Als Josef Schuster vor zwei Jahren zum Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt wurde, hoffte er, nicht immer nur als Mahner gegen Extremismus, Rassismus und Antisemitismus gehört zu werden. Doch in Tagen wie diesen, in denen die rechtspopulistische AfD einen Wahlerfolg nach dem anderen feiert und die Parteien über den richtigen Umgang mit Flüchtlingen streiten, bleibt der 62-Jährige ein gefragter Gesprächspartner.
Josef Schuster: Ja, diese Ergebnisse finde ich beunruhigend. In Berlin war man bei den Prognosen eher von zehn bis zwölf Prozent ausgegangen, dann waren es 14 Prozent. Das ist ein nicht kleiner Stimmenanteil für eine Partei, die polemisch Ängste und Befürchtungen aufgreift, ohne Lösungen anzubieten.
Schuster: Ich würde nicht von einem Alptraum sprechen. Ich hoffe, dass aus solchen Ergebnissen kein Alptraum wird. Ich gehe eigentlich davon aus, dass sich die AfD in den Parlamenten, in denen sie jetzt vertreten ist, selbst demaskiert, weil es ihr beispielsweise nicht gelingt, sich vom rechtsextremen Rand zu lösen. Insofern hoffe ich, dass wenigstens ein Teil der AfD-Wähler merkt, hinter wem man da eigentlich herläuft.
Schuster: Sie ist in meinen Augen eine rechtspopulistische Partei, duldet aber auch Rechtsextreme in ihren Reihen, und zwar nicht nur als Stimmvolk.
Schuster: Die antisemitischen Schriften des Herrn Gedeon in Baden-Württemberg sind ein Beispiel. Unter den Kandidaten bei den jüngsten Wahlen waren auch welche, die früher für rechtsextreme Parteien angetreten sind.
Schuster: Es ist in Deutschland schon überraschend. Im Wissen um die Geschichte hätte man erwarten können, dass die Bevölkerung besonders sensibel ist. Auf der anderen Seite werden seit Jahren immer wieder Studien veröffentlicht, laut denen 20 Prozent der Bevölkerung Vorurteile gegenüber Minderheiten, gegenüber Fremden haben. Da kann man sich dann schon vorstellen, dass eine solche Partei Wähler findet.
Schuster: Ich denke, dass es notwendig ist, die Sorgen der Menschen, die zum Teil auch berechtigten Nöte ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. Wenn nicht bei mir, aber doch bei einem Teil der Bevölkerung die Sorge vor einer Überfremdung besteht, dann muss man daran arbeiten. Zum einen den Menschen hier erklären, warum sie keine Sorge haben müssen. Zum anderen muss die Politik aber auch alles dafür tun, damit diejenigen, die in unser Land gekommen sind, möglichst rasch und gut in unsere Gesellschaft integriert werden.
Damit ihnen klar wird, welche Leitbilder bei uns gelten. Da meine ich die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Gleichberechtigung verschiedener sexueller Orientierungen, aber genauso auch die Gleichberechtigung aller Religionen. Dazu gehört, dass Antisemitismus keinen Platz in dieser Gesellschaft haben darf.
Schuster: Es geht nicht darum, die AfD zu kopieren. Politisches Handeln ist gefragt, damit Integration gelingt. Dabei müssen auch Gefahren benannt und bekämpft werden. So sind die Sicherheitsbehörden derzeit ja offenbar dabei, sich die Menschen, die zu uns gekommen sind, noch einmal genauer anzuschauen und diejenigen, die Böses im Schilde führen und nicht aus humanitären Gründen nach Deutschland geflüchtet sind, dingfest zu machen.
Schuster: Die Uneinigkeit der Parteien über die Flüchtlingspolitik war ein Mosaikstein beim Wahlerfolg der AfD. Es ist wichtig, die Probleme zu benennen. Dass die Kanzlerin sich in den vergangenen Tagen etwas selbstkritisch geäußert hat, war ein bemerkenswerter Schritt. Dieser alte Satz „Rechts von CDU und CSU soll es keine demokratisch legitimierte Partei geben“ ist richtig und wichtig.
Schuster: Unter dem Eindruck der Zahlen von 2015 hatte ich gesagt, dass wir bei einer gleichbleibenden Entwicklung womöglich um Obergrenzen nicht herumkommen. Ich habe sie nicht gefordert. Ich habe mich einfach gefragt, wie Deutschland bei diesen Größenordnungen die Integration schaffen soll.
Schuster: Richtig, das Asylrecht sieht keine Obergrenze vor. Es sollte auch nicht um starre Grenzen gehen, sondern um Richtgrößen.
Schuster: Die Erfahrungen sind unterschiedlich. Viele junge Menschen sind auf einem guten Weg. Auf der anderen Seite gibt es auch Erlebnisse wie neulich in Würzburg. Wir wollten einer Gruppe, in der auch Muslime dabei waren, bei einer Führung auch die Synagoge zeigen. Der Bitte, aus Respekt vor dem jüdischen Gotteshaus eine Kopfbedeckung zu tragen, verweigerten sich zwei Männer.
Sie sagten, sie hätten hier keinen Respekt. Das sind Dinge, die einem weh tun. Denn umgekehrt ist es für mich selbstverständlich, meine Schuhe auszuziehen, wenn ich in eine Moschee gehe.
Schuster: Die Männer haben die Synagoge verlassen.