches und darstellerisches Können: Der köstlichen Kunstliedfassung von "Geh mal Bier hol’n" widmet sie sich im wahrsten Wortsinn bierernst und hingebungsvoll. Daniel Fiolka, hier mal als prolliger Ehemann, nimmt’s zur Kenntnis und bricht in "Heiterkeit und Fröhlichkeit" (Lortzing) aus.
Derweil zitiert Martin Liema den Wissenschaftler Jakob Moleschott, der den Käsestoff spezifiziert oder erklärt, dass auch Künstler und Gelehrte Nahrung benötigen, um leistungsfähig zu sein. Silke Evers liefert mit "Pub 1" von Georges Aperghis eine faszinierend groteske avantgardistische Vertonung von Reklame: Beipackzettel und Zusatzstofflisten erscheinen gesungen in neuem Licht. Barbara Schöller darf als kecke Mary Poppins ein "Löffelchen voll Zucker" zu sich nehmen und eine absurde berauschende Mixtur zur "Blauen Stunde" (Spolianksy) anrühren.
Quicklebendig und lebensfroh Minkyung Kim mit einem "Morgenweckruf" und Rossinis "L’orgia", brillant begleitend Carlo Benedetto Cimento, auch mal vierhändig gemeinsam mit Daniel Fiolka (Eric Satie), Schuberts "Mignon" (zart und stimmungsvoll: Evers), schmissige Ensembleszenen (Im Feuerstrom der Reben, Vom Schlaraffenland) – ein musikalisch-dramaturgisches Feuerwerk zündete hier ganz 80 Minuten lang, während Martin Liema dem Gehirn Weises zuführte, Purcell hingegen Musik zum "Food of Love" erklärte.
Doch jeder Tag neigt sich in eine "Mondnacht" (Schumann), jede "Beredsamkeit" (Haydn) hat ein Ende. Die Erinnerung bleibt, an einen rundum geglückten, beglückenden, begeisternden Liedersalon, der Hunger auf mehr machte!
Der dritte Abend des neuen Formats "Liedersalon" findet am 28. Mai um 18 Uhr in der Theaterfabrik Blaue Halle statt.
