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VEITSHÖCHHEIM
Ist die deutsche Gurke in Gefahr?
Gurkenernte im Spreewald       -  Bedroht: Gurken aus heimischer Produktion könnten bald zur Seltenheit werden.
Foto: Ralf Hirschberger, dpa | Bedroht: Gurken aus heimischer Produktion könnten bald zur Seltenheit werden.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 16.01.2016 03:22 Uhr

Das Jahr 2015 war ein schwieriges Jahr für die Landwirtschaft. Nicht nur Trockenheit, Wassermangel und Hitze stellten die Bauern vor große Herausforderungen. Der Mindestlohn, der seit 2015 auch für Saisonarbeiter gilt, ist ein großes Problem für die Branche.

In Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) wurde beim Industriegemüsetag der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau darüber diskutiert, ob in Zukunft solche arbeitsintensive Kulturen wie Einlegegurken überhaupt noch in Deutschland angebaut werden können.

In Unterfranken wird auf 700 Hektar Industriegemüse wie Einlegegurken, Rote Bete, Rot- und Sauerkraut angebaut. Besonders die kleinen Gurken, die später sauer in Essig eingelegt werden, sind sehr arbeitsintensiv. Die Arbeit auf dem sogenannten Gurkenflieger ist hart: Auf dem breiten Ausleger eines Treckers schweben die Pflücker auf dem Bauch liegend über das Feld. „Deutsche lassen sich dafür schon lange nicht mehr gewinnen“, erklärte Christoph Freitag vom Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie in Bonn.

Pro Hektar fielen etwa 3000 Arbeitsstunden an. Und da habe sich der deutlich höhere Lohn für die Arbeitskräfte mehr als bemerkbar gemacht, erläuterte Freitag. Dabei liegt Deutschland bei den Einlegegurken mit 250 000 Tonnen pro Jahr nach den USA Platz auf zwei auf dem Weltmarkt. „Deutschland beliefert ganz Europa mit Gurken“, sagte Freitag. Doch in Zukunft werde das nicht so bleiben. Freitag prognostiziert eine „schleichende Abwanderung“. Der Anbau von Einlegegurken werde sich wohl in Länder wie die Türkei oder Polen verlagern, „wo der Stundenlohn deutlich niedriger ist“. In der Türkei werden laut Schätzungen nur ein bis zwei Euro Stundenlohn gezahlt. Ein Saisonarbeiter in Deutschland verdiente vor Einführung des Mindestlohns etwa vier bis fünf Euro pro Stunde.

„Wir müssen heute das Doppelte für die gleiche Arbeit bezahlen“, erklärte Winfried Strauß vom Gurkenhof Strauß in Bergtheim (Lkr. Würzburg). Seit fast 30 Jahren baut Strauß Gurken in Bergtheim an – von den kleinen Cornichons bis zu Salatgurken. Für Saisonarbeiter in der Land- und Forstwirtschaft gilt derzeit ein Übergangstarif von 7,40 Euro im Westen und 7,20 Euro im Osten. Dieser soll bis November 2017 auf einheitliche 9,10 Euro pro Stunde ansteigen.

Gurkenernte ist personalintensiv

Insgesamt sinke die Nachfrage nach verarbeitetem Gemüse, bestätigte auch Josef Hofmeister von der Gurkenerzeugerorganisation (GEO) Bayern. Die Lebensmittelketten seien auch nicht bereit, Gurken wesentlich teurer zu verkaufen. „Die Kunden wollen zwar Regionalität und Qualität, doch kaum einer möchte mehr bezahlen“, sagt Hofmeister. Selbst der deutsche Marktführer im Geschäft mit Gewürzgurken, die Carl Kühne KG aus Hamburg, kann sich nicht vorstellen, künftig 50 Cent mehr für jedes Glas verlangen zu können. „Ich fürchte, dass der Gurkenanbau aus Deutschland abzieht“, sagte der Kühne-Geschäftsführer Stefan Leitz gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Bislang bezieht Kühne noch 80 Prozent der Gurken von heimischen Bauern, die ihre Felder in der Nähe der unternehmenseigenen Verarbeitungsbetriebe in Sennfeld bei Schweinfurt und Straelen an der Grenze zu Holland haben. „Wenn die Landwirte wegen des Mindestlohns künftig auf Gemüsesorten ausweichen, die weniger personalintensiv zu ernten sind, müssen wir unseren Gurkenbedarf im Ausland decken“, warnte Leitz bereits im April.

Die Gurkenernte ist extrem personalintensiv. „Es muss davon ausgegangen werden, dass die durch den Mindestlohn gestiegenen Arbeitskosten an die Kunden weitergegeben werden. Dies ist in Teilen ja bereits auch schon erfolgt“, erklärte Kühne-Chef Leitz. Die Arbeitsplätze in dem Werk in Sennfeld seien aktuell nicht gefährdet. „Wir haben eine stabile Auftragssituation – von daher sind keinerlei Auswirkungen auf den Werksstandort Sennfeld zu erwarten“, sagte Leitz gegenüber dieser Redaktion.

„Nur mit einfach zu erzeugendem Gemüse werden wir weiter auf dem Markt bestehen können“, denkt Gurkenanbauer Winfried Strauß. Kulturen wie Sellerie, Rote Bete, Karotten oder Kohl werden wohl auch in Zukunft in Deutschland angebaut werden können. Doch: „Es fällt uns nicht leicht, aus dem Gurkenanbau auszusteigen“, sagte Strauß. Doch weitermachen könne er nur, wenn die Verbraucher bereit sind, mehr zu bezahlen. Sonst werden in den Supermarktregalen vielleicht bald günstigere Gurken aus Polen oder Indien stehen.

 
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  • W. W.
    noch mehr in Gefahr sein als die Gurke. Wir sind eine Trockenplatte und was geschieht. Wir kriegen nicht genug von den Windrädern. Es gibt Studien, die in Deutschland und besonders in Franken keinen interessieren, die besagen, dass es hinter Windrädern trockener ist und die Temperatur um ca. 1 Grad höher ist als im Umfeld. Wer ab und zu die Wolken und Wind beobachtet kann feststellen was aus den Wolkenbändern wird. Nach dem Passieren der Windradfronten, davon gibt es in Franken genug, sieht man nur noch einzelne Wolken die kein großes Regenpotenzial mehr haben. Wie ein Wasserstrudel nach einem Motorboot, so sehen die zerrissenen Wolkenbänder aus. Was sagen die Oberbayern, lasst doch die Franken alle Windräder bauen, dann haben wir unsere Ruhe. Franken hat schon lange sein Soll an Windmaschinen erfüllt und die Wetterkapriolen werden noch schlimmer werden, vor allem die Trockenheit! Wer das mit der Wolkenverwirbelung nicht glaubt: Licher Fotopreis „Mensch und Natur“ 2011 nachschauen!
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