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WÜRZBURG
Johanna-Stahl-Zentrum: Empathie statt Schuldzuweisung
Vielfach wird im Johanna-Stahl-Zentrum mit historischen Quellen gearbeitet. Eine Art dieser Dokumente sind die jüdischen Gemeindebücher. Hier ein Gemeindebuch der Würzburger Landesjudenschaften, 1747-1800 (Stadtarchiv Würzburg RB 426), mit hebräischen (links) und lateinischen Buchstaben (rechts).
Foto: Johanna-Stahl-Zentrum | Vielfach wird im Johanna-Stahl-Zentrum mit historischen Quellen gearbeitet. Eine Art dieser Dokumente sind die jüdischen Gemeindebücher.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 05.04.2017 03:27 Uhr

30 Jahre alt geworden ist „die erste Adresse für Forschung und Bildung zu jüdischer Geschichte und jüdischem Leben in Unterfranken“. So formulierte der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, Josef Schuster, den Zweck des Jüdischen Dokumentationszentrums, das 1987 eröffnete. Der Geburtstag wurde nun im David-Schuster-Saal des jüdischen Gemeindezentrums „Shalom Europa“ gefeiert.

Allerdings heißt der Jubilar inzwischen Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur. Der frühere Name Dokumentationszentrum, wie er auch in Nürnberg verwendet wird, wird im deutschen Sprachgebrauch vielfach verbunden mit der systematischen Tötung der Juden durch die deutschen Nationalsozialisten und ihre Helfer.

Zur Umbenennung sagte Schuster: „Das Johanna-Stahl-Zentrum rückt in den Fokus: Es gab jüdisches Leben in Deutschland vor 1933 und nach 1945.“ Eine solche Akzentuierung geschieht zum Beispiel, wenn das Zentrum ganze Schulklassen über das Jahrhunderte alte Landjudentum informiert. Oder über das heutige Gemeindeleben. Damit setze es ein Gegengewicht gegen einen Schulunterricht, der die Juden lediglich als Verfolgte des Nazi-Regimes darstelle.

Wenn die Erwähnung des Judentums immer mit negativen Emotionen verbunden werde, so Schuster, könne es bei den Schülern zu einer „in gewisser Weise nachvollziehbaren Abwehrhaltung“ kommen.

„Aber wir wollen der heutigen Generation kein Schuldgefühl geben“, sondern dazu beitragen, „Empathie zu entwickeln“. Josef Schuster, auch Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, will dabei nicht „Multikulti schönreden: Das Zusammenleben ist nicht immer einfach“.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt ist „stolz auf die lange und reiche jüdische Geschichte und Gegenwart in Würzburg“. Für ihn war die Gründung des Dokumentationszentrums ein „Akt der Gerechtigkeit und Solidarität“. Und im Jahr 1987 kein besonders neuer.

Bereits in den 1960er Jahren hatte der Gemeindevorsteher David Schuster die Idee einer solchen Einrichtung formuliert. Von der Gründung an bis 2009 war das Dokumentationszentrum eine Unterabteilung des Stadtarchivs, geleitet durch den Wirtschaftshistoriker Dr. Hans-Peter Baum. Mit dem Neubau des Gemeindezentrums an der Valentin-Becker-Straße zog die Forschungsstelle vom Altbau des jüdischen Seniorenheims in die nebenan liegende moderne Architektur ein.

Familiengeschichtliche Anfragen

Die heutige Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums Rotraud Ries erzählte, die alten Einrichtungen hätten nicht mehr ausgereicht, um wirkungsvoll für die Entwicklung der Erinnerungskultur zu arbeiten und die vielen familiengeschichtlichen Anfragen zu beantworten.

Stadt und Bezirk tragen das Zentrum zu gleichen Teilen. Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel verwies auf den Beitrag seines Hauses, dass die Bezirksheimatpflege die Erfassung aller jüdischen Kultstätten in Unterfranken einbringe. An manchen Orten werden Synagogen mittlerweile museal genutzt.

 
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