In der Normandie und in Nordschweden war in den letzten Wochen und Monaten eine ganz besondere Sportgruppe unterwegs. Bayerische Sportjugend Würzburg, Graf-zu-Bentheim-Schule, Turngemeinde Würzburg-Heidingsfeld (TGWH) und Vitalsportverein (VSV) starteten das Inklusions-Projekt „Kanufahren“.
Nach vielen Trainingseinheiten unter der Leitung von Rüdiger Wolf (TGWH) und Rudolf Diener (VSV) zuerst im Schwimmbad, dann auf dem Main sowie drei Lehrgängen in Oberschleißheim waren die Jugendlichen des Blindeninstituts sportlich bereit, gemeinsam mit jungen Sportlern der TGWH internationale Begegnungen auf anderen Gewässern anzugehen.
Die Projektgruppe erkundete auf dem Fluss Orne die Normannische Schweiz, unternahm auch mutig eine Paddeltour auf dem Meer nahe Ouistreham. besuchte den Kanu-Club in Würzburgs französischer Partnerstadt Caen und besichtigte Landungsküste und Memorials in Caen. Auch bestaunte man den Hafen- und Künstlerort Honfleur sowie Rouen.
Dass die schwedische Partnerstadt Umeaa in diesem Jahr Europäische Kulturhauptstadt ist, nahm die Würzburger Projektgruppe zum Anlass, auch gen Nordschweden zu reisen. Der Sportclub Jalles TC und die Universität übernahmen die Betreuung der Würzburger Gruppe während ihres Aufenthalts in Umeaa. Auf dem vom langjährigen Sportfreund Leif Stening erstellten Programm stand zunächst eine Führung durch das samische Museumsdorf „Gammlia“.
Der Same Josef Sunna, der bereits 1992 im Sportaustausch der Laufgemeinschaft Würzburg beim Berlin-Marathon dabei war und extra 600 Kilometer aus seinem Heimatort in Lappland angereist war, erklärte authentisch die Lebensweise und Handwerkskunst seiner Vorfahren. In einer Diskussionsrunde tauschte die Gruppe Erfahrungen bezüglich der Förderung Sehgeschädigter in beiden Ländern mit der Vorsitzenden des Schwedischen Blindenbundes aus. Im Anschluss erlebten die 16 Würzburger eine Stadtführung, ein Blues-Konzert auf dem Schiff „Sjöbris“ sowie einen Nachmittag auf einer schwimmenden Saunainsel im Nydalasee.
Dann ging es in den vier Wohnmobilen weiter gen Norden. Drei Tage verbrachten die Kanuten im 34-Einwohner-Dorf Kalvträsk, um dort endlich bei herrlichem Wetter – 30 Grad Celsius hatte es dort zuletzt 1885 gegeben – ihren Sport zu genießen.
Nach einer Floßfahrt unternahm die Gruppe auf den zahlreichen Seen, Flüssen und Bächen des Naturreservats Vitbergen Tagestouren in der Einsamkeit fast unberührter Natur, begegnete Rehen, Adlern, Schlangen und natürlich Rentieren.
„Den erlebnispädagogischen Aspekt machte auch die Selbstversorgung während der ganzen Fahrt aus“, blickt Blindenlehrer und Sportjugendkreisvorsitzender Christoph Hoffmann zurück. Täglich galt es, die Feldküche aufzubauen, Tische zu decken, zu kochen, Spül- und Aufräumdienste zu übernehmen. Hobbykoch Jonas Stögbauer zauberte sogar eine selbst geangelte Regenbogen-Forelle und zwei Barsche auf den Speiseplan.
Auf dem Vindelälv, dem einzigen nicht von Wasserkraftwerken gezähmten Fluss Nordschwedens, forderte eine sieben Kilometer Rafting-Tour durch Stromschnellen noch einmal Kondition und alles sportliche Können. Auch für die sehbehinderten Teilnehmer ein Höhepunkt.
Zum Abschluss besuchte die Gruppe eine Elch-Farm in Bjurholm, um die Tiere hautnah zu erleben, denen man zuvor in freier Wildbahn nicht begegnet war.
Nach einem Abstecher ins schöne Stockholm wartete am Ende noch ein Erlebnis, das dem Berufsschüler Maxi Cronau noch den Satz „Das war meine schönste Reise“ entlockte. Von der Fähre aus hatte man beim Einlaufen in den Rostocker Hafen einen herrlichen Blick auf die beginnende „Hanse Sail“ mit ihren beeindruckenden Groß-Seglern wie der „Gorch Fock“ und einer Parade zahlloser kleinerer und historischer Segler.
Dank an die Unterstützer
Der Dank der Teilnehmer gilt den Unterstützern dieses Projekts wie der Stadt Würzburg, der Reinfurt-Stiftung, der Sparkassen-Stiftung, der Würzburger Sporthilfe, dem Verband Würzburger Sportvereine, dem Blindeninstitut sowie dem Real-Markt Würzburg.
Die Zielsetzung und Nachhaltigkeit dieses Inklusions-Projektes belegt die Aufnahme der sehbehinderten Sportler in die Kanu-Abteilung der TGWH, wo sie von den Übungsleitern Klaus Wilhelm, Claudia Messerer und Karin Thompson in Zukunft weiterhin gemeinsam mit dem TGWH-Nachwuchs trainiert werden. Die nächste Regatta kommt bestimmt. Und in der Berufsschulstufe der Graf-zu-Bentheim- Schule warten weitere junge sehgeschädigte Sportler darauf, mit ins Boot genommen zu werden.