„Wir wollten, dass die Grenzen zwischen Erwachsenen- und Kinderkunst verwischen“, erinnert sich Harald Scherer. Aus dieser Idee heraus wurde vor 15 Jahren die Würzburger Jugendkunstschule JuKu-Karawane gegründet. Hier kreieren Kinder und Jugendliche zusammen mit Erwachsenen, was ihnen die Fantasie eingibt. Auf dem Bürgerbräu-Gelände wurde am Sonntag der 15. Geburtstag gefeiert. Allerdings nicht allzu euphorisch. Denn die Jugendkunstschule hat es nicht leicht, zu überleben.
Es fehlt an vielem - an Geld, einem Raum, einer Koordinationsstelle, an weiteren Kursleitern. 16 Künstler und Pädagogen brachten die JuKu-Karawane 2003 an den Start. Im Augenblick sind es noch sechs. Sich neben der freien Kunst, von der man immer schwerer leben kann, für Jugendkunst zu engagieren, ist nicht einfach, sagt Vereinsvorsitzende Rita Katharina Kolb. Rund 25 ehrenamtliche Stunden investiert sie monatlich in die Jugendkunstschule.
Musikschulen sind en vogue
Generell haben es Jugendkunstschulen schwerer als Musikschulen. Zumal in Bayern. Musikschulen sind en vogue. Da wissen Mamas und Papas auch, was sie „einkaufen“: Sie schicken das Kind mit einer neuen Geige zur Musikstunde, nach einem Jahr kann es zu Weihnachten ein kleines Liedchen spielen. Eine Jugendkunstschule ist im Vergleich „anarchischer“. Das Ergebnis sei weniger messbar, so Kolb: „Bei uns lernt man, kreativ und quer zu denken.“
Es gibt kein Notenblatt, von dem man abzuspielen lernt. Sondern eine Aufgabe oder ein Thema. Kolb zum Beispiel ließ die Kinder kürzlich aus Abfallmaterialien Tiere herstellen. Am Sonntag lautete die Aufgabe: „Wir bauen ein Schiff.“ Holz stand zur Verfügung, eine Säge, Meißel und Beitel, Segelstoff, bunte Farben. Baupläne gab es nicht. Jedes Kind sollte das Schiff bauen, das seiner Fantasie entspringt. Selbstverständlich halfen die Großen. Harald Scherer zeigte der kleinen Charlotte zum Beispiel, wie man sägt. Aber wie das Schiff am Ende aussehen würde, ob es mit knallbuntem oder weißem Segel davon schippern würde, blieb jedem Kind selbst überlassen.
Mit Fantasie und Kreativität ausprobieren
Fantasie, sagen Wissenschaftler, ist das, was Kindern durch den zu frühen Konsum Neuer Medien abhanden zu kommen droht. Auch Rita Katharina Kolb fällt auf, dass vermehrt Kinder zu ihr kommen, die sagen: „Ich kann das nicht!“ Anstatt etwas einfach mit Fantasie und Kreativität auszuprobieren. Oder die sich sichtlich schwer tun mit der Freiheit in einem Atelier. So viele Materialien gibt es hier. Die Aufforderung: „Mach mal!“ kann für Verwirrung sorgen.
Bei den Künstlern der JuKu-Karawane lernen Kinder, „neben der Spur“ zu denken. Das sei umso wichtiger, so Kolb, nachdem heute alles „spuren“ muss. Die Freiheitsräume schwinden. In der Schule. An der Uni. In nicht wenigen Jobs wird man von Richtlinien und Vorschriften schier erstickt.
Der Kampf ums Geld ist sehr mühsam
An Bürokratie kommt allerdings auch die JuKu-Karawane nicht vorbei. Der Kampf ums Geld wird als sehr mühsam erlebt. Geld gibt es nämlich nicht einfach so. Nur der Bezirk Unterfranken unterstützt regelmäßig mit 3000 Euro pro Jahr. Um an weitere Mittel zu kommen, muss sich die Karawane bei Projektausschreibungen bewerben. Das heißt oft, sich einem „Themendiktat“ zu unterwerfen. Außerdem müssen zeitaufwändig Anträge geschrieben werden. „Und erst die Abrechnung!“, meint Scherer. Auch die verschlingt viel Zeit - die von der Hauptaufgabe abgeht, das kreative Potenzial junger Menschen zu wecken.
Der größte Geburtstagwunsch wäre ein fester Raum nach 15 Jahren „Karawanendasein“. Die JuKu-Karawane könnte sich gut vorstellen, ihre Zelte auf dem Bürgerbräu-Gelände aufzuschlagen. Dann wäre es möglich, an Ort und Stelle Materialien zu sammeln. Aber natürlich müsste der Raum mietfrei zur Verfügung gestellt werden.
Auftrieb gibt ein Antrag der Freien Wähler
Ebenso wichtig wäre eine Projektkoordination. Die könnte schauen, wo es welche Fördergelder gibt und mit welchen Institutionen man kooperieren könnte. Denn die Karawane macht auch in Schulen oder Einrichtungen für behinderte Kinder Halt.
Auftrieb gibt ein Antrag der Freien Wähler, der kürzlich zum Nachtragshaushalt gestellt wurde. Darin wird gefordert, dass die Haushaltsmittel für die Jugendkunstschulen in Bayern auf 200 000 Euro mehr als verdoppelt werden. Auch der Koalitionsvertrag macht Hoffnung. Darin heißt es, dass kulturelle Bildung „eine überragende Bedeutung für die individuelle Persönlichkeitsentfaltung“ hat. Und deshalb dringend gefördert werden müsse.