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Würzburg
Juden in Unterfranken: Neue Bücher vervollständigen Gedenkband
Mehr als 200 jüdische Gemeinden gab es in den 1930er Jahren in Bayern. Das Projekt Synagogen-Gedenkband hat in aufwendiger Arbeit ihre Geschichte zusammengetragen.
Die Synagoge in Würzburg: Nachdem 2015 der erste Teil des Synagogen-Gedenkbandes für Unterfranken erschienen ist, folgt nun der zweite und abschließende Band (Symbolbild).
Foto: Christoph Weiß | Die Synagoge in Würzburg: Nachdem 2015 der erste Teil des Synagogen-Gedenkbandes für Unterfranken erschienen ist, folgt nun der zweite und abschließende Band (Symbolbild).
Bearbeitet von Evangelischer Pressedienst Daniel Staffen-Quandt
 |  aktualisiert: 24.04.2021 02:15 Uhr

Am 25. April endet ein beinahe 20-jähriges Projekt: Dann werden im jüdischen Würzburger Gemeindezentrum "Shalom Europa" die letzten beiden Bücher des bayerischen Synagogen-Gedenkbandes "Mehr als Steine" präsentiert. Die dann insgesamt fünf Bücher in drei Bänden dokumentieren nicht nur alle Synagogen, die in den 1930er Jahren in Bayern genutzt wurden. "Unser Ziel war immer auch zu zeigen, wie sich das Verhältnis zwischen Nichtjuden und Juden entwickelt hat", erläutert Mitherausgeber Wolfgang Kraus, evangelischer Theologie-Professor an der Uni des Saarlandes.

Meier Schwarz initiierte Buchprojekt

Das Buchprojekt war bereits 2002 gestartet - und geht auf eine Initiative des gebürtigen Nürnbergers Meier Schwarz zurück. Er wurde 1939 als Jude mit einem der letzten Kindertransporte nach Jerusalem gebracht - seine gesamte Familie wurde von den Nazis ermordet. Später war er als Hydrobiologe an der Uni Haifa tätig und entwickelte die Methode der Tröpfchenbewässerung mit. Als er Mitte der 1980er Jahre für einen wissenschaftlichen Kongress in Deutschland unterwegs war, wollte er seine Geburtsstadt und die dortige neu-orthodoxe Synagoge Adass Jisroel besuchen. "Meier Schwarz stand damals in Essenweinstraße 7 und fand dort ein Kaufhaus und eine Tankstelle - keine Gedenktafel, nichts, das an die einstige Synagoge erinnert hätte", sagt Kraus. Damit wollte sich Schwarz nicht abfinden. Dank seines Engagements kam ein erster Band des "Gedenkbuchs der Synagogen in Deutschland" zu Nordrhein-Westfalen heraus.

Doch Schwarz wollte mehr - auch eine ausführlichere Dokumentation aller bayerischen Synagogen. Mit diesem Ziel trat er unter anderem an Wolfgang Kraus heran, der ursprünglich Pfarrer der bayerischen Landeskirche ist. "Wir bekamen einiges an Material vom Synagogue Memorial in Jerusalem geliefert", erinnert sich Kraus. Doch das meiste davon war "graue Literatur", also aus wissenschaftlicher Sicht eher nicht wirklich zuverlässige Quellen. "Ursprünglich war Meier Schwarz' Plan, dass der Gedenkband für Bayern in drei bis fünf Jahren entstehen sollte", sagte der Theologe. Schnell war klar, dass dieser Zeitplan nicht zu halten sein würde. Und dass zwei Stipendiaten, die promovieren wollten, als Personal nicht ausreichten. Auch ein Band als geplanter Umfang für ganz Bayern schien unrealistisch.

Zweiter Teil über Gemeinden in Unterfranken

Das Gedenkband-Projekt wuchs über die Jahre, das sieht man auch an den Umfängen: Der erste Band (2007) für Schwaben, die Oberpfalz, Oberfranken, Ober- und Niederbayern umfasste 560 Seiten, der zweite (2010) für Mittelfranken 820 Seiten, der dritte für Unterfranken (2015) um die 880 Seiten - und das war nur der erste Teil. Der nun erscheinende zweite Teil über die Gemeinden im östlichen Unterfranken besteht aus zwei Büchern mit gut 1.780 Seiten, sagt Kraus: "Aus der Archiv-Recherche der Anfangszeit wurde immer häufiger intensive Vor-Ort-Quellenrecherche."

Das Autoren-Team rund um die drei aktuellen Herausgeber Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff habe sich von Anfang an eine wichtige Auflage gemacht: "Wir stellen dar, wir bewerten nicht." Als ein Beispiel von vielen erinnert Kraus an den Fall der Nördlinger Synagoge. Bis in die 1990er Jahre standen noch Teile des Gebäudes, bevor sie für ein Seniorenwohnheim abgerissen wurden. "Das Bewusstsein, dass es sich bei früheren Synagogen um erhaltenswerte Denkmäler handelt, entwickelte sich nachhaltig erst ab Mitte der 1990er Jahre", sagt Kraus.

Pünktlich zum aktuellen Festjahr fertiggestellt

Dass das fast zwei Jahrzehnte währende Projekt nun endet - für Professor Kraus schön und schade zugleich: "Ich bin froh und dankbar, dass wir den Synagogen-Gedenkband in dieser Form vollendet haben." Wie in fast jedem wissenschaftlichen Vorhaben steckten "zehn Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration" darin. Dass der Gedenkband im aktuellen Festjahr "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland" fertiggestellt wurde, sei "freilich Absicht", sagt der Theologe schmunzelnd. Feststeht jedenfalls: In dieser umfassenden Form ist die Dokumentation einzigartig.

Finanziert wird und wurde das Projekt größtenteils über den Freistaat und die bayerische Landeskirche, die dafür Stellen zur Verfügung stellte. Präsentiert wird es nun erst einmal vor einem "kleinen, dafür allerdings prominenten Publikum", sagt Kraus. Zur Buchvorstellung kommen neben Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und dem Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx unter anderem auch der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle sowie Landtags-Vizepräsident Karl Freller.

Die prominenten Gäste würdigten das Projekt zum Abschluss bereits in Vorworten für den abschließenden Band. Schuster zum Beispiel würdigt den Gedenkband als "großen Schatz". Niemals zuvor habe man einen "so detaillierten und historisch fundierten Überblick" über die jüdischen Gemeinden in Bayern gehabt. Der Landesbischof wiederum betonte die Verpflichtung der Kirche, die Erinnerung an die Geschichte wachzuhalten, die auf christlicher Seite viele Jahrhunderte "von Ab- und Ausgrenzung" bestimmt gewesen sei.

 
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