Die irischen Handschriften der Universitätsbibliothek Würzburg sind einzigartig und weltberühmt. Während seines Würzburg-Besuchs im Juni bewunderte der irische Botschafter Nicholas O’Brien zusammen mit seiner Lebensgefährtin Mary McCarthy die irischen Schätze der Universitätsbibliothek, die für das Selbstverständnis der irischen Sprache und Kulturgeschichte von großer Bedeutung seien, wie es in einem Presseschreiben heißt.
Die Handschriften, die dem Botschafterpaar präsentiert wurden, gehörten früher zum Domstift in Würzburg. Im Zuge der Säkularisation kamen sie in die Universitätsbibliothek. "Die Würzburger Dombibliothek zählt zu den bedeutendsten Handschriftenensembles Mitteleuropas", erläuterte Hans-Günter Schmidt, der Leiter der Universitätsbibliothek. "Die Handschriften sind in ganz Europa entstanden. Darunter befinden sich ganz besondere Textzeugen, unter anderem aus irischen Skriptorien." Internationale Kooperationen auf europäischer Ebene gab es bereits damals. Die Würzburger Dombibliothek sei gewissermaßen Ausdruck eines "gesamteuropäischen Phänomens", so Schmidt.
Der Legende nach soll es der Heilige Kilian selbst besessen haben
Das Botschafterpaar betrachtete unter anderem das Kiliansevangeliar, das der Legende nach der Heilige Kilian selbst besessen haben soll. Den Vorderdeckel ziert ein im 11. Jahrhundert entstandenes filigran gearbeitetes Elfenbeinrelief, das das Martyrium der drei Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan zeigt. Über die Jahrhunderte hinweg entwickelte sich das Evangeliar zu einer Reliquie, die alljährlich zu Kiliani im Würzburger Kiliansdom ausgestellt wurde.
Auch zwei laut Mitteilung "absolute Hochkaräter"waren dabei: Zunächst stellte Handschriftenspezialistin Kerstin Kornhoff eine Paulus-Briefe-Handschrift vor, die wegen ihrer zahlreichen Anmerkungen in altirischer Sprache (über 3500) weltberühmt ist ("The Würzburg Paul"). Johann Kaspar Zeuß (1806-1856) gelang es aufgrund der Anmerkungen, die altirische Sprachstufe zu rekonstruieren. "Wir finden in dieser Handschrift die ältesten überlieferten Textzeugnisse der irischen Sprache. Mit der Rekonstruktion des Altirischen brachte man den Iren ein Stück ihrer Sprachgeschichte zurück", erklärte Kornhoff. Die "Würzburger Paulus-Glossen" haben daher bis heute eine ganz besondere Bedeutung für die irische Kulturgeschichte und Identität. Außerdem könne man an ihr sehen, so Kornhoff, auf welch hohem Niveau sich die Wissenschaftskultur in Irland im frühen Mittelalter bewegte.
Das Besondere: 33 Kommentarzettelchen
Abschließend präsentierte Christian Malzer, der Leiter der Abteilung Handschriften und Alte Drucke der Universitätsbibliothek, die berühmte Handschrift des Matthäus-Evangeliums ("The Würzburg Matthew"), welche wohl im selben irischen Skriptorium wie die "Würzburger Paulus-Glossen" entstanden ist. Das Besondere an dieser Handschrift seien die eingebundenen 33 Kommentarzettelchen, die weder untereinander noch zum Matthäus-Evangelium in einer inhaltlichen Beziehung stehen. Sie wirkten eher "wie eine zufällig zurückgelassene Notizen-Sammlung", so Malzer.
Besonders interessant sei der Kommentarzettel mit der Nummer 29: "Auf diesem Zettelchen stehen Angaben, wie man nach der irischen Tradition das Osterfest berechnete, was im 7. und 8. Jahrhundert ein höchst umstrittenes Thema war."
Zum Schluss trugen sich Nicholas O’Brien und Mary McCarthy in das Gästebuch der Universitätsbibliothek ein und versicherten, dass man die Bindungen zwischen der Universitätsbibliothek Würzburg und den irischen Partnerinstitutionen vertiefen möchte, um perspektivisch die Forschung zu den irischen Textzeugen zu intensivieren. Auf diese Weise könne nicht nur die europäische Bedeutung der Handschriften herausgestellt, sondern auch deutlich gemacht werden, dass die kulturellen Wurzeln Europas zu einem nicht unerheblichen Teil in der irischen Geschichte und Kultur lägen.