Willi Menne, Martin Karl, Toni Rom und Rudi Eckstein, in der Würzburger Olympiazelle trainiert von Wolfgang Freyeisen mit seinen oft etwas eigenwilligen Trainingsmethoden, befanden sich in Bestform: Nach dem Sieg bei den Europameisterschaften in Luzern 1934 und zahlreichen nationalen Erfolgen konnten sie sich für die Olympia-Qualifikation gegen das Hauptstadt-Team „Wiking“ aus Berlin durchsetzen. Eine Woche Erholungsurlaub an der Ostsee folgte; dann begannen die Spiele.
In Würzburg wurden, wie man den Zeitungen der Zeit entnehmen kann, die Erfolge der vier jungen Landsleute mit großem Interesse verfolgt. Spätestens seit sich der „Menne-Vierer“ für das Olympia-Finale qualifiziert hatte, fieberte die ganze Stadt mit ihren Helden. Beim entscheidenden Rennen in Grünau waren viele Geschäfte geschlossen, jedermann wollte „live“ dabei sein – damals noch nicht am Fernseher, sondern den erst in Mode gekommenen „Volksempfängern“.
Und tatsächlich: Die Würzburger konnten sich gegen die favorisierten Briten durchsetzen: mit deutlichem Vorsprung – eine ganze Bootslänge! Der Jubel in Würzburg kannte keine Grenzen: Nur Stunden nach dem Triumph hatte der „Generalanzeiger“ eine Sonderauflage gedruckt, die in Windeseile vergriffen war.
Grandioser Empfang
Nun begann man, sich in Würzburg Gedanken zu machen, wie die Sieger hier empfangen werden sollten. War schon die Berliner Olympiade eine durch und durch geplante Propaganda-Veranstaltung für das „neue“ und sich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit neuem Selbstbewusstsein präsentierende Deutsche Reich gewesen, so glaubte man in der Gauhauptstadt, die Berliner noch übertreffen zu müssen.
Noch bevor die Sportler mit dem Schnellzug aus Berlin eintrafen, hatten die Würzburger Zeitungen bereits einen genauen Aufmarschplan für den Empfang am Bahnhof veröffentlicht, auf dem sämtlichen Parteiformationen genau ihr Karree zugewiesen wurde. Und damit ja niemand auf die Idee kam, etwa Blumen aufzuheben, die den unterfränkischen Olympioniken zugeworfen wurden, war dies ausdrücklich verboten.
Für Volk und Vaterland
Nach der Begrüßungsansprache wurde die Mannschaft im offenen Wagen durch die Stadt zum Rathaus kutschiert, von dessen Fenstern aus sie der jubelnden Menge zuwinkte. Beim anschließenden Festakt im Gauhaus – am Eck zwischen Theaterstraße (damals Adolf-Hitler-Straße) und Balthasar-Neumann-Promenade gelegen – wurden die Namen der vier Ruderer dort angebracht. Denn schließlich hatten sie ihren Sieg für Volk und Vaterland gebracht und gelobten, sich dieser Verantwortung bewusst zu bleiben. Am Abend folgte ein Volksfest für die Bevölkerung in den Huttensälen.
Den Eichensetzling, den die Mannschaft in Berlin neben den Medaillen und anderen Ehrengeschenken erhalten hatte, pflanzte Toni Rom in seinen Garten: Heute ist daraus, wie seine Gattin berichtet, ein stattlicher Baum von knapp drei Metern Umfang geworden. Für den Gauleiter, der eigentlich das Original bekommen wollte, wurde bei der Berliner Baumschule ein Ersatzbäumchen bestellt.
Drei Jahre nach den Spielen begann der Zweite Weltkrieg: Martin Karl fiel 1942, Willi Menne vier Tage nach der Zerstörung seiner Heimatstadt im März 1945. Toni Rom verbrachte vier Jahre französischer Kriegsgefangenschaft mit dem Räumen von Seeminen. Als ältestes und zeitlebens ruderbegeistertes Mitglied des legendären „Olympiavierers“ von 1936 starb Rom 1995 in Würzburg.
Medaillen aus den Trümmern
Seine Goldmedaille überlebte die Zerstörung Würzburgs übrigens in einer Metallkassette, die er – sein erstes Unternehmen nach der Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft – in den Ruinen des zerbombten Wohnhauses bergen konnte.
Auch Andreas Karl, Enkel Martin Karls, bewahrt die Goldmedaille seines Großvaters, ein von der Stadt überreichtes Zigarettenetui und andere Erinnerungsstücke noch heute auf. Und natürlich die Sammelbildchen mit dem Porträt der Olympia-Sieger, die es auch 1936 schon gab.