Erst hatte sich der Gemeinderat Estenfeld geziert, jetzt macht er doch Nägel mit Köpfen: Mit 20:1 beschloss der Rat in seiner jüngsten Sitzung, sich mit einem Koffer am DenkOrt Deportationen ("Wir erinnern an die jüdischen NS-Opfer Unterfrankens") zu beteiligen.
Damit wird sowohl vor dem Hauptbahnhof Würzburg als auch an der Gedenkstätte in Estenfeld (am Parkplatz des Edeka-Markts Arnold) ein Koffer zum Gedenken an die aus Estenfeld deportierten jüdischen Mitbürger erinnern.
Vor zweieinhalb Jahren hatte der Rat das noch abgelehnt und stattdessen 500 Euro an den Verein "DenkOrt" gespendet. Der Hintergrund war eine in Aussicht gestellte Zuwendung von 10.000 Euro für Ratsmitglied Jochen Jörg für die Recherche und das Schreiben eines Buches über die Estenfelder jüdischen Familien. Daher, so Bürgermeisterin Rosi Schraud in der Beschlussvorlage, sei Jörg seinerzeit angefragt worden, ob er das Projekt "DenkOrt" mit seinem Buch, Schriftverkehr oder ähnlichem unterstützen könnte - wozu dieser gerne bereit war.
Bildnis ohne Lebensdaten
Doch die Initiatoren des DenkOrtes, Benita Stolz und Christine Hofstetter, hatten nicht lockergelassen und sich erneut mit der Frage um eine Koffer-Spende an die Verwaltung gewendet. Im Oktober hatte der Ausschuss für Sport und Kultur beschlossen, eine Anfrage an die Kunstfreunde Estenfeld zu stellen, ob sie für die Fertigung eines Gepäckstücks zur Verfügung stehen würden. Was sich als nicht ganz so einfach herausstellte, denn der künstlerische Schwerpunkt der Kunstfreunde liegt eher im Bereich der Malerei. "Da werden sich wohl keine drei Kunstfreunde finden, die mit Stein oder Metall arbeiten, wenn überhaupt", so Tobi Grimm in der Sitzung.
Glücklicherweise konnte Sieghart Böhme, Vorsitzender der Kunstfreunde, dem Ausschuss den Architekten Stephan Reichert aus Randersacker vermitteln, der auch einen entsprechenden Entwurf erarbeitete. Der sieht einen Koffer mit sechs integrierten Steinplatten vor. Damit soll an die letzten sechs jüdischen Bürger erinnert werden, die bis zum Frühjahr 1942 noch in Estenfeld gelebt haben, ehe sie dann über Würzburg in den Osten deportiert wurden. Auf ihre Lebensdaten soll bei der Gestaltung des Koffers verzichtet werden, beschloss der Gemeinderat. Denn der exakte Todeszeitpunkt lasse sich bei vier der sechs Estenfelder Juden nicht ermitteln, erklärte Jochen Jörg, der sein Buch bis zum Jahr 2024 fertiggestellt haben möchte. Der Koffer selbst soll aus Stein gebaut werden, und zwar als Bildhauerstück.
Steinmetz spendet das Material
Zu klären war noch die Frage des Standortes des Koffers in Estenfeld selbst. Am Rand des Parkplatzes des Edeka-Ladens steht bereits eine Stele mit einer Gedenktafel unweit der Stelle, an der sich früher die jüdische Synagoge befand. Dort soll nun auch der Koffer stehen.
An Kosten kommen auf die Gemeinde gut 7100 Euro zu: rund 6500 Euro für Steinmetz Siegfried Müller und 650 Euro für die Schlosserarbeiten der Firma Metall- und Zaunbau Häusler aus Thüngersheim. Die Materialkosten in Höhe von 1388 Euro spendet der Steinmetz den Kunstfreunden.