zurück
WÜRZBURG/BERLIN
Jeder Zweite erkrankt an Krebs
Die gute Botschaft zuerst: Die Zahl der Krebserkrankungen in Deutschland stagniert, bei einigen der häufigsten Tumorarten – etwa bei Darmkrebs – ist sie sogar rückläufig. Und die schlechte Botschaft: Krebs zählt nach derzeitigem Stand zur zweithäufigsten Todesursache in Deutschland.
Jeder Zweite erkrankt an Krebs       -  Auf der Bildschirmdarstellung einer Magnetresonanz-(MR)-Mammographie ist ein winziger Tumor in der Brust einer Patientin zu sehen. Brustkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Bundesweit sterben jedes Jahr rund 17 500 Frauen daran.
Foto: dpa | Auf der Bildschirmdarstellung einer Magnetresonanz-(MR)-Mammographie ist ein winziger Tumor in der Brust einer Patientin zu sehen. Brustkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 19.10.2020 09:33 Uhr

Etwa jeder Zweite erkrankt in seinem Leben an Krebs. Bei besonders gefährlichen Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs muss von einer eher steigenden Erkrankungszahl ausgegangen werden. Diese Entwicklung gab das Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin am Freitag bekannt. Die Ergebnisse in der zehnten Ausgabe von „Krebs in Deutschland“ beruhen auf Zahlen bis zum Jahr 2012.

Aus Würzburg kommt zum RKI-Bericht ein Aufruf: „Dass die Zahlen bei einigen Krebsarten zurückgehen, ist sicher ein Erfolg der Vorsorgeuntersuchungen“, sagt Professor Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Uniklinikum Würzburg. Das RKI verweist diesbezüglich auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die davon ausgeht, dass sich weltweit mehr als 30 Prozent aller Krebsfälle durch Vorbeugung verhindern ließen. „Ich kann deshalb nur dazu aufrufen, das Angebot der Screenings konsequent wahrzunehmen“, sagt Professor Einsele.

Gerade bei Darmkrebs könnten Frühformen des Krebses, die meist zunächst gutartig sind, bei einer Koloskopie leicht und schmerzfrei abgetragen werden. Auf diese Weise werde verhindert, dass sich der Tumor in einen bösartigen verwandelt.

Dies gelte auch bei Brust- Haut- sowie Prostatakrebs. Dieser ist laut den Krebsregisterdaten mit rund 64 000 Neuerkrankungen jährlich die häufigste Tumorart bei Männern. Diese Zahl könnte sicher weiter nach unten gehen, wenn Männer häufiger zur Vorsorge gingen. „Da gibt es jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede“, so Einsele. Männer gelten als Vorsorgemuffel.

Frauen nehmen Vorsorge-Angebote häufiger wahr. Bei ihnen steht nach wie vor Brustkrebs an oberster Stelle. 2012 gab es 69 550 Neuerkrankungen, 2011 waren es noch 70 190. Das bedeutet: 640-mal weniger Angst, weniger Bangen und Hoffen. Die Diagnose „Krebs“ gehört generell zu der am meisten gefürchteten. Doch es gibt Hoffnung: Nach der Prognose des Robert-Koch-Instituts für das nächste Jahr geht die Zahl weiter nach unten bis auf rund 65 500 Neuerkrankungen.

Die Aussichten bei Bauchspeicheldrüsenkrebs sind für die Betroffenen dagegen „sehr schlecht“. Daran erkrankten 2012 nach Angaben des Zentrums für Krebsregisterdaten etwas mehr Frauen (8480) als Männer (8250) – Tendenz steigend.

Hermann Einsele verweist auf neue therapeutische Möglichkeiten, die zusätzlich oder alternativ zur Chemotherapie angewendet werden. Als Hoffnungsträger zählt zum Beispiel, so Einsele, „eine neue Immuntherapie, die selbst bei früher aussichtslosen Diagnosen wie Nieren-, Lungen-, Blasen- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs jetzt ermutigende Ergebnisse zeigt“.

Als „sehr spannend“ beschreibt der Würzburger Krebsspezialist die Tumorimmuntherapie mittels Checkpoint Blocker. Dabei werde eine Blockade aufgehoben, die das Immunsystem bremst, Krebszellen zu vernichten. Auch neue Eiweißmoleküle würden als Antikörper oder neuausgerichtete Zellen gegen Tumorzellen eingesetzt.

Dazu gebe es in Würzburg Studien zu Lymphknotenkrebs, akuter Leukämie, Prostatakrebs, zum Multiplen Myelom und wahrscheinlich bald auch zu anderen soliden Tumoren, informiert Professor Einsele, der die Krebsforschung an der Universität Würzburg beziehungsweise unter dem Dach des Comprehensive Cancer Center, kurz CCC Mainfranken, als „in der europäischen Spitzengruppe befindlich“ bezeichnet.

Eines der Forschungsprojekte hat sich speziell mit Brusttumoren beschäftigt. Beteiligt an der Studie, die jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Cancer Cell“ veröffentlicht wurde, waren fünf Wissenschaftler vom Biozentrum der Uni Würzburg, sowie Kollegen aus Berlin, Cambridge und San Francisco. Sie haben einen Mechanismus im Stoffwechsel von Zellen aufgeklärt, der ein möglicher Ansatzpunkt für neue Krebsmedikamente sein könnte.


Daten zu Krebs in Deutschland

Im Jahr 2012 sind nach Schätzung des Zentrums für Krebsregisterdaten (ZfKD) insgesamt rund 478 000 Neuerkrankungen diagnostiziert worden: bei Männern etwa 252 000, bei Frauen 226 000. Etwas mehr als die Hälfte der Fälle betreffen entweder die Brustdrüse (69 600), die Prostata (63 700) den Darm (62 200) oder die Lunge (52 500).

Nach derzeitigem Stand erkranken 51 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen im Laufe des Lebens an Krebs. Bei Frauen treten die Erkrankungen insgesamt etwas seltener, aber tendenziell früher im Lebenslauf auf. Etwa jeder vierte Mann und jede fünfte Frau stirbt an einer Krebserkrankung.

Die Überlebensaussichten von Krebspatienten in Deutschland haben sich in den vergangenen 30 Jahren insgesamt deutlich verbessert. Je nach Tumorart unterscheiden sich laut dem ZfKD die Fünf-Jahres-Überlebensraten jedoch erheblich. Sie reichen von über 90 Prozent für das maligne Melanom der Haut, den Hodenkrebs und den Prostatakrebs bis hin zu Überlebensraten von unter 20 Prozent bei Lungen-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs sowie beim Mesotheliom. Quelle: ZfKD

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Christine Jeske
Bauchspeicheldrüsenkrebs
Darmkrebs
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Leberkarzinom
Prostatakrebs
Robert-Koch-Institut
Weltgesundheitsorganisation
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top