Es gibt Leute, die reden (derzeit täglich) über Fußball. Es gibt welche, die schauen sich Spiele an – im Fernsehen oder im Stadion. Und es gibt Rainer Adam, dem das alles nicht reicht – zumindest was den FC Würzburger Kickers anbelangt. Seit nunmehr 50 Jahren sammelt und archiviert der 62-Jährige aus der Sanderau sämtliche Spielberichte, Ergebnisse, Tabellen, Stadionmagazine, Bilder, Versammlungsprotokolle, Wimpel und und und.
Auf über 1000 DIN-A 3 Seiten, hat er die bislang 105 Jahre alte Geschichte der Rothosen vom Dallenberg dokumentiert. Kickers-Vorsitzender Michael Schlagbauer bezeichnet die Historienabteilung namens Adam als „Glücksfall für unseren traditionsreichen Verein“.
„Glücksfall für den Verein“
Denn in Adams Archiv fehlt kein Spielergebnis, kein Torschütze, kein Vereinsereignis (auch aus den anderen Abteilungen) und auch nicht das Vereinsleben zur NS-Zeit. Davon künden unter anderem originale Glückwunschtelegramme zum „30-jährigen“ des Vereins 1937 – mit Führerbild und „Heil Hitler“-Gruß. Vom ersten Spiel der Rothosen am Galgenberg am 5. April 1908, das sie 5:0 gegen den Lokalrivalen Würzburg 04 gewannen, bis zum erfolgreichen Aufstieg in die Regionalliga vor zwei Wochen ist alles dokumentiert – mit Zeitungsausschnitten, Kopien, Aufzeichnungen, Fotos.
Computer? Fehlanzeige. Bei Adam ist alles Handarbeit. „Ich schätze, dass ich bislang fünf Kilo Uhu-Kleber verbraucht habe“, erzählt Adam. Seine Passion zum Sammeln erklärt er relativ simpel: „Ich bin da so reingerutscht, es hat Spaß gemacht und dann hört man halt nicht mehr auf.“
„Reingerutscht“ ist der elfjährige Rainer an Silvester 1961, als der Club aus Nürnberg die Kickers – damals noch auf dem Platz in der Randersackerer Straße – mit 11:0 im DFB-Pokal abfertigte. Hinterher entdeckt er sich in der Zeitung, schneidet das Zuschauerfoto aus – der Auftakt zu einer akribischen Sammelleidenschaft. Erst 1970 wird der Kickers-Fan Vereinsmitglied, kümmert sich vier Jahre lang um die Stadionzeitung, ist eine Saison lang Stadionsprecher und betreut in den Achtzigern einen Souvenirstand bei den Spielen.
Seine erste Vereinschronik erstellt Adam zum 75-jährigen Jubiläum 1982, die zweite zum 100. Geburtstag – ein 296-Seitenwerk, das immens Zeit gekostet hat. Denn „Mitte der Neunziger hab ich angefangen, die Vereinsgeschichte vor meiner Zeit zu recherchieren“. Fünf Jahre lang durchstöbert Adam im Stadtarchiv den „Generalanzeiger“. Eine wertvolle Quelle, „bei der ich auch erfuhr, was außer bei den Kickers sonst noch alles in Würzburg los war“. Zudem hat sich Adams Sammelleidenschaft und Sorgfalt herumgesprochen, er erhält viel historisches Material aus Nachlässen.
Raritäten der Vereinsgeschichte
„Hier das Originalblatt mit Mannschaftsaufstellung vom Spiel vom 10. Oktober 1909 gegen die 04er“ präsentiert Adam in seinem Wohnzimmer eine Rarität aus dem schier unerschöpflichen Fundus. Er hat jede Zahl parat („1954 kamen durchschnittlich 5000 Zuschauer zu den Spielen, in der abgelaufenen Saison nur noch 256“), kann zu jedem Namen etwas erzählen – ein Besessener, auch wenn er sich selbst nur als „Sammler“ bezeichnet.
Adam hat nie für die Kickers gekickt – „nur ein halbes Jahr in der Jugend beim TSV Gerbrunn“ – und ist mittlerweile selten bei Spielen am Dallenberg anzutreffen: „Nur noch so drei bis vier Mal pro Saison, meine große Fan-Zeit war in den Sechzigern und Siebzigern.“ Die Leidenschaft für die Vereinshistorie ist aber ungebrochen: „Jeden Montag wird ausgeschnitten.“ Hauptquellen sind Main-Post, Kicker und die Stadionzeitung. Kickers-Vorsitzender Schlagbauer schätzt seinen „idealistischen“ Vereinshistoriker, der auch mal Vorträge hält, und wünscht sich eine Fortsetzung dessen Chronistenjobs.
Der Junggeselle Adam will auch weiter archivieren, obgleich er noch weitere Leidenschaften pflegt. Er gilt als größter Beatles-Fan in der Stadt mit umfangreicher Platten- und Devotionaliensammlung, hortet Autogramme von Musikern und trägt derzeit Material für eine Chronik zum 600-jährigen Bestehen des Weinhauses „Zum Stachel“ zusammen. Hauptsache, es gibt was zum Sammeln.
diese leidenschaft ist finanziert durch die gesellschaft.