Der 69-jährige Würzburger Schlagzeuger und Percussionist Bernd Kremling hat mit vielen der ganz Großen in der Musikszene gespielt. Ein Gespräch über seinen Weg zur Percussionsmusik, wie sich ein Trommelkünstler fit hält und warum er immer noch täglich übt.
Kremling: Ich stamme aus einer Musikerfamilie. Mein Vater war Posaunist. Er hat mich motiviert ein Instrument zu lernen. Es fing im Kindergarten mit Orff-Instrumenten an. Schon als Vierjähriger musizierte ich mit anderen Kindern zusammen und da durfte ich eine kleine Pauke spielen. Wir haben damals schon kleine Aufführungen gemacht mit Orff‘schem Schulwerk. Das hat mir sehr gut gefallen. Mein Vater brachte mir dann ein Akkordeon, weil es für Schlaginstrumente damals noch keine Lehrer gab. Also habe ich mit sechs Jahren Akkordeon-Unterricht bekommen. Da sind oft Tränen geflossen, weil das eine sehr harte Schule war. Der Lehrer war zwar ein sehr guter Musiker, aber er konnte mit Kindern nicht wirklich umgehen. Ich habe aber nicht aufgegeben. Das hat sich schließlich gelohnt, denn als ich ins Wirsberg-Gymnasium kam, konnte ich als Sänger im Chor schon eine gute Rolle spielen. Damals baute der Musiklehrer gerade ein Orchester auf, aber es fehlte ein Oboist. Der Lehrer wusste, dass ich sehr musikalisch war und sah mich für die Oboe vor. Da war ich gerade mal elf Jahre alt. Mein Vater fand, dass es eine gute Idee sei Oboe zu lernen, und ging mit mir zum Konservatorium. Dort testete mich Professor Kurt Hausmann. Er drückte mir die Oboe in die Hand, die ich ja noch nie gespielt hatte. Und da kamen tatsächlich vernünftige Töne heraus. Ich durfte dann auch gleich bei ihm Unterricht nehmen. Das war eigentlich der entscheidende Schritt zur Musik auf hohem Niveau.
Bernd Kremling: In dem Moment nicht unbedingt. Aber ich war damals schon in einer Gemeinschaft mit Musikern. Mit meinem Vater zusammen habe ich im Blasorchester des Soldatenbunds gespielt. Wir haben bei Kiliani und ähnlichen Anlässen gespielt. Dafür war die Oboe aber zu leise. Also wurde mir ein Saxophon in die Hand gedrückt. Und das hat dann auch auf Anhieb ganz gut funktioniert. Als ich 15 Jahre alt war, kam der entscheidende Punkt. Da bin ich ans Deutsche Gymnasium (heute Matthias-Grünewald-Gymnasium) gewechselt, weil dort Musik Hauptfach war. Das war das, was ich wollte. Da gab es eine Schulband und die spielte meine Musik: Beatles, Rolling Stones, Jimi Hendrix, Animals, Doors. Das war mein Ding. In den Sommerferien habe ich in der Winzergenossenschaft in Randersacker gearbeitet und habe mir von dem dort verdienten Geld mein erstes Ludwig-Schlagzeug, das Instrument, das Ringo Starr bei den Beatles spielte, gekauft. Das war damals das Größte überhaupt.
Kremling: Ja genau. Im Keller des Ladengeschäftes meiner Eltern in der Eichhornstraße haben wir dann zu viert Musik gemacht. Diese erste Band waren die Scamps. Dann kamen die Roadrunners. Danach die Sunnys, mit denen ich erstmals gutes Geld verdient habe. Das war eine halbprofessionelle Band, die in den Tanzsälen auf dem Land rund um Würzburg aufgetreten ist.
Kremling: Ja. Da war ich 15, 16 Jahre alt. Da wusste ich schon: Das Musikmachen ist mein Ding. Wir haben zwei- oder dreimal in der Woche geprobt und am Wochenende ging‘s raus und dann haben wir gespielt. Ich habe also nicht mit der Klassik Blut geleckt, sondern mit der Musik, die man damals überall hörte. Danach kamen noch weitere Bands und man hat in dieser Zeit als junger Mensch schönes Geld verdient. Aber das war nicht der Hauptgrund, in einer Band zu spielen, man wollte einfach mit Gleichgesinnten Musik machen.
Kremling: Als ich ans musische Gymnasium kam, habe ich zusätzlich noch Klavierunterricht am Konservatorium genommen und Kurse in Musiktheorie belegt. Und dann kam der Fink (Anm.: Prof. Siegfried Fink war Professor für Percussion) nach Würzburg. Da war ich der erste Hospitant, der bei ihm Schlagzeugunterricht bekommen hat. Das war 1966. Das war natürlich ideal, da er ein großer Fachmann war, der einem auf ganz hohem Niveau gezeigt hat, wo‘s lang geht. Es ging ihm um das Instrument und darum, es von der Pike auf zu lernen. Ganz klassisch.
Kremling: Ja genau.
Kremling: Eindeutig.
Kremling: Mit Sicherheit. Er hat ja als erster deutschlandweit das Drumset in die Hochschule gebracht. Und er war offen für neue Richtungen.
Kremling: Ja, aber eher im positiven Sinne. Man ist dann ja nicht mehr so greifbar, wenn man ein Instrument spielt, das keiner kennt. Dass Percussionsinstrumente viel mehr Möglichkeiten bieten als mal nur auf die Pauke zu hauen, haben damals nur sehr wenige gewusst. Aber es stimmt schon: Über die Musik mit der Band hat man schon mehr Anerkennung bekommen. Mein erster Höhepunkt im Studium war es dann, im Weltjugendorchester unter der Leitung von Leonard Bernstein die Pauke zu spielen.
Kremling: Mein Vorteil war das Momentum der ersten Stunde. Wir waren ja beide neu am Konservatorium, Fink als Lehrer und ich als Student, der ich inzwischen war. Er hat aber alle gefördert. Als Hospitant hat er mich vorher schon früh auf Tourneen mitgenommen. Er hat mir viele Kontakte ermöglicht, so dass ich beispielsweise mit 19 Jahren mit den Bamberger Symphonikern spielen konnte. Er hat mir nicht nur das Instrument beigebracht, sondern auch das Netzwerk eröffnet für das Spielen mit anderen. Das war schon ein Idealfall. Er hat uns auch immer dazu „verdonnert“, im Sommer nach Weikersheim zu gehen, um dort Kammermusik-Kurse zu besuchen, die er geleitet hat. Da wurde man wie ein Hochleistungssportler getrimmt.
Kremling: Das muss letztlich jeder für sich selbst beantworten. Ich bin viel gelaufen, aber mehr als Ausgleich zu meiner Lehrtätigkeit nach dem Studium. Man muss als Musiker nicht unbedingt Sportler sein. Man muss aber die Disziplin eines Sportlers haben.
Kremling: Je jünger man anfängt, umso besser kommt man voran. Deswegen habe ich während der elften Klasse die Schule verlassen. Sonst hätte ich während dieser Zeit nicht üben können. Die Gelenke gestalten sich geschmeidiger, wenn man sie in jungen Jahren fördert. Entscheidend ist, dass man in der Percussion ganz verschiedene motorische Abläufe hat. Das ist dann wie Sport. Man spielt nicht nur feinmotorisch mit den Händen und Fingern, am Drumset braucht man Hände und Füße und das muss alles laufen wie eine Maschine. Da fühlt man sich dann schon wie ein Sportler und dann trainiert man auch so.
Kremling: Ja, das muss sein. Wenn man auf hohem Niveau spielen möchte, muss die Grundtechnik stimmen. Ich bin jeden Tag zwei Stunden am Instrument.
Kremling: Ja, das ist einer meiner Vorteile, dass ich fast jedes Instrument spielen kann. Deshalb bin auch heute immer noch im Geschäft. Universalist bin ich auch von der Stilistik her. Beispielsweise hatte ich letztes Jahr ein Konzert mit der Originalband von Prince und einem Orchester. Dafür habe ich drei Wochen jeden Tag sechs Stunden an den Pauken geübt, denn ich musste die Stimme des E-Basses an den Pauken spielen. Aber das hat sich gelohnt, und es hat Spaß gemacht. Genauso gerne spiele ich aber auch mit klassischen Orchestern oder improvisiere als Solist.
Kremling: Ja. Ich habe mit Ute Lemper in der Elbphilharmonie gespielt, mit Deborah Sasson, Anna Maria Kaufmann. Letztes Jahr spielte ich mit Nils Landgren.
Kremling: In Japan war ich noch nicht. Mit Siegfried Fink habe ich in ganz Europa gespielt. Zuletzt war ich mit der Deutschen Rundfunk Kammerphilharmonie einige Male in China.
Kremling: Nein. Letztendlich ist für mich mein Beruf mein Leben und mein Instrument mein Lebenselixier.
Kremling: Ich würde mal sagen: Ich habe das nicht nötig. Man kennt mich vielleicht in Würzburg in der Regel weniger, in der Szene kennt man mich aber sehr gut. Und deshalb bin auch als Schlagzeuger immer noch unterwegs. Ich musste noch nie jemand fragen, ob ich mit ihm spielen dürfe oder mich irgendwo bewerben. Die Leute kommen auf mich zu und so ist es mir am liebsten.
Kremling: Letztendlich schon.
Kremling: Da würde ich mir schwer tun, eines zu nennen. Ich habe ja schon mehr gemacht, als mir je klar war, dass ich es tun würde. Das Tolle ist ja, es kommt immer wieder etwas Neues auf einen zu.