Es ist paradox: Die Konjunktur in Deutschland brummt nach wie vor, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit langem nicht mehr – und trotzdem steigt die Zahl der überschuldeten Menschen jährlich. Jeder zehnte Bürger über 18 Jahren ist verschuldet, das sind 6,9 Millionen Menschen. Das besagt der „Schuldneratlas Deutschland 2018“, den die Auskunftei Creditreform am Dienstag vorgestellt hat. Vor allem die Zahl überschuldeter Personen über 70 Jahren ist im vergangenen Jahr von 69 000 auf 263 000 gestiegen.
„Nicht alle Menschen werden von diesem Aufschwung erreicht und noch dazu sind die Preise für Wohnen und Gesundheit in den letzten Jahren stark angestiegen“, sagt Judit Maertsch, Finanzberaterin beim Verbraucherservice Bayern in Würzburg. Besonders die Preise für Immobilien seien in einem solchen Ausmaß gestiegen und stünden in keinem Verhältnis zur Lohnsteigerung. Zudem bekämen die Menschen auf ihre Ersparnisse wenig Rendite. „Die arbeitende Generation wird mit dem Aufbau von Altersvorsorgevermögen große Probleme haben“, sagt Maertsch.
Rasanter Anstieg von Mieten und Immobilienpreisen
Von einer Überschuldung spricht man, wenn die monatlichen Einnahmen nicht ausreichen, um sämtliche Verpflichtungen wie Miete, Energie, Lebensunterhalt oder Kreditraten zu erfüllen. In Unterfranken steht die Stadt Aschaffenburg an der Spitze mit einer Überschuldungsquote von 11,40 Prozent, dicht gefolgt von der Stadt Schweinfurt mit 10,67 Prozent und der Stadt Würzburg mit 7,86 Prozent. Am wenigsten verschuldet in der Region sind die Menschen, die im Landkreis Schweinfurt (5,12 Prozent), Landkreis Würzburg (5,44 Prozent) und im Landkreis Bad Kissingen (5,56 Prozent) leben.
Tatsächlich bringe der rasante Anstieg von Mieten und Immobilienpreisen immer mehr Menschen gerade in den Städten in finanzielle Not. „Wohnen ist in deutschen Großstädten in vielen Fällen zum Armutsrisiko, in jedem Fall zum Überschuldungsrisiko geworden", schreibt Creditreform im „Schuldneratlas 2018“. Für immer mehr Haushalte bleibe deshalb nach der Miete nur noch relativ wenig Geld für die sonstigen Lebenshaltungskosten übrig.
Schicksalschläge als Auslöser für Schuldenfalle
Weitere Gründe für eine Überschuldung sind plötzliche Arbeitslosigkeit, Trennung vom Partner, ein Todesfall in der Familie, schwere Krankheit, Sucht oder Unfall. Auch allein erziehende Frauen seien überdurchschnittlich oft von Überschuldung betroffen. „Wenn jemand in die Schuldenfalle gerät, kommen meist mehrere Schicksalschläge zusammen“, sagt Ella Kiefel, Mitarbeiterin der Schuldnerberatung der Christophorus Gesellschaft in Würzburg. „Die Menschen haben nicht nur finanzielle Schwierigkeiten, sondern auch soziale Probleme.“ Nur selten stecke Leichtsinn dahinter.
„Ein fester Arbeitsplatz bildet die wichtigste Grundlage, um das Überschuldungsrisiko bei den meisten Verbrauchern gering zu halten“, heißt es im Schuldneratlas. Wer seine Überschuldung in absehbarer Zeit nicht in den Griff bekommt, sollte mit einer Schuldnerberatungsstelle einen Termin vereinbaren, rät Kiefel. Gemeinsam mit den Betroffenen versucht die Schuldnerberaterin Wege aus und mit den Schulden aufzuzeigen. Dazu werden die monatlichen Einnahmen und Ausgaben der Ratsuchenden erhoben und einander gegenübergestellt.
Bedenklicher Trend: Immer mehr ältere Menschen sind verschuldet
Laut Schuldneratlas hat sich die Zahl junger überschuldeter Personen deutschlandweit um 73 000 deutlich verringert. Das liegt nach Auffassung von Creditreform daran, dass junge Menschen verstärkt Arbeit gefunden haben. Umgekehrt gebe es auch neue „bedenkliche Trends“: So gewinne das Phänomen der Altersüberschuldung an Bedeutung.
Auch an die Beratungsstelle der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA) der Diakonie in Schweinfurt wenden sich immer mehr ältere Leute. „Viele können von ihrer Rente nur schlecht leben. Wenn dann noch die Waschmaschine oder ein anderes Haushalsgerät kaputtgeht, dann befinden sie sich in einer finanziellen Notlage“, sagt Luisa Mühlstein, Beraterin der KASA. Sie prüfe dann, ob sie mit Geld aus einer Stiftung wie „Schweinfurt hilft Schweinfurt“ helfen kann und stellt Tafelberechtigungsscheine aus. „Wenn das nicht hilft, bleibt vielen Rentnern nur noch der Gang zum Sozialamt.“
Liebe Leserinnen und Leser,
an dieser Studie sieht man eindeutig, dass „Stadt“ nicht funktioniert.
Also nicht den urbanen Raum immer und immer mehr stärken, sondern die Menschen in der Stadt in den ländlichen Raum verlegen.
Gruß
und was haben wir dann davon: noch größere Pendlerströme in die Städte! Mehr öffentlich geförderter Wohnraum in den Ballungszentren ist sinnvoller als zu versuchen, die Menschen, die täglich in der Stadt arbeiten aufs Land zu locken.
Wichtig wäre auch mehr wirtschaftliche Bildung in den Schulen und Aufklärung darüber, dass Schuldenmachen zum Konsum keine Lösung sein kann. Von den in dem Artikel genannten Härtefällen abgesehen, verschulden sich nämlich viele auch für Urlaub oder wegen einem zu groß dimensionierten Auto, dessen Folgekosten dann bei steigendem Spritpreisen dann zu Problemen führt, oder Unterhaltungselektronik, die auch nicht unbedingt im Haushalt stehen muss und am Tag nach dem Kauf nur noch die Hälfte wert ist.
Es gibt genug Würzburger die zum arbeiten jetzt schon aus der Stadt heraus fahren.
Natürlich ist wirtschaftliche Bildung auch ein Aspekt. Der Umgang mit Geld will gelernt sein.