„Ich wusste schon als kleiner Junge dass ich einmal auf einem Schiff arbeiten werde“, sagt Achim Schäfer. Heute ist Achim Schäfer 31 Jahre alt, Binnenschiffer und Eigentümer eines 90 Meter langen Frachtschiffes. Er sitzt auf seinem großen schwarzen Sessel in der Steuerkabine, umringt von Knöpfen, Hebeln, Funkgeräten und Radar. Hinter ihm, an einem kleinen Tisch spielt seine Frau Christina, 24, mit den beiden Kinder Alisha und Robin.
Vor Achim liegt der Main. Sonnenstrahlen brechen für einen Moment durch die Wolken und lassen das Wasser glitzern. Die Landschaft an den Ufern links und rechts ändert sich ständig: Ein flüchtiger Blick auf die Altstadt Würzburgs, dann verschwinden langsam die Häuser, wenige Minuten später ziehen Wiesen und kahle Bäume vorüber. Was immer gleich bleibt, ist der glitzernde Main. Natur pur, selbst als Achim sein Schiff unter der Brücke der A 3 hindurch manövriert. Auf Höhe der Ausfahrt Randersacker staut sich wie fast immer der Straßenverkehr. Von dem ganzen Stress auf dem Asphalt bekommt man an Deck des Schiffes nichts mit. Schäfer kommt gut voran. Mit gemächlichen neun Kilometern pro Stunde schippert er den Main entlang. Achim Schäfer hat gerade in Würzburg seine Fracht abgeladen. Diesmal war es Kies. Meist transportiert er jedoch Getreide oder Futtermittel, im Winter manchmal auch Streusalz. 2000 Kubikmeter umfasst der Laderaum des Frachtschiffes. Nach dem Abladen in Würzburg geht es nun direkt weiter nach Kitzingen. Welche Fracht dort wartet, weiß Achim Schäfer wie so oft noch gar nicht. Doch wohin es anschließend geht, das weiß er: nach Antwerpen.
Vor vier Jahren machte sich der Franke als Binnenschiffer selbstständig. Vorher war er bei einem Schifffahrtsunternehmen angestellt. Die Selbstständigkeit war Achims Traum. Mit seiner Freundin Christina kaufte er sich sein eigenes Frachtschiff – die MS Schönrain. 86 Meter lang ist sie und fast zehn Meter breit. Sie ist sein Arbeitsplatz und sein Zuhause. Bis vor einem halben Jahr war das Frachtschiff auch das ständige Zuhause seiner Frau und seiner beiden Kinder. Dann begann für seine sechsjährige Tochter Alisha die Schulzeit. Alles änderte sich von da an. Christina Schäfer und die beiden Kinder zogen in eine Wohnung nach Kist. „Natürlich hätte Alisha auch in ein Internat für Schifferkinder gehen können. Aber das wollten wir nicht“, sagt Christina. Bei Achim lief es damals genauso. Sein Vater ist ebenfalls Binnenschiffer. Mit fünf Wochen war Achim das erste Mal an Bord und blieb dort, bis er schulpflichtig wurde. Seine Mutter ist dann mit ihm in eine Wohnung an Land gezogen. Schulferien und Wochenenden verbrachte er an Bord. „Ich war richtig beleidigt, wenn ich einmal nicht an Bord durfte, weil mein Vater zu weit weg war“, erinnert sich Achim. So ist es auch jetzt bei seinen eigenen Kindern.
MS Schönrain. Wer meint, dass sei ganz schön eng, der irrt: Allein die Wohnung der Familie an Bord hat 85 Quadratmeter. Und wenn der Laderaum leer ist, so wie an diesem Tag, haben die beiden Kinder dort einen riesigen Spielplatz – abgesichert durch hohe Wände und ohne gefährliche Stellen. Dort fahren die Geschwister Dreirad oder spielen Fußball. Kein Grund zur Sorge: „Unsere Kinder wissen ganz genau, wie man sich auf einem Schiff verhalten muss. Sie haben Respekt vor dem Wasser und kennen die Gefahren“, sagt Christina Schäfer. Trotz einiger Sicherheitsregeln genießen die Kinder die Zeit an Bord.
Schließlich müssen sie oft auf ihren Vater verzichten. Bei Geburtstagen und Schulaufführungen ist er meist nicht dabei. Auch für Christina ist es nicht immer leicht: „Manchmal fühle ich mich schon einsam an Land. Vor allem wenn die Kinder abends im Bett sind“, sagt sie. „Achim hat schließlich immer seinen Steuermann mit an Bord. Die Jungs sitzen dann abends gemütlich zusammen.“ Doch ein Schifferleben hat auch viele schöne Seiten: Vor allem die Freiheit. „Wir kommen unglaublich viel rum.“ Rotterdam, Budapest, Brügge oder Amsterdam waren nur einige ihrer gemeinsamen Ziele. „Es ist eine Einstellungssache: Man muss sich auf das Leben an Bord einlassen können und darf keine Angst haben, an Land etwas zu verpassen“, sagt Achim. Für ihn und seine Familie kein Problem. Sie lieben ihr Leben an Bord. „Das Gefühl, im Sommer morgens um fünf bei Sonnenaufgang loszufahren, mit einem warmen Kaffee in der Hand zuzuschauen, wie die Natur und die Menschen langsam erwachen, das ist unbeschreiblich“, erzählt Achim.
Einmal Schiffer, immer Schiffer. Das ist klar für Achim. Daher weiß er auch schon, wie er seinen Ruhestand verbringen will: „Christina und ich kaufen uns eine kleine Yacht und fahren damit an all die Orte, wo wir bisher noch nicht waren.“